Freie Nabelschau auf Tarzans makellosen Brustpanzer

Alexander Skarsgård als Tarzan, Margot Robbie als Jane
Lebloses Superhelden-Epos mit Christoph Waltz als kultiviertem Soziopathen.

Der berühmte Tarzan-Schrei ertönt erst gegen Ende. "Ich dachte, das klingt besser", kommentiert Christoph Waltz den legendären Dschungel-Jodler. Waltz selbst ist jedenfalls unverkennbar in seiner hauseigenen, sarkastischen Sprachmelodie. Er spielt Léon Rom, einen grausamen belgischen Offizier und Schlächter unzähliger Eingeborener im Kongo. Rom war es nicht nur, der Joseph Conrad angeblich zu seiner Figur des Colonel Kurtz in "Herz der Finsternis" inspirierte; Waltz erinnert in dieser Rolle auch stark an seine Trademark-Performance seit "Inglourious Basterds": den kultivierten Soziopathen. Um an Diamanten heranzukommen, lockt er Tarzan, mittlerweile als Lord Greystoke III. in England ansässig und mit Jane verheiratet, in den Kongo.

Aus dem Exotismus-Klassiker "Ich Tarzan, du Jane" formte David Yates – Regisseur der vier letzten Harry-Potter-Filme – ein bemüht progressives, wenngleich lebloses Superhelden-Epos mit Kampfaffen. Der schöne Schwede Alexander Skarsgård – Fangzahn aus "True Blood" – entblößt seinen makellosen Oberkörper zwar erst zur Halbzeit. "Du siehst komisch aus", begrüßt ihn ein alter Freund, als Greystoke im kongolesischen Dorf im Aristo-Outfit auftaucht. Beflügelt wirft er die Klamotten ab – und dann herrscht freie Nabelschau auf Skarsgårds überwältigenden Muskelpanzer, der fast schon wie ein Spezialeffekt aussieht. Ausgiebig schwingt er sich formschön auf Lianen durchs Blattwerk oder vollführt elegantes "Stage Diving" von der Felsenklippe.

Nebelschwaden

In verhangenen Rückblenden erzählt Yates vom Schicksal des kleinen Briten, der nach Verlust seiner Eltern als Tarzan von Affen großgezogen wurde. Von Nebelschwaden durchzogen oder in mystisches Gegenlicht getaucht, entstehen seltsam gedämpfte, um nicht zu sagen, erstickte Bilder. Salbungsvolle Geigenmusik umwabert ausgeblichene 3-D-Naturaufnahmen.

Die Computertricks sehen ebenfalls nicht so aus, als wären sie "state of the art": Schauspieler und mittelmäßig gut digitalisierte Tiere bewegen sich durch eine CGI-Landschaft, deren Künstlichkeit dem bombastischen Dschungelabenteuer den Siegel des ambitionierten B-Movies aufdrückt.

Zu den berührendsten Szenen zählt jene, in der Tarzan ausgiebig mit einer Löwengruppe schmust. Die Kampfszenen wiederum oszillieren zwischen schnellem Vorlauf und Zeitlupe und hinterlassen weniger den Eindruck von Dramatik, als von Trash. Für antikolonialistisches Gewissen sorgt der knackige Samuel L. Jackson als US-Westernheld Williams: Er will beweisen, dass im Kongo Sklavenhandel betrieben wird. Dieses düsteres Kapitel imprägniert das Fangspiel zwischen Tarzan und Rom, der Lady Jane als Geisel genommen hat. Gleichzeitig sorgt Jackson bei aller politischer Korrektheit auch für komische Entlastung: Beim Lianen-Schwingen muss Tarzan ihn Huckepack nehmen. Und während alle leichtfüßig durch die Savanne sporteln, wünscht sich der schwer keuchende Amerikaner sein Reitpferd herbei. Oder wenigstens ein Zebra.

Legend of Tarzan. USA 2016. 110 Min. Von David Yates. Mit Alexander Skarsgård, Christoph Waltz. KURIER-Wertung:

Was machen Haustiere, wenn sie allein zu Hause sind? Der ondulierte Königspudel beispielsweise wartet nur darauf, dass Herrchen die Tür hinter sich schließt. Dann legt er eine Heavy-Metal-Platte auf, lässt die Zunge aus dem Maul hängen und beginnt mit Headbangen. Sein Kollege pinkelt umgehend in die Zierpflanze. Der Dackel lässt sich vom Mixer das Bürzel kraulen. Ein fetter Kater schmachtet das Brathuhn im Eiskasten an. Und ein kecker Kanari wirft sich an die Spielekonsole.

Im Fall des leicht neurotischen Terriers Max nimmt sein beschauliches Haustierleben eine Wendung zum Schlechteren, als Frauchen einen zweiten Hund adoptiert. Ein Zottelbock namens Duke stört Maxens trauliche Zweierbeziehung – und es bedarf einiger atemloser Abenteuer in der New Yorker Kanalisation, ehe sich die beiden als Brüder akzeptieren.

Die Macher von "Ich – Einfach unverbesserlich" liefern ein fideles, poppig-buntes Abenteuer, das sich zuweilen mit seiner Action-Freudigkeit übernimmt. Trotzdem: Ziemlich hoher Spaßfaktor.

INFO: JP/ USA 2016. 87 Min. Von Yarrow Cheney, Chris Renaud. Stimmen: Jan J. Lievers, Didi Hallervorden.

KURIER-Wertung:

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Max (re.) und Duke eifern um die Liebe von Frauchen

"Küss die Hand, Helmut Zilk": Mit Charme und Wiener Schmäh stellt sich der österreichische Fernsehdirektor in Prag einer tschechischen Schauspielerin vor. Bald wird er ihr nicht nur die Hand küssen, sondern so wilden Sex mit ihr haben, dass sie mit den Nägeln die Tapete von den Wänden kratzt.

Unglücklicherweise sind dem patenten Franz Novotny – Regisseur von Wien-Klassikern wie "Exit – Nur keine Panik"– auch solche Szenen nicht zu blöd. Basierend auf den im profil publizierten Geheimdienstakten, laut denen der damalige TV-Direktor, SPÖ-Politiker und spätere Bürgermeister Zilk für den tschechoslowakischen Geheimdienst tätig war, verfilmte Novotny den Politskandal nahe an der Sex-Kolportage. Zwar spielt Johannes Zeiler seinen Zilk souverän und mit verblüffender Ähnlichkeiten zum Original, Eva Spreitzhofer seine verbitterte Ehefrau mit überzeugendem Weltekel. Spießige Wohnungen, verschwitzte Männer-Sauna-Treffs und rauchendes Herumsitzen in grindigen Kaffeehäusern erzählen noch am schlüssigsten vom österreichischen Nachkriegsmief. Doch zum straffen Politthriller kommt es nicht. Stattdessen verzettelt sich Novotny in einer albernen Parallelgeschichte aus dem Milieu der Prager Filmavantgarde: In seiner Lesart verflacht die tschechische Nouvelle Vague zum abgeschmackten Liebesdreier im Bett eines regimekritischen Regisseurs.

INFO: Ö/CZ 2016. 98 Min. Von Franz Novotny. Mit Johannes Zeiler, Vica Kerekes, Michael Fuith.

KURIER-Wertung:

Freie Nabelschau auf Tarzans makellosen Brustpanzer
Souverän: Johannes Zeiler (re.) als Helmut Zilk

Nur wenige Athleten haben sich derart ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben wie Jesse Owens: Der schwarze Amerikaner gewann bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin gleich vier Goldmedaillen – ausgerechnet dort, wo Adolf Hitler mit seiner Propagandamaschinerie der Welt die angebliche Überlegenheit der "arischen Rasse" demonstrieren wollte.

Wie muss sich Owens damals gefühlt haben? Ein schwarzer Amerikaner im Olympiastadion der Nazis?

Als talentierter Sportler kommt Owens, der bereits in den USA unter rassistischen Anfeindungen leiden musste, ins Olympiateam. Dort triumphiert er, holt bereits am zweiten Wettkampftag Gold und wird als Publikumsliebling bejubelt, wann immer er das Stadion betritt.

Eine Ohrfeige für die deutsche Führung und ihre Rassenideologie.

Jetzt, 80 Jahre danach, versucht ein Film seine beeindruckende Geschichte nachzuerzählen: Er kommt zwar allzu sehr in Hollywood-Manier daher, ist aber unbedingt sehenswert. Einige Fragen bleiben aber trotzdem offen: Warum rückt der Film Larry Snyder, den weißen Trainer von Jesse Owen, so sehr in den Mittelpunkt? Und warum wird Leni Riefenstahl, Hitlers Lieblingsregisseurin, als Anti-Rassistin und nicht (auch) als Teil der Nazipropaganda-Maschinerie gezeigt?

Wobei sie noch dazu mit der "Game of Thrones"-Schauspielerin Carice van Houten nicht nur prominent, sondern auch sympathisch besetzt ist.

Text: Gabriele Flossmann

INFO: CAN/D 2016. 134 Min. Von Stephen Hopkins. Mit Stephan James. Jason Sudeikis, Carice van Houten.

KURIER-Wertung:

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Stephan James als Jesse Owens bei den Olympischen Spielen von 1936

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