Fat White Family: Linke Spinner ohne Tabus

Lias Saoudi, Sänger der Fat White Family
Die Briten schreiben umstrittene Texte zu frechen Sounds.

Der Song "Goodbye Goebbels" aus dem zweiten Album der Fat White Family ist ein typisches Beispiel für den kontroversiellen Ansatz, den die britische Band in ihren Texten pflegt.

Darin stellt sich Sänger Lias Saoudi die letzten Stunden von Hitler im Bunker vor: "Der Song ist sein Liebeslied an Goebbels", erklärt er im KURIER-Gespräch. "Sie erinnern sich an die frühen Tage in München, wie sie hochgekommen sind – bis zu dem Punkt, wo ihnen jeder den Hals aufschlitzen will."

Schon mit dem ersten Album "Champagne Holocaust" schlug die Fat White Family in diese Kerbe, löste in der Heimat heiße Diskussionen darüber aus, wie in der Kunst mit den Verbrechen dieses Regimes umzugehen ist.

Legitim

"Es ist die alte Frage: Ist so etwas ein Glorifizieren, das das Problem noch verstärkt? Oder ist es eine gesunde Aufarbeitung von Tatsachen, die in jedem Geschichtsbuch stehen", sagt Saoudi. "In Bezug auf ,Goodbye Goebbels‘: Meiner Meinung nach muss etwas Derartiges in diesem Bunker vorgegangen sein. Denn das waren Menschen – wie wir. Sie zu entmenschlichen wäre genau derselbe Fehler, den sie begangen haben. Und generell finde ich, dass es in der Kunst legitim ist, alles zu sagen, was man will – sei es ironisch oder ernst. Wie man das sieht, kommt halt darauf an, welche Funktionsweisen man der Kunst zuschreibt und zugesteht. Ich jedenfalls will meine Songs so gestalten, wie es mir Spaß macht. Mir ist egal, ob man mich deshalb Faschist nennt."

Fat White Family: Linke Spinner ohne Tabus
Fat White Family
Unter geht in der Diskussion um die Texte auch bei dem neuen Album "Songs For Our Mothers" der frische Sound des Sextetts – ein lebhafter, respektloser Mix aus Elementen aller populären Genres, mal poppig, oft punkig, durchsetzt mit Elektronik, mit verspielten Experimenten und viel Psychedelic-Flair.

Ergeben hat sich das aus der Entstehungsgeschichte. "Wir waren die Stammband in einem Pub in Brixton in London, haben dort auch gewohnt, weil uns der Besitzer keine Miete verrechnet hat. Anfangs ging es nur darum, viel zu koksen und 12-taktigen-Blues zu spielen. Aber irgendwann haben wir uns entschlossen, interessantere Musik zu erforschen, haben uns ihre Versatzstücke geborgt, sie gestohlen und interpretiert."

Gegen die Übernahme des Pubs durch Investoren und die Gentrifizierung von Brixton hat die Fat White Family voriges Jahr einen Protest initiiert. Denn das Pub war der letzte Zufluchtsort für Künstler in dem früher an solchen Gemeinschaften reichen Stadtteil. Ein "für alle offener, linker Treffpunkt, wo Musiker und jede Art von Spinner und Sonderlingen willkommen waren und sich wohlfühlen konnten."

Aufsehen

Der Verdacht liegt nahe, dass sich die Fat White Family mit diesem Background nur deshalb mit kontroversiellen Themen beschäftigt, um Aufsehen zu erregen und bekannt zu werden. Doch Saoudi hält dagegen, dass sie das erste Album in einer Art "Pfeif drauf"-Reaktion aufgenommen haben: "Wir hatten vor dem Pub viele Jahre erfolglos in Indie-Bands gespielt – total angepasst, um endlich Erfolg zu haben. Weil das nichts gebracht hat, haben wir dann für ein Album das aufgenommen, was uns Spaß gemacht hat. Wir haben es ins Netz gestellt und sind nach Spanien gereist, weil wir dort als Straßenmusiker etwas verdienen konnten. Aber wir dachten nicht, dass das je jemand hören wird."

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