"Mein Linz ist überall"

Signiert seine Karikaturen mit "Hades": Gerhard Haderer
Das Karikaturmuseum Krems widmet dem Cartoonisten eine große Retrospektive.

Gerhard Haderer, geboren 1951 in Leonding, hatte mehrere Talente: "Ich war mir nicht sicher, ob ich Musik machen oder schreiben oder zeichnen sollte", sagt er. "Um Schlagzeug spielen zu können, muss man ja ständig üben, und das war nicht ganz meines. Ich dachte mir, ich mach’ lieber das, was mir am leichtesten fällt – und womit ich die Frauen am leichtesten beeindrucken konnte. Das war meine Zeichnerei."

In "aller angebrachten Unbescheidenheit" stellt er fest: "Ich konnte sehr attraktiv und beinahe fotorealistisch zeichnen. In einer Zeit, in der Photoshop noch nicht so entwickelt war wie heute, waren Leute wie ich gesucht. Ich hatte daher keine Probleme, schon als 25-Jähriger eine Menge Kohle zu verdienen." Als Werbegrafiker.

"Völlig unglücklich"

Doch 1984, nach einem höchst erfolgreichen Jahrzehnt, kam er in die Sinnkrise: "Ich war völlig unglücklich. In einer Konsequenz, die ich mir heute noch hoch anrechne, beschloss ich, die Branche zu verlassen, und vernichtete meine Arbeiten. Das war eine recht lustige Angelegenheit: Zusammen mit einigen Freunden haben wir ein kleines Feuer gemacht, das Glas auf diese und jene Agentur gehoben – und weg damit. Es gab danach keine Originale mehr, ich war frei und wild entschlossen, nur mehr das zu tun, wozu ich stehen kann. Und so entstanden ohne Auftrag erste satirische Zeichnungen. Ich dachte mir, die würde ich gerne in Zeitungen sehen."

Peter Michael Lingens, damals Chefredakteur des Magazins profil, sah das auch so: Er engagierte Haderer – und dieser lieferte ab 1985 ein Jahrzehnt lang Woche für Woche einen Cartoon.

1991 kam die deutsche Zeitschrift Stern hinzu. "Ich habe von vornherein klargestellt: Ich habe nicht vor, meine Position als Provinzzeichner aufzugeben", sagt Haderer. "Schlimmer als ein Typ, der hinter den Bergen sitzt und sich Weltthemen vorknöpft, kann es nicht sein, aber ich beharre darauf. Das heißt: Alle Models, die ich je zum Thema gemacht habe, sind vor der Haustüre in Linz zu finden. Und verwegen sage ich: Mein Linz ist überall. Denn mitunter werde ich in Norddeutschland gefragt: ,Warum zeichnen Sie ausgerechnet meinen Nachbarn?‘ Es gibt eben so etwas wie eine universelle Sicht auf gewisse Dinge."

Einen Rückblick auf das, was in den letzten 30 Jahren entstanden ist, liefert die Jahresausstellung im Karikaturmuseum Krems (bis 20. November) mit dem durchaus passenden Titel "Think Big!" zum 65. Geburtstag des Karikaturisten. Beim Rundgang stellt man fest, manche Politiker schon fast vergessen zu haben – darunter die ehemalige Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky, die Haderer als üppige Badenixe porträtierte. Und man ist erstaunt, wie früh er Zeichen der Zeit erkannte. Aus 2006 z. B. stammt der Cartoon "Einer ohne Handy": Alle anderen Gäste im vollen Restaurant telefonieren eifrig und ungeniert.

Dem Theater ist ein Schwerpunkt gewidmet. Im Zentrum stehen die grandiosen Puppen, die nach Haderers Vorlagen für das Maschek-Politkasperltheater im Rabenhof entstanden sind – von Erwin Pröll und Johanna Mikl-Leitner über Heinz Fischer und Michael Häupl bis zu Wladimir Putin und Benedikt XVI.. Am umfangreichsten geriet das Kapitel "Im Vatikan" – auch deshalb, weil der komplette Zyklus "Das Leben des Jesus" präsentiert wird. Dieses Buch, 2002 erschienen, sorgte für Debatten, weil Jesus einen Joint raucht. Als "katholisch sozialisierter Österreicher" sei es für ihn, sagt Haderer, eine Selbstverständlichkeit, sich mit Religion auseinanderzusetzen: "Ich mag den Jesus, diesen sympathischen Burschen. Was ich nicht mag, ist dieser seltsame Verein, der sich auf ihn beruft und sich katholische Kirche nennt."

"Zu wenige Bilder"

2005 erschien "Das Leben des Jesus" auch in Griechenland – und kam dort gar nicht gut an: Haderer wurde wegen Beschimpfung einer Religionsgemeinschaft zu sechs Monaten Haft verurteilt. Die zweite Instanz hob den Spruch auf.

Was darf sich ein Karikaturist erlauben? Prinzipiell gebe es keine Grenzen, sagt Haderer, er habe aber seine persönlichen: "Ich würde Mohammed schon deswegen nicht zeichnen, weil ich nicht weiß, wie er ausschaut. Es gibt zu wenige Bilder von ihm." Das heiße nicht, dass er zu feige sei: "Aber ich kann mich nur zu Themen äußern, die ich auch verstanden habe. Den Katholizismus kenne ich mittlerweile seit 60 Jahren. Um mich zu den anderen Religionen äußern zu können, müsste ich mir erst viel Wissen aneignen."

Haderer brachte auch ein Buch über Jörg Haider heraus – im Jahr 2000. Der Rechtspopulist sei strahlend mit "Jörgi, der Drachentöter" herumgelaufen: "Er hat das Buch als großes Kompliment empfunden. Das war natürlich eine sehr infame, aber zielführende Strategie. Chapeau! Da dachte ich mir: Wenn sich eine Politikerfigur mit den kritischen Äußerungen über sie schmückt, dann gibt es eben keine Zeichnungen mehr über sie. Und ich habe ihn nicht mehr gezeichnet."

In der Kremser Schau entdeckt man, dass Haderer den Stil kaum verändert hat. Seine Arbeitsweise erklärt er folgendermaßen: "Ich gehe von einer schnellen Skizze, die so viel Speed haben muss, um farbig ausgeführt zu werden, gleich aufs Tableau, einen sehr starken Zeichenkarton, auf den ich mit ganz feinen Acryltuschen lasierend Schicht auf Schicht auftrage. So kann ich das Zeichnerische, also die Linie, auch in der Malerei einsetzen – und detailreiche Abbildungen herstellen."

"Hineinstolpern"

Was er mit den Cartoons erreichen möchte? "Dass Hochglanzmagazinleser in meine Zeichnungen hineinstolpern – und sich in Welten wieder finden, die sie bewusst gar nicht betreten würden."

Neben Skizzen sind natürlich auch die SchwarzWeiß-Zeichnungen für Moff, Haderers feines Schundheft, ausgestellt. Und als Gegensatz dazu gibt es etliche großformatige Ölgemälde, die in den letzten Jahren – nach Vorbildern alter Meister – entstanden sind. Haderer betreibt großen Aufwand. Aber ganz ehrlich: Diese Opulenz braucht es gar nicht.

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