Zukunftsangst auf dem Straßenstrich

Sexarbeiterinnen und Lokalbetreiber sind verunsichert. Niemand weiß, wie es nach Inkrafttreten der Novelle weitergeht.

Romana ist erst 27 Jahre alt, aber schon eine kleine Ewigkeit im Geschäft. Seit acht Jahren geht sie dem horizontalen Gewerbe nach. "Für viele ist das unvorstellbar. Für mich ist es eine angenehme Arbeit." Sie braucht weder einen Freier, der sie rettet, noch die hohe Politik mit ihrem neuen Prostitutionsgesetz. "Ich möchte selbstständig sein", sagt sie. Zwei bis drei Mal wöchentlich, je nach Geschäftsgang, buhlt sie entlang der Linzer Straße um Kundschaft.

Am 1. November, mit Inkrafttreten des neuen Wiener Prostitutionsgesetzes, wird sie ihren angestammten Arbeitsplatz verlieren. Wie berichtet, ist Prostitution ab Dienstag im Wohngebiet verboten. Um die rund 150 bis 200 Prostituierten am Strich nicht gänzlich auf der Straße stehen zu lassen, wurden Gebiete empfohlen (ein Teil des Auhofs sowie einer beim Messegelände) und Ausnahmen vorgeschlagen. Genau diese Ausnahmen stoßen vielerorts auf massive Kritik. Konkret geht es um zwei Gürtelabschnitte (im 7. und 15. Bezirk) und einen Teil des Josef-Holaubek-Platzes (nahe der WU).

Auf der Sexmeile herrscht aus einem guten Grund Verunsicherung: Denn die Exekutive kündigt an, bereits ab 1. November "das Gesetz samt der vorgesehen Strafen zu exekutieren", erklärt Johann Golob von der Wiener Polizei. Die Krux dabei: Bis die per Verordnung beschlossenen "Erlaubniszonen" - es müssen auch die Bezirksvertretungen angehört werden - gültig sind, können gut zwei Monate vergehen.

"Wo soll ich in Zukunft meinen Job machen? Natürlich habe ich Existenzängste", sagt Romana. Die Lokale entlang des Gürtels würden ihr "die Unabhängigkeit nehmen", glaubt sie. Das befürchtet auch Christian Knappik, Sprecher des Internetforums für Sexarbeiterinnen www.sexworker.at : "Die Club-Struktur am Gürtel ist eine ganz andere." Anstatt der überschaubaren Etablissements mit ihren 10-€-Zimmern entlang der einschlägigen Straßen gebe es dort große Bordelle. "Das heißt Konsumzwang, teure Zimmer, mehr Ausbeutung", glaubt Knappik. Die empfohlenen Gebiete sind für Knappik "ein blanker Hohn. Ich prophezeie ein Scheitern."

Graubereich

Es sei eine Frage der Zeit, bis sich in den Erlaubniszonen "wer aufregt", glaubt Romana. Sie weiß sich zu helfen. Sie will künftig "einfach in Zivil unterwegs sein". Macht dieser Trend Schule, dann wäre das ein "Rückschritt", sagt Knappik, denn "die Grauzone stärkt immer die Ausbeuter". Wer sich auch zu helfen weiß, ist Frau Liane. Sie betreibt das Studio 97a in der Linzer Straße. Das Geschäftsmodell ist einfach: Freier legen 10 Euro für eines ihrer zwei Zimmer hin. Fünf Sexarbeiterinnen nutzen ihr Lokal - noch bis 1. November. Wie geht es dann weiter? "Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht", sagt Frau Liane. Sie verstehe genervte Anrainer entlang der Felberstraße: "Mich würde der Lärm auch stören", sagt sie. "Aber ich habe keine Probleme mit meinen Nachbarn." Die Geschäftsfrau will vor Gericht ziehen: "Einen Rechtsanwalt habe ich bereits. Wenn am Gürtel Erlaubniszonen eingerichtet werden, warum dann nicht bei mir?"

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