Wirt im Wohnzimmer: Ein Uber-Fall

Im fremden Wohnzimmer speisen oder die Mahlzeit nur abholen: Gäste kommen über Shareyourmeal.net zu Essen von Hobbyköchen. Auflagen gibt es für diese Köche (noch) keine.
Nach privaten Hotels und Taxlern kommen "Home Restaurants". Die Gastronomie will Auflagen.

Der Geruch des Hühnerwoks zieht durchs Wohnzimmer, der Esstisch ist gedeckt, der Wein eingekühlt. Einzig die Gäste fehlen noch. Bis jetzt kennt Markus H. von ihnen lediglich Namen und ein paar Eckdaten.

Denn Markus H. ist an diesem Abend Wirt im eigenen Wohnzimmer. Für 35 Euro bietet er Fremden ein Abendessen inklusive Getränke.

Wirt im Wohnzimmer: Ein Uber-Fall
cookening
Der Trend zu Privatanbietern wie Airbnb in der Hotellerie und Uber im Transportwesen setzt sich auch in anderen Sparten fort. Auf Plattformen wie Shareyourmeal.net (mit Sitz in Holland), EatWith.com (gegründet in Tel Aviv) oder Cookening.com (von Franzosen ins Leben gerufen) können Hobbyköche weltweit ihre Dienste im eigenen Heim anbieten.

In Österreich steckt diese Entwicklung noch in den Kinderschuhen. Derzeit gibt es in Wien eine Handvoll Kochfreudige, die sich auf diesen Plattformen registriert haben. In den USA sind "Home Cooks" jedoch bereits weit verbreitet. Die Cookapp hat alleine in New York mehr als 6500 registrierte Nutzer, Mealsharing.com ist in mehr als 450 Ländern aktiv.

Individuelles Erlebnis

Besonders oft wird das Angebot auf Reisen genutzt. In einer Zeit, in der wegen Globalisierung und großer Ketten in so gut wie jedem Land dieselben Marken, dieselben Hotelzimmer und dieselben Speisen zu finden sind, suchen viele nach authentischen Angeboten von Einheimischen.

Dieses Verlangen nutzt die Restaurant-Plattformen ebenso wie Airbnb. ",Home Restaurants‘ werden die Art zu reisen und Bekanntschaften zu schließen drastisch verändern", steht im Pressetext von EatWith. Reisende bekämen dadurch einen ganz anderen Zugang zur (Ess-)Kultur des jeweiligen Landes. Auch alle Gäste, die Markus H. bewirtete, waren Touristen.

Legale Grauzone

Wirt im Wohnzimmer: Ein Uber-Fall
Peter Dobcak, Eigentümer des Studentenlokals "La Boule" und neuer Obmann der Gastronomen in der Wiener Wirtschaftskammer, im Interview. Wien, am 26.03.2015.
Die Gastronomie verfolgt das Aufkommen der "Home Cooks" mit Sorge. "Es kann nicht sein, dass Gastronomen sich um Fluchtwege, Allergenkennzeichnung in Speisekarten und ein Personal-WC kümmern müssen, während andere Geld für ein Essen einstecken, ohne eine Genehmigung zu haben", sagt Peter Dobcak, Obmann der Sparte Gastronomie der Wiener Wirtschaftskammer. "Wenn ein Privater in seiner Wohnung kocht, wird die Wohnung zum Restaurant und er muss sich an dieselben Regeln halten wie wir Gastronomen."

Anne van Arkel von Shareyourmeal.net: "Es geht um den sozialen Kontakt. Der Preis decke nur die Kosten für die Zutaten. Die Köche verdienen dabei nichts. Deshalb gelten die Regeln der Gastronomie nicht."

Koch Markus H. findet die Reaktion der Gastronomen lächerlich. "Es ist schade, dass einer neuen Idee gleich Steine in den Weg gelegt werden sollen. Soll ich für drei Mal kochen im Jahr ein Gastgewerbe anmelden?"

Gesprächsgipfel

Doch was passiert, wenn im Essen ein schlechter Pilz war oder ein Teller zu Bruch geht? Die Plattformen entziehen sich bei Schäden der Verantwortung. "Es braucht Maßnahmen", fordert Dobcak. Darauf drängt auch Wiener Hotellerie-Obfrau Andrea Steinleitner seit längerem.

Um den Umgang mit der boomenden sogenannten Sharing Economy zu diskutieren, wird es am 2. November einen Gesprächsgipfel von Vertretern der Stadt, der Hotellerie, der Taxler und der Gastronomie geben.

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