Wildtiere setzen Wiener Landwirten zu

Rehe ziehen Leopold Klagers Weinstöcke zum Teil in Mitleidenschaft. Um ihnen den Appetit zu verderben, greift er zu kreativen Methoden.
Rehe und Ziesel verursachen Schäden auf Anbauflächen. Für einen Teil der Ertragsverluste gibt es keine Entschädigung.

„Wir arbeiten in und mit der Natur“, sagt Leopold Klager. Deshalb liegt es dem Obmann des Stammersdorfer Weinbauvereins fern, Wildtiere als Feinde zu betrachten. Viel Freude haben die Landwirte in Döbling und am Bisamberg aber auch nicht mit Wildschwein, Reh und Ziesel. Denn die richten zum Teil massive Schäden in Weingärten und auf Feldern an. Schadenersatz gibt es aber nur in den seltensten Fällen.

Bezahlen müsste ihn der für das jeweilige Gebiet zuständige Jäger. Doch viele Winzer melden Wildschäden gar nicht erst. Der bürokratische Aufwand stehe oft in keinem Verhältnis zur Höhe der gesetzlichen Entschädigung, erklärt Klager. Diese unterschreite den tatsächlichen Schaden bei Weitem, beklagt Christian Reindl von der Landwirtschaftskammer.

Statt der 20 bis 30 Cent pro Kilo, die die geschädigten Weinbauern je nach Lage und Traubenqualität bekommen, würde man bei der Branchenvertretung fünf Euro als „adäquat“ empfinden. Dafür wäre jedoch eine Änderung des Wiener Jagdgesetzes nötig, sagt Reindl.

Originelle Selbstverteidigung

Die Landwirte greifen deshalb zur Selbsthilfe – mitunter mit unkonventionellen Methoden. Leopold Klager, zum Beispiel, versucht die Rehe, die seinen Gemischten Satz auf dem Bisamberg zum Fressen gern haben, mit Menschenhaar zu verscheuchen. In kleinen Beuteln hängt er Haare, die er von einer befreundeten Frisörin erhält, in den Weingarten. Das fänden Rehe unappetitlich.

Davon abgesehen, lädt er die Tiere sozusagen zum Essen ein, indem er die untersten Triebe der Rebstöcke für die Rehe stehen lässt – „damit sie die oberen Triebe, die für den Ertrag wichtig sind, in Ruhe lassen“. Das funktioniert zumindest zum Teil.

Wo kein anderes Mittel mehr hilft, stellen die Landwirte Elektrozäune auf, um Wildschweine und Rehe auf Distanz zu halten. Zudem vertraut Klager auf die Bemühungen der Jägerschaft, die Wildschäden gering zu halten.

Verwilderte Grundstücke mitten im Weinbaugebiet erschweren allerdings die Situation – weil sie dem Wild als ideales Versteck dienen. „Da müsste die Stadt Druck auf die Besitzer ausüben, damit sie die Flächen pflegen“, meint Klager. Bis Redaktionsschluss war dazu aus dem Rathaus keine Stellungnahme zu bekommen.

Ziesel frisst ungestört

Bei einem kleinen Bewohner des Bisambergs helfen allerdings weder Zäune, noch Jäger. In Weingärten und auf Getreidefeldern fressen Ziesel die jungen Triebe. Weil die streng geschützten Nager nicht gejagt werden dürfen, gibt es für Schäden, die sie verursachen, auch keine Entschädigungen.

Wildtiere setzen Wiener Landwirten zu
Stammersdorfer Winzer klagen über Schäden an Weinreben durch Wildschweine, Wien am 29.05.2015.
Einer Leidtragender ist BiobauerAmbros Steindl, der bei manchen Maisfeldern bis zu 50 Prozent Ertragsverlust hinnehmen muss. Um den Appetit der Ziesel zu zügeln, hat er sogar versucht, sie zu füttern. Bis dato vergeblich.

Jagdleiter Georg Andrä sieht da Stadt und Landwirtschaftskammer gefordert. Dort müsse man sich finanzielle Unterstützungen für die Bauern überlegen, meint er.

Bäume voller Gespinste, abgefressener Blätter und Knäuel von Raupen, die sich am Blattwerk gütlich tun. Wie in den vergangenen Jahren sorgen die Larven des Frostspanners für Schäden – besonders stark betroffen ist der Wienerwald.

Wildtiere setzen Wiener Landwirten zu
Raupen des Frostspanners im Wienerwald
„Der Frostspanner ist heuer noch sehr häufig“, erklärt Gernot Hoch vom Institut für Waldschutz. Die Raupen des Falters befallen vor allem Eiche, Buche und Obstbäume. In Deutschland wurde großflächig gegen die Raupen gesprüht. Maßnahmen, die in Österreich nicht notwendig sind: „Die Frostspanner verpuppen sich jetzt. Die größte Belastung ist damit überstanden. Wenn die Bäume nicht jedes Jahr abgefressen werden, erholen sie sich wieder gut“, erklärt Hoch.

Nach Ausfällen im Vorjahr kamen die Obstbauern heuer mit einem blauen Auge davon. „Es gab vereinzelt Fälle von Befall, erklärt Martin Sedelmaier vom nö. Landesobstbauverband. In den kommenden Jahren sollte die Zahl der Raupen wieder abnehmen. Das Auftreten verläuft zyklisch. „Zieht die Zahl der Fressfeinde nach, sinkt jene der Spanner“, sagt Hoch.

Buchsbaumzünsler

Kaum Fressfeinde hat der aus Asien eingeschleppte Buchsbaumzünsler, dessen Appetit zum Absterben der Pflanzen führen kann. In Bad Vöslau südlich von Wien war der Befall zuletzt so groß, dass Pflanzen im Gemeindeeigentum umgeschnitten werden mussten. Die Bürger wurden darauf hingewiesen, keinen neuen Buchs zu pflanzen. „Wir können aber niemandem vorschreiben, was er pflanzt“, sagt Bürgermeister Christoph Prinz.

Zur Herausforderung für die Forstwirte könnte heuer der Kampf gegen den Borkenkäfer werden. Grund: Der Eisbruch vom vergangenen Dezember, dem vor allem im Waldviertel und im südlichen Niederösterreich Tausende Bäume zum Opfer fielen. „Das tote Holz, das noch nicht aufgearbeitet wurde, bietet ideale Bedingungen für den Borkenkäfer“, erklärt Gernot Hoch.

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