Wien hat ein Stückerl vom Mond

Das Naturhistorische Museum hat nun einen besonderen, 84 Gramm schweren Stein

Wenn ich hier in den Wundern des Unbekannten am Mount Hadley stehe, wird mir klar, dass es für das Wesen des Menschen eine Grundwahrheit gibt: Der Mensch muss erforschen!“

David Scott, Kommandant der Apollo-15-Mission

Wir schreiben Sommer 1971: Apollo 15, die bemannte US-Mondmission, hat ihr Ziel erreicht. Zahlreiche Aufgaben warten auf die drei Astronauten, die für unsere Geschichte aber allesamt unwichtig sind. Einzig ein Ausflug in die Hadley-Rille – eine 1 km breite und 300 m tiefe Schlucht im Apenninen-Gebirge des Mondes – soll an dieser Stelle als relevant erwähnt sein. Denn dort sammelten die Astronauten insgesamt 76,8 kg Mondgestein ein, darunter ist auch „Great Scott“, der nach seinem Entdecker – David Scott – benannt wurde.

Wir schreiben Sommer 2013: Charles Bolden, Chef der NASA und Ex-Astronaut (siehe Interview unten), betritt das Naturhistorische Museum (NHM) in Wien. Seine Mission? Die feierliche Übergabe eines Stückerls von „Great Scott“. Ab morgen wird der Mondstein als langfristige Leihgabe den neu gestaltete Meteoritensaal des Wiener Museums komplettieren. Genauso wie zwei weitere Proben, die Apollo 17 mitgebracht hat.

Kaum 400 kg Mond

„Wir sind begeistert, dass wir ein echtes Stück Mondgestein von der NASA bekommen“, sagt Christian Köberl, Direktor des NHM und selbst Spezialist für außerirdische Gesteine. Die Freude ist verständlich: Steine vom Mond sind die mit Abstand teuersten und wertvollsten. Kunststück: Einerseits sind die außerirdischen Bröckerln überaus rar, andererseits hat die NASA Milliarden Dollar investiert, sie herunterzuholen. Daher gibt es auch nur ganz wenige Museen weltweit, die Mondgestein besitzen und ausstellten.

Exakt 381,7 kg wurden in sechs Apollo-Missionen auf die Erde geschafft. Bis 1972 sammelten zwölf Astronauten fast 2200 verschiedene Mondproben ein, die heute im Johnson Space Center in Houston/Texas aufbewahrt werden. Jährlich werden vom „Lunar sample laboratory“ etwa 400 Mondproben an Forscher verteilt.

Wien hat ein Stückerl vom Mond

Seit mehr als einem Jahr hat sich Köberl, der gute Kontakte zur NASA pflegt und ein Mal im Jahr in Houston ist, um den 84 Gramm schweren Stein bemüht. „Unser Museum hat sich qualifiziert, weil wir eines der größten und besten naturwissenschaftlichen Häuser der Welt sind und sehr viel Besucher haben“.

„Great Scott“ war einst ein kindskopfgroßes Stück und wurde für wissenschaftliche Untersuchungen und die Herstellung von Schaustücken zersägt. Bruchstück 15555, das dem NHM Wien nun überlassen wird, ist eingehüllt in Stickstoff und steckt in einer Glashülle.

Mondsteine erzählen

„Ein weiteres Teilstück ging übrigens an das Smithsonian-Institut in Washington“, erzählt Köberl. Und findet den Mondbasalt „sehr interessant – vulkanisches Gestein, das bei Eruptionen entstanden ist, 3,3 Milliarden Jahre alt“. Man könne aus Mondgestein sehr viel über die Entstehung und Entwicklung des Mondes ableiten – „lauter Dinge, die man vorher nicht gewusst hat.“ Erst durch die wissenschaftliche Untersuchung dieser einzigartigen extraterrestrischen Objekte sei es gelungen, seinen inneren Aufbau zu verstehen. So sind fast alle Mondgesteine älter als die ältesten Gesteine auf der Erde.

Dennoch: „Mehr als 2/3 des Mondgesteins sind noch nicht wissenschaftlich untersucht worden“, sagt Köberl. Die NASA sei sehr vorsichtig mit der Herausgabe des Materials und warte mitunter auf bessere Analyse-Methoden in der Zukunft. Kein Wunder: Ob und wann es Nachschub gäbe, stehe in den Sternen, meint Geologe Köberl. Unbemannte Missionen seien beim Steine-Suchen einfach nicht so effizient. So brachten drei unbemannte russische Luna-Missionen gerade einmal 0,3 kg Mondstein mit. Köberl: „Die menschliche Komponente ist bei dieser Art von Forschung einfach wahnsinnig wichtig.“

Wien hat ein Stückerl vom Mond
84 g davon werden ab Mittwoch im Naturhistorischen Museum präsentiert.

Der Chef der NASA, Charles F. Bolden jr., ist derzeit Gast in Wien, um bei einem Treffen des UN-Komitees für die friedvolle Nutzung des Weltraums um internationale Beteiligung an einem NASA-Asteroiden-Projekt zu werben. Am Dienstag Nachmittag hat der Ex-Astronaut dem NHM drei Proben von Mondgesteinen übergeben.

KURIER: Warum überlässt die NASA kostbare Mondsteine einem Museum in Wien?

Charles Bolden: Seit die Mond-Missionen abgeschlossen wurden, suchen wir nach Orten überall auf der Welt, die ein Stück der Geschichte bekommen sollten, die Interesse haben, auszustellen, zu erforschen. Jenes Stück vom Mond, das heute das ihre wird, stammt von der Apollo-15-Mission, der ersten, bei der ein Rover verwendet wurde. Es war der Beginn der echten Forschungsarbeit im Rahmen des Apollo-Programms.

Mondgestein ist sehr selten ...

... wie alles von einem anderen Himmelskörper. Trotzdem haben wir mehr als die Hälfte des Materials, das wir heruntergebracht haben, zur Verfügung gestellt, damit Menschen es weltweit erforschen können. Aber wir geben nicht alles her. Die Zeit, da wir nichts mehr auf Lager haben, wird gewiss nie kommen.

Denken Sie daran, sich irgendwann Nachschub zu holen?

Sie meinen, ob es wieder Mond-Flüge geben wird? Tatsache ist, dass wir mit einigen privaten Firmen zusammenarbeiten, die sich für Weltraumtourismus oder Rohstoffe im All interessieren – es gibt ja viele gute Gründe, zum Mond fliegen zu wollen. Die NASA selbst beschäftigt sich derzeit aber mehr mit Asteroiden. Sie könnten nämlich als Zwischenstopp auf dem Weg zu unserem ultimativen Ziel, dem Mars, dienen. Wir haben eindeutig ein Auge auf den Mars geworfen. Bis 2025 wollen wir Astronauten zu einem Asteroiden senden, bis 2030 zum Mars.

Und wird es funktionieren?

Wir würden nicht daran arbeiten, wenn wir nicht daran glauben würden.

Noch gibt es vieles, was Flüge zum Mars verhindert. Was tun Sie gegen diese Probleme?

Ach, ich würde das nicht Probleme nennen, wir stehen einfach vor einer Reihe technischer Herausforderungen. Wir haben schon vor einigen Jahrzehnten einen Zeitplan aufgestellt, nach dem wir vorgehen. Wir Menschen wollen ja schon seit so laaaaaanger Zeit zum Mars, da gab es noch gar keine Raumfahrt. All die Vorbereitungsarbeiten haben uns gezeigt, was wir nicht wissen, welche technischen Möglichkeiten uns fehlen und was wir unbedingt brauchen, damit unsere geplante Reise zum Mars hoffentlich erfolgreich verläuft.

Lesen Sie im KURIER am Sonntag:Das große Interview mit dem NASA-Chef, wie er die technischen Herausforderung eines jahrelangen Weltraumflugs meistern will, wer die Mars-Crew sein könnte und ob er selbst an Außerirdische glaubt.

Wien hat ein Stückerl vom Mond
Ihr nächstes Ziel, Mr. Bolden? Erst ein Asteroid, dann der Mars.

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