Wiener Blut im Hybrid-Boliden

14 Lieder, 75 Minuten quer durch die Innenstadt: Hannes Zwingl bringt seinen Fahrgästen die Stadt musikalisch näher. Die Reise führt querbeet durch viele Genres.
Hannes Zwingl, ausgebildeter Opernsänger, fährt Taxi – und seine Fahrgäste schunkeln mit.

Der Sing-Hannes hat für jede Lebenslage das passende Lied. "Privat höre ich alles quer durch. Nur keinen Techno", erzählt der 57-jährige gelernte Tenor. Lange hat er in Chören gesungen. Von den Wienerwald-Sängerknaben über den Schönberg-Chor bis zum Staatsopern-Chor. Doch seit drei Jahren fährt der Musiker aus Wiener Neudorf Taxi. "Weil ich Geld gebraucht habe", erklärt der Lebenskünstler. Seit Kurzem verbindet er den Gesang mit dem Autofahren. Hannes Zwingl fährt Wiens erstes "Singtaxi".

Wiener Blut im Hybrid-Boliden
Taxifahrer Hannes Zwingl, Wien am 11.06.2015.
Giuseppe Verdis "La donna e mobile" – ein donnernder Auftakt für die Wien-Tour des Sing-Hannes. Touristen aus der halben Welt haben so schon einen Eindruck von Wien bekommen. Seine Lieder hat Zwingl auf die Stationen abgestimmt. Abfahrt ist bei der Staatsoper. Beim Mozartdenkmal gibt’s originellerweise Mozarts "Un aura amorosa", beim Rathaus "Wien, Wien, nur du allein ". Beim Stephansplatz stimmt Zwingl ein "Ave Maria " an. "Mein Lieblingslied", erklärt er, hält sich die Hand ans Herz und singt sich in die Höhen des Liedes.

Im Bermudadreieck schnippst er zu "Rock Around The Clock" mit den Fingern mit. Nach zwei Liedern nimmt er einen kräftigen Schluck aus seiner Thermoskanne. "Um die Stimme zu schmieren", erklärt er.

Wurlitzer

14 Nummern sind es insgesamt, die zur 75-Minuten-Tour gehören – zum Abschluss John Lennons "Imagine". Kosten: 100 Euro. Und zwischen den Liedern macht Zwingl den normalen Fremdenführer, indem er über die Geschichte der Stadt erzählt. In seinem Taxi darf ausdrücklich mitgewippt werden. Und auch auf Liederwünsche geht der Sänger ein. "Ich bin wie ein Wurlitzer", lacht er. "Aufs Singen kann man süchtig werden." Der häufigste Wunsch der Fahrgäste ist übrigens "Rock Around The Clock."

Obwohl: Anfangs war er vom Singen wenig angetan. Als er als Kind zu den Wienerwald-Sängerknaben kam, war die Begeisterung enden wollend. "Die Klassik, die war nicht so meines." Viel besser fand er die Schlager, die auf dem Eislaufplatz gespielt wurden. Zumindest brachte ihn die Ausbildung in die weite Welt – etwa zu Imelda Marcos auf die Philippinen.

Wiener Blut im Hybrid-Boliden
ABD0010_20141218 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA0033 VOM 18.12.2014 - Die Ringstraße vor der Wiener Staatsoper aufgenommen am Montag, 11. Februar 2008. Die Wiener Ringstraße wurde am 1. Mai 1865 durch Kaiser Franz Joseph feierlich eröffnet. - FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Mit dem Stimmbruch war die Gesangskarriere aber abrupt auf Eis gelegt. Er wechselte auf die HTL, begann das Studium der Kultur- und Wassertechnik. "Aber damit bin ich auch nicht glücklich geworden." Er rutschte wieder ins Klassische und studierte vier Jahre lang Gesang. Für die große Bühnenkarriere reichte es aber nicht. "Dafür hat mir der Biss gefehlt."

Doch er habe gelernt: Als singender Mensch ist er ein Instrument. Und die Kreativität ist das, was das Leben ausmacht. Dass er die Singerei ins Taxi brachte, hat mit einer Jung-Damen-Gruppe zu tun, die er eines Tages chauffierte. "Mein Radio war kaputt. Also habe ich Beatles-Nummern vom Handy abgespielt. Ich habe mitgesungen – und den jungen Mädels hat es gefallen."

Ewig will er nicht Taxifahrer bleiben, erklärt der Sing-Hannes. "Jeder sollte ein Jahr lang Taxi fahren. Das ist eine wertvolle Zeit. Aber Taxifahren ist keine dauerhafte Beschäftigung für einen erwachsenen Menschen." Mit zwei Freunden hat er deshalb ein John-Lennon-Programm gebastelt, mit dem er durch Schulen, Pensionistenheime und Hotels tingeln will. Und auch einen Plan C hat er: Ernährungsberatung. "Ich bin seit 25 Jahren Vegetarier."

Bis dahin fährt er mit dem Singtaxi durch die Stadt. singtaxi.at

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