Tod eines Anwalts als Nagelprobe

Tod eines Anwalts als Nagelprobe
Die drei Kandidaten müssen zeigen, welche Lehren sie aus Veruntreuungsfall ziehen.

2872 Wiener Rechtsanwälte und 1261 Konzipienten können am 29. April ihren neuen Präsidenten wählen. Nach dem Rückzug von Michael Auer stellen sich diesmal drei Kandidaten: Wirtschaftsadvokat Stefan Prochaska, einer der Vizepräsidenten, kämpft für die jungen Anwälte. Michael Enzinger, Uniprofessor für Unternehmensrecht, fordert mehr Kontrolle. Und Thomas Singer, Gemeinderat in Gars am Kamp, will für seine Zunft Respekt zurückgewinnen.

Am bekanntesten ist Prochaska. Als einer der Aliyev-Verteidiger stellte er U-Haft für seinen Berufskollegen Gabriel Lansky (wegen Spionageverdachts, Anm.) in den Raum. Lansky erwirkte mit einer einstweiligen Verfügung, dass ihm das Prochaska nicht mehr vorwerfen darf.

Porsche-Sammlung

Alle drei Kandidaten werden auch daran gemessen, welche Lehren sie aus Fällen wie jenem des Versicherungsanwalts Michael Mathes ziehen. Der Maserati-Fahrer, Porsche-Sammler und Yacht-Besitzer hat sich im Oktober 2014 in seiner Innenstadt-Kanzlei erschossen und rund zwölf Millionen Euro Schulden hinterlassen. Unter anderem bei zwei Standeskollegen, mit denen er ein Immobiliengeschäft abgewickelt hatte. Dabei soll der 54-Jährige treuhändisch übernommenes Geld abgezweigt haben. Sie erschienen in der Kanzlei, drohten mit der Polizei, gaben Mathes Zeit zum Nachdenken. Als sie später wiederkamen, war er tot.

Die beiden geschädigten Anwälte hätten selbst am Besten wissen müssen, dass anvertrautes Geld mit dem elektronischen Treuhandbuch der Anwaltskammer abgesichert werden sollte. Es sorgt dafür, dass die Beträge – zum Beispiel für einen Liegenschaftsankauf – erst nach Freigabe nur auf das vereinbarte Konto überwiesen und nicht abgezweigt werden können. Die von Mathes übernommenen Millionen wurden nicht auf dem Treuhandbuch erfasst. Klienten, die solche Geschäfte lieber verdeckt abwickeln, können quasi auf Revers auf diese mit einer Versicherung gekoppelte Kontrolle verzichten.

In der Kammer gibt es Bestrebungen, das Treuhandbuch ohne Möglichkeit des Verzichtes verpflichtend einzuführen und die Berufsüberwachung der Mitglieder effizienter zu gestalten. Immer mehr Anwälte können sich wegen der schwachen Wirtschaftslage oder – wie Michael Mathes – wegen riskanter Geschäfte die Kanzleimiete nicht mehr leisten und geraten in Rückstand.

Oft sind Exekutionen die Folge, von denen die Kammer aber nur erfährt, wenn der Geschädigte Meldung macht. Im Fall Mathes unterblieb das. Um der Standesvertretung von sich aus Einblick ins Exekutionsregister zu ermöglichen, wäre eine Gesetzesänderung nötig.

Im Fall Mathes hinkte die Kammer hinterher. Die von ihm bei einer Überprüfung präsentierten Unterlagen waren angeblich unbedenklich, aber er dürfte nicht alles hergezeigt haben. "Wir sind keine Polizei", sagt Vizepräsidentin Elisabeth Rech, in der Kammer für die Berufsüberwachung zuständig.

Dass die "Kontrollorin" nicht selbst für das Präsidentenamt kandidiert, erklärt sie mit dem grenzüberschreitenden Engagement ihrer Wiener Kanzlei: Rech ist in Riga als Anwältin zugelassen und vertritt auch Mandanten in Paris.

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