Studentin erstickte: Brandstiftung ist Mordfall

Die Feuerwehr rückte mit 70 Mann an
Schöffensenat fühlt sich für Mietnomaden, der seine Wohnung in Brand gesteckt haben soll, nicht zuständig.

Im Wiener Straflandesgericht ist am Donnerstag der Prozess gegen einen 45-jährigen Mann eröffnet worden, der am 16. April 2014 seine Wohnung in der Innenstadt in die Luft gejagt haben soll. Laut Anklage verschüttete er in seiner Bleibe einen 15 Liter fassenden Kanister mit Benzin und legte Feuer. Die folgende Explosion kostete eine Nachbarin das Leben, die 23-jährige Frau erstickte. Am Nachmittag fällte der Schöffensenat ein Unzuständigkeitsurteil - der Angeklagte muss wegen Mordes vor Geschworene.

„Man begegnet selten, aber doch Straftaten, die so monströs und so vollkommen unverständlich sind, dass man letztlich davor steht und sich eingestehen muss, dass sich darin das Böse manifestiert“, sagte Staatsanwalt Lepold Bien in seinem Eröffnungsvortrag. Bien beschrieb den Angeklagten als einen Unternehmensberater, „der seine finanziellen Verhältnisse nicht im Griff gehabt hat“.

Der 45-Jährige verdiente eigenen Angaben zufolge jährlich zwischen 40.000 und 150.000 Euro im Jahr, lebte laut Staatsanwalt aber „in einem erheblichen Widerspruch zwischen Selbstdarstellung und realen Gegebenheiten“. Der Mann legte Wert darauf, in geräumigen, repräsentativen Wohnungen in der Innenstadt zu residieren. 2012 mietete er eine 140-Quadratmeter-Bleibe in der Habsburggasse an und wurde im Oktober 2013 delogiert, weil er die Miete nicht bezahlte.

Der Angeklagte übersiedelte in die Marc-Aurel-Straße, wo er in einem siebenstöckigen Eckhaus am Hohen Markt eine 130-Quadratmeter-Wohnung in der dritten Etage bezog. Den monatlichen Mietzins von 1650 Euro beglich er ein einziges Mal. Die Vermieterin betrieb daher auf gerichtlichem Weg die Kündigung, die bewilligt wurde. Am 16. April sollte der verschuldete Mann - er stand mit insgesamt 40.000 Euro in der Kreide - um 7 Uhr delogiert werden. „Er hat sich durch die Delogierung ungerecht behandelt erachtet. Er hat sich daher entschlossen, dass er die Delogierung nicht zulässt und die Wohnung vernichtet“, führte der Staatsanwalt aus.

"Wie eine Bombe"

Nachdem er die Nacht bei seiner Mutter verbracht hatte, soll er einige Stunden vor dem Delogierungstermin in seine Wohnung gegangen sein und dort 15 Liter Benzin verschüttet haben. Auch im Kellerabteil goss er laut Anklage weitere fünf Liter aus. Danach soll er dafür gesorgt haben, dass sich in seiner Wohnung das Benzin-Luft-Gemisch entzündete. Die Folgen beschrieb der Anklagevertreter als eine „Detonation, die in ihren Auswirkungen einer Bombendetonation gleichgekommen ist“.

Studentin erstickte: Brandstiftung ist Mordfall
brandopfer
Neben der Wohnung des Angeklagten wurde jene seiner unmittelbaren Nachbarin - einer 23 Jahre alten Akademikerin - verwüstet und zerstört. Die junge Frau, die im Bett lag und schlief, wurde von herabfallenden Mauerteilen getroffen. „Über ihr ist die Wand zusammengebrochen“, schilderte Bien. Die Frau sei eingeklemmt worden und infolge einer Kompression des Brustkorbes erstickt.

Andere aufgeschreckte Hausbewohner retteten sich vor dem Flammeninferno aufs Dach, wo sie von der Feuerwehr geborgen wurden. Weitere Mieter mussten mit Drehleitern aus ihren Wohnungen in Sicherheit gebracht werden. Acht Mieter erlitten Rauchgasvergiftungen.

Der Angeklagte sei von der Wucht der von ihm herbeigeführten Explosion überrascht worden, betonte der Staatsanwalt. Ihm sei seine Wohnungstür „um die Ohren geflogen“, ihm sei aber „erstaunlich wenig passiert“. Der 45-Jährige habe nur leichte Brandverletzungen erlitten, habe den Tatort verlassen und sei danach seinem üblichen Tagesablauf nachgegangen.

Dass der Mann nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Brandstiftung mit Todesfolge zur Anklage gebracht wurde, erklärte Bien damit, dass diesem der Tötungsvorsatz „im Zweifel“ nicht nachzuweisen sei. Auf Brandstiftung, die ein oder mehrere Menschenleben kostet, sieht das Strafgesetzbuch fünf bis 15 Jahre Haft vor. „Es gibt keinen Anlass, von der Höchststrafe abzuweichen“, meinte Staatsanwalt Bien am Ende seiner Ausführungen.

Laut einem psychiatrischen Gutachten weist der 45-Jährige keine psychische Störung oder höhergradige geistig-seelische Abartigkeit auf. Er war zum Tatzeitpunkt voll zurechnungs- und damit schuldfähig. Darauf machte die Rechtsanwältin Alexia Stuefer aufmerksam, die als Privatbeteiligte die Interessen der ums Leben gekommenen jungen Frau vertritt. Der Angeklagte - ein HTL-Absolvent und gelernter Techniker - habe „ganz genau gewusst, was er tut und was es bedeutet, wenn er 15 Liter Benzin in einer Wohnung verschüttet. Hier sollte keine Feuersbrunst entstehen, sondern ein Großbrand“. Stuefer bescheinigte dem 45-Jährigen „ein eiskaltes Vorgehen“ und zeigte mehrere vergrößerte Fotos der getöteten Akademikerin her, die in Oxford ihren Master gemacht und eine Arbeitsplatzzusage an der renommierten englischen Universität in der Tasche hatte. Der Angeklagte habe ihr Leben „ausgelöscht“, sagte Stuefer.

Angeklagter streitet alles ab

Der 45-jährige Angeklagte stellte vor dem Schöffensenat (Vorsitz: Harald Kaml) in Abrede, das Feuer gelegt zu haben: „Ich bekenne mich nicht schuldig.“ Auf ihn sei ein Brandanschlag verübt worden.

Dass seine 23-jährige Nachbarin „zu Tode gekommen ist, ist ein Wahnsinn - mit dem Verschütten des Brandbeschleunigers habe ich überhaupt nichts zu tun“, beteuerte der Angeklagte. Die Nacht auf den 16. April habe er "wie jeden Dienstag" bei seiner Mutter verbracht, mitten in der Nacht sei dann sein Hund Murphy unruhig geworden, daher habe er diesen äußerln geführt und dabei beschlossen, gleich in seine Wohnung in der Marc-Aurel-Straße zu gehen, wo er um 7 Uhr delogiert werden sollte. Während seiner Abwesenheit müsse jemand in die Wohnung eingedrungen sein und dort „zufällig oder gefinkelt, ich weiß es nicht“ Benzin verschüttet haben, gab der Angeklagte zu Protokoll. Er habe sich in seinem Leben „nicht nur Freunde gemacht“.

„Haben Sie eine Vermutung, wer das war?“, wollte der Richter wissen. „Diese Frage stellt sich immer noch. Ich kann dazu nichts sagen“, bekam er zur Antwort.
Als er seine Wohnung aufsperren wollte, sei „die Explosion losgegangen“, so der 45-Jährige. Er habe einen „Feuerball“ wahrgenommen, sei zurückgeschleudert worden und im Stiegenhaus zu Sturz gekommen. Er habe sich „im Schock“ entfernt. Auf die Frage des Richters, warum er nicht gleich zur Polizei gegangen sei, um Anzeige zu erstatten, meinte der 45-Jährige: „Ich bin unter Schock gestanden.“

"Kurzschluss"

Nach dem Feuer wollte der Angeklagte Selbstmord begehen. Als eine Art Schuldeingeständnis wollte er das nicht gelten lassen. Es habe sich dabei um eine „Kurzschluss-Reaktion“ gehandelt, „weil ich durch den Brand mein ganzes Hab und Gut verloren habe“. „Das ist doch kein Grund. Da müssten auch die ganzen Hausbewohner Suizid begehen“, wandte Richter Harald Kaml ein. Staatsanwalt Leopold Bien sprach von einem „inszenierten“, eher halbherzigen Selbstmordversuch: Der Mann habe in einem Innenhof Räucherstäbchen angezündet, eine Champagnerflasche geöffnet und diese mitsamt Valium und Johanniskraut konsumiert.

Donnerstagnachmittag hat sich das Schöffengericht völlig überraschend für unzuständig erklärt. Der Senat unter Vorsitz von Harald Kaml kam zur Ansicht, es bestehe der dringende Verdacht, dass es der Angeklagte für möglich gehalten habe, dass bei der Brandstiftung Menschen zu Tode kommen. Damit müsse der Fall vor einem Schwurgericht verhandelt werden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Sowohl Staatsanwalt Leopold Bien als auch Verteidiger Ernst Schillhammer gaben keine Erklärung ab.

Die Staatsanwaltschaft muss nun prüfen, ob es sich bei dem Delikt nicht doch um Mord gehandelt hat. Die für kommenden Dienstag angekündigte Verhandlung findet somit nicht statt.

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