"Ich bin nicht die Feindin der Ärzte"

"Ich bin nicht die Feindin der Ärzte"
Wiens Patientenanwältin Pilz und Ärztekammer-Präsident Szekeres im verbalen Schlagabtausch.

Mit der Forderung nach Einschränkung der Nebenjobs von Spitalsärzten erntete Patientenanwältin Sigrid Pilz scharfe Kritik von der Ärztekammer.

KURIER: Frau Dr. Pilz, warum soll Spitalsärzten nicht freigestellt sein, was sie nach ihrem Dienst tun?

Sigrid Pilz: Auch ein Arzt hat nur 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Ein Arzt in einem öffentlichen Spital soll seine Privatpatienten gleich im Haus und nicht in der Privatklinik behandeln. Die Vorteile: Der Arzt muss nicht hin- und herhetzen, der Patient hat die gesamte medizinische Infrastruktur zur Verfügung, die anderen Ärzte im Team und das Spital können Sonderklasse-Einkünfte lukrieren.

Thomas Szekeres: Die Nebenjobs von Ärzten sind ein Nebenthema. Im Wiener Krankenanstaltenverbund haben nur knapp 20 Prozent der Ärzte eine Privatordination. Hauptproblem sind die im internationalen Vergleich niedrigen Gehälter und hohen Arbeitszeiten in der Hauptbeschäftigung. Die maximale Arbeitszeit im Spital liegt bei 74 Stunden.

Pilz: Natürlich sind die Arbeitszeiten ein Thema. Aber Sie spielen das Problem herunter: Der Rechnungshof hat erhoben, dass 54 Prozent der Ärzte im AKH eine Nebenbeschäftigung gemeldet haben. Das geht also weit über den Einzelfall hinaus.

Szekeres:Das sind aber sämtliche Nebentätigkeiten, wie etwa Vorträge oder Teilnahme am Ärztefunkdienst.

Pilz: Patienten haben den Eindruck, dass man als Privatpatient besser behandelt wird. Es darf nicht sein, dass Wartezeiten überbrückt werden, indem man angehalten wird, einen Einkehrschwung in der Privatordination des leitenden Spitalsarztes zu machen. Dort muss man, wie mir in Einzelfällen berichtet wird, bis zu 2000 Euro im Kuvert hinterlassen.

Szekeres: Kuvertmedizin ist nicht erlaubt. Ich ersuche Sie, das anzuzeigen. Es gibt einen Dienstgeber und Gremien, die das ahnden.

Pilz: Das tun wir auch.

KURIER: Kommt das oft vor?

Szekeres: Frau Dr. Pilz, Sie nehmen immer wieder Einzelfälle her, um sämtliche Ärzte zu verunglimpfen. Das empfinde nicht nur ich, das empfinden alle unsere Kollegen als ungerecht.

Pilz: Ich verunglimpfe niemanden. Im Gegenteil: Ich habe großen Respekt vor der Arbeit der Ärzte. Viele arbeiten engagiert und ohne Zugang zu hohen Privateinkünften. Wenn Sie schon nicht den Empfehlungen der Patientenanwaltschaft folgen: Warum unterstützt die Kammer nicht den Rechnungshof, der, so wie ich, eine strikte Regelung bei den Nebenbeschäftigungen fordert?

Szekeres: Sie machen mich für etwas verantwortlich, das der Rechnungshof dem Rektor der MedUni vorgibt. Das ist einfach unfair.

Pilz:Die KAV-Spitäler haben einen Privatpatientenanteil von rund vier Prozent. Andere Träger hingegen nutzen den erlaubten 25-Prozent-Anteil aus. Das kann man nur durch strikte Regeln erreichen.

Szekeres: Die Ärztekammer hat darauf keinen Einfluss. Das müssen Sie gegenüber der Stadt Wien und dem Krankenanstaltenverbund fordern. Wenn es entsprechend viele Zimmer gibt und es adäquate Einkommen und vernünftige Arbeitsbedingungen gibt, ist dagegen nichts einzuwenden.

KURIER: Frau Dr. Pilz, im Zusammenhang mit der Ordination einer Abtreibungsärztin, in der es über Jahre zu schweren Pannen gekommen sein soll, haben Sie massiv die Qualitätssicherung der Kammer kritisiert. Pilz: Der Fall war die traurige Spitze. Wir haben immer wieder Berichte über Fehldiagnosen und Behandlungsverzögerungen. Bei den Ordinationen vertraut die Ärztekammer auf die Selbstevaluation der Ärzte. Nur sieben Prozent der Praxen werden stichprobenartig überprüft. Das ist keine funktionierende Qualitätssicherung.

Szekeres: Solche Fälle verfolge ich streng. Aber auch hier machen Sie eine Pauschalverurteilung. Sie kritisieren immer, dass wir die Qualitätskontrolle selber machen. Aber im wissenschaftlichen Beirat der zuständigen ÖQMed sind die Ärzte in der Minderzahl. Die ÖQMed arbeitet auf Basis einer Verordnung des Ministeriums. Ich bin auch für Transparenz und für alles, was den Patienten dient. Aber wenn Sie etwas ändern wollen, müssen Sie an die Politik appellieren.

KURIER: Warum kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Kammer und Patientenanwältin?Szekeres: Sie stellt Ärzte so dar, als ob sie Feinde der Patienten wären.

Pilz: Das weise ich zurück. Mein gesetzlicher Auftrag ist es, auf Missstände hinzuweisen und Empfehlungen zu geben. Wenn ich empfehle, die Sonderklassepatienten im eigenen Spital zu behandeln, macht mich das nicht zur Feindin der Ärzte. Vielmehr würde diese Maßnahme zu mehr Gerechtigkeit führen.

Sigrid Pilz Geboren 1958. Pilz absolvierte ihr Studium der Erziehungswissenschaften und Psychologie an der Uni Innsbruck. Von 2001 bis 2012 saß sie für die Grünen im Wiener Gemeinderat. Sie deckte Missstände im Pflegeheim Lainz auf, woraufhin die damalige Gesundheitsstadträtin Elisabeth Pittermann zurücktreten musste. 2012 wurde Pilz Wiener Patientenanwältin.

Thomas Szekeres Geboren 1962. Szekeres promovierte 1988 an der MedUni Wien. Später wurde er Facharzt für klinische Chemie und Labordiagnostik. Seit 2001 ist er Vorstandsmitglied der Wiener Ärztekammer. Als Kandidat einer SPÖ-nahen Liste wurde er 2012 zu deren Präsident gewählt. Szekeres war an mehr als 150 wissenschaftlichen Publikationen beteiligt. Seine Schwerpunkte liegen dabei in der Krebsforschung.

Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz fordert von der Politik, Nebenbeschäftigungen von angestellten Ärzten zu verbieten oder zumindest stark einzuschränken. Der aktuelle Anlassfall: Patienten haben sich bei Pilz beschwert, dass sie von öffentlichen Spitälern in Privatordinationen geschickt worden seien, wo sie Leistungen bezahlen mussten, die sie auch auf Kassenkosten bekommen hätten.

Seitens der Ärztekammer erntete Pilz für ihre Forderung Kritik. Würden die Gehälter "auf das Niveau von Frau Pilz ansteigen", könne er sich "sehr gut vorstellen, dass man man auf Nebenbeschäftigungen verzichten kann", ätzte zuletzt Wiens Kammerpräsident Thomas Szekeres.

Nicht das erste Mal, dass die frühere grüne Gemeinderätin mit den Ärztevertretern in Konflikt geriet. Pilz wurde in den vergangenen Jahren nicht müde, Missstände im Gesundheitswesen aufzuzeigen. Etwa den Fall jener Gynäkologin, in deren Praxis es bei Abtreibungen immer wieder zu schweren Pannen gekommen sein soll. In diesem Zusammenhang hatte Pilz immer wieder das Ärztekammer-interne Qualitätsmanagement kritisiert.

Im Vorjahr setzte die Wiener Ärztekammer einen eigenen Patientenombudsmann ein. Die bestehende Patientenanwaltschaft sei politisch nicht unabhängig genug, lautete die Begründung.

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