Schlepper-Urteile am Fließband

Schlepper-Urteile am Fließband
Saftige Strafen: Richter braucht schärfere Gesetze nicht. 18 Monate Haft für Schlepper-Fahrer

Ich löse das Flüchtlingsproblem nicht im Verhandlungssaal 105, wenn ich strengere Strafen gebe“, sagt der Wiener Richter Ulrich Nachtlberger im Grauen Haus. Und dann verknackt er einen 23-jährigen serbischen Schlepper-Fahrer, der elf Syrer von Ungarn nach Wien transportiert hat, zu 18 Monaten Gefängnis. „Die Öffentlichkeit erwartet das“, sagt er. Und: „Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen.“

Vor ein paar Wochen hat ein Richter in St. Pölten einen Serben, der bei drei Schlepprer-Fahrten jeweils an die 30 Flüchtlinge von Ungarn nach Österreich gebracht hatte, zu nur sechs Monaten unbedingter Haft verurteilt. Die Richter sind sich, bei vergleichbaren Fällen, ganz und gar nicht über die Reaktionen einig. Und sie warten offenbar auch nicht auf die strengeren Bestimmungen, die Justizminister Wolfgang Brandstetter plant.

Magische Zahl

„Da geistert für den höheren Strafrahmen die magische Zahl von zehn Geschleppten herum“, sagt Nachtlberger. Deshalb würden die Schlepper häufig nur mit acht Flüchtlingen fahren. „Aber ich verurteile auch schon bei acht nach der größeren Menge.“ Und die Staatsanwältin sagt, sie sperre Schlepper auch bei nur fünf Geschleppten in U-Haft, schließlich stehe im Gesetz keine konkrete Zahl.

Nachtlberger bekommt jeden Tag ein bis zwei Schlepper-Akten auf den Tisch und verurteilt am Fließband. Am Dienstag neben dem 23-jährigen Serben noch zwei weitere zu jeweils 16 Monaten Gefängnis. Die überfüllten Justizanstalten werden weiter aufgefüllt, die Urteile werden gleich rechtskräftig, weder Richter noch Verteidiger kümmern sich um ein bemerkenswertes Urteil des Obersten Gerichtshofes (der KURIER berichtete). Es besagt, dass straffrei bleibt, wer nur den „angemessenen Fuhrlohn“ kassiert und sich nicht „unrechtmäßig bereichert“.

Der erste Verurteilte hatte 1145 Euro bei sich, angeblich von einem privaten Autoverkauf in Serbien. Beim zweiten fanden sich 250 Euro, das wäre eventuell ein „angemessener Fuhrlohn“, aber angeblich hat er das Geld vom Verkauf des Pferdes seiner Eltern. Für die Schlepper-Tour hätten ihnen die Organisatoren 200 bis 500 Euro am Ziel in Aussicht gestellt. Nachtlberger schluckt diese Geschichten nicht.

Die erste Fahrt fand mit einem Renault Scenic statt. Der Richter hat auch so ein Modell und „wüsste nicht, wie ich da elf Leute reinbringen soll.“ Dass den Flüchtlingen verboten wurde, die Fenster zu öffnen (um Blicke von außen ins Wageninnere zu verhindern), wirkt sich erschwerend auf das Strafmaß aus. Dazu kommt die Gefährdung der körperlichen Sicherheit: Als der Wagen in Wien-Simmering von der Polizei aufgehalten wurde, sprang der Chauffeur heraus und ließ das Auto führerlos weiterfahren. Das Fahrzeug mit den Flüchtlingen prallte gegen einen Baum.

Die Fahrer hatten übrigens keinen Führerschein, ihre Fahrpraxis haben sie sich daheim auf dem Traktor angeeignet.

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