Rot-grüner Neustart mit ersten Misstönen

Wie wird das weitergehen? Häupl und Vassilakou über Lobautunnel uneinig.
Verkehrsthemen sorgen von Beginn an für Unstimmigkeiten. Schwindender Rückhalt für Vassilakou bei Grünen.

"Ich glaube, es werden fünf gute Jahre für Wien werden", zeigte sich Bürgermeister Michael Häupl am Samstagnachmittag verhalten optimistisch. Gemeinsam mit seiner neuen, alten Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou unterzeichnete er den Pakt zur Neuauflage der rot-grünen Koalition in Wien. Präsentiert wurde auch das neue Regierungsteam, das freilich – bis auf eine Ausnahme – keine neuen Köpfe aufweist (siehe rechts).

Davor wurde es noch einmal etwas zäh. Bis in den Nachmittag hinein waren die jeweiligen Parteigremien damit beschäftigt, das Paket abzusegnen. Bei der SPÖ dauerte die Tagung bis 14.30 Uhr. Einmal mehr sorgte das Thema Verkehr für Diskussionen. Vor allem eine grüne Aussage sorgte für Irritationen. Bei der grünen Landesversammlung kurz zuvor hatte Vassilakou mit einem Satz aufhorchen lassen: "Der Lobautunnel als Projekt ist de facto abgesagt", verkündete sie unter dem Jubel der Delegierten.

Der Tunnel und damit der Lückenschluss des Autobahnrings um Wien zählte zu den härtesten Nüssen in den Koalitionsverhandlungen. Die SPÖ soll sogar ihren Widerstand gegen die von den grünen angestrebte Wahlrechtsreform aufgegeben haben, um im Gegenzug die Zustimmung der Grünen zu diesem Projekt zu erkaufen.

Kompromiss

Letztlich rang man sich zu folgender Formulierung im Koalitionspapier durch: "Wien bekennt sich zur Notwendigkeit einer sechsten Donauquerung, die unter bestmöglicher Berücksichtigung des Umwelt- und Naturschutzes und ohne Beeinträchtigung des Nationalparkgebiets geplant werden soll. Deswegen sollen alternative Planungsvarianten geprüft werden."

Zwei Lesarten

Noch war die Unterschrift unter dem Koalitionspakt nicht getrocknet, brach schon Uneinigkeit über die Lesart aus. "Wir bekennen uns gemeinsam zu einer sechsten Donauquerung", sagt Häupl dazu. "Aber in dem Papier steht nichts davon, dass es keinen Lobautunnel geben wird", ergänzt ein Parteisprecher.

Und die Lesart des grünen Verkehrssprechers Rüdiger Maresch schaut wiederum so aus: "Wir wollen, dass Alternativen angeschaut werden. Unsere bevorzugte Variante ist eine Verlängerung der A22 über die Freudenau unter der oder über die Donau, mit einer Anbindung an die A4. Diese Variante hatte ursprünglich auch der ÖAMTC vorgeschlagen." Für innerkoalitionären Zündstoff ist also von Beginn an gesorgt.

Aber auch parteiintern wird es für Vassilakou künftig schwieriger: Die Grünen konnten in den Verhandlungen zwar mehr herausholen, als ihnen nach den Verlusten bei der Wahl zugetraut wurde. Vassilakou behält nicht nur ihre bisherigen Agenden Planung und wird zusätzlich auch für das Thema Petitionen zuständig sein. Auch inhaltlich brachten die Grünen zentrale Anliegen durch: Stichwort Wahlrecht, oder Reduktion der Mittel für Werbeausgaben.

Die grüne Basis dankte ihr das aber nicht: Mit 93 Prozent fiel die Zustimmung der Delegierten zum Koalitionspakt um fünf Prozent geringer aus als noch bei der Premiere 2010. Hinzu kommt: Vassilakou wurde mit gerade einmal 75 Prozent der Stimmen als grüne Stadträtin bestätigt.

Zu allem Überdruss kam ihr am Samstag auch noch der Parteimanager abhanden. Landessprecher Georg Prack setzte sich in einer Kampfabstimmung nicht gegen seinen Herausforderer Joachim Kovacs durch. Der grüne Klubobmann aus Ottakring hatte zuletzt massive Kritik am Wahlkampfstil seiner Partei geübt. Der 31-Jährige erhielt knapp 57 Prozent der Delegierten-Stimmen.

Sein Credo hatte Kovacs nach der Wahl im Oktober kundgetan: "Die Wiener Grünen müssen sich inhaltlich breiter aufstellen und sich neuen Gruppen öffnen."

Die Ära Rot-Grün 2 beginnt mit Umschichtungen in den SPÖ-geführten Ressorts.

Wie berichtet, wird Christian Oxonitsch neuer Klubchef. Sein Ressort wird aufgeteilt: Die Bildungsagenden wandern zu Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger. Der Sport wandert zu Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. Wer den machtpolitisch wichtigen Presseinformationsdienst (PID) bekommt ist laut Bürgermeister Michael Häupl noch nicht geklärt. Auch der Stadtschulrat wird umgekrempelt. Kinderfreunde-Geschäftsführer Jürgen Czernohorsky löst Susanne Brandsteidl als Stadtschulratspräsident ab. Oxonitschs Vorgänger Rudolf Schicker soll künftig als Koordinator für den Donauraum agieren.

Rot-grüner Neustart mit ersten Misstönen

Zur Überraschung vieler gibt FinanzstadträtinRenate Braunerdie Stadtwerke anUlli Simaab. Damit unterstehen auch die Wiener Linien ab sofort Sima. Brauner will sich dem Vernehmen nach ganz um die Entbürokratisierung kümmern. Daher wandert unter anderem auch die MA 63 (Gewerbegesetze) zu Brauner. Brauner braucht aber auch mehr Zeit, um den für Wien wichtigen Finanzausgleich zu verhandeln.

Bei den roten Gemeinderäten gab es neue Gesichter und ein Bekenntnis zur Jugend. Sowohl SJ-Vorsitzende Marina Hanke als auch Marcus Gremel von der Jungen Generation ziehen in den Gemeinderat ein. Neben Jörg Neumayer und Nina Abrahamczik kommt auch Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid in den Gemeinderat. Häupl: "Er wird unser Verbindungsglied in die Bundespolitik werden."

Der Grüne Überläufer Senol Akkilic, der den Roten eine Wahlrechtsreform erspart hatte, wird hingegen nicht im Gemeinderat sitzen. "Er wurde nicht gewählt", sagte Häupl lapidar. Damit bestätigte sich wieder der Spruch: "Man liebt den Verrat, aber nicht den Verräter."

Das Projekt.

Die Wiener Außenring Schnellstraße S1 verläuft vom Knoten Vösendorf (A2/A21) über Schwechat, Raasdorf, Süßenbrunn bis zum Knoten Korneuburg/West (A22). Nicht fertiggestellt ist der Abschnitt Schwechat–Süßenbrunn. Zum Lückenschluss gehört auch der Tunnel Donau–Lobau.

Rot-grüner Neustart mit ersten Misstönen

Die Eckdaten.

Am 27. März 2015 wurde ein positiver UVP-Bescheid für den 19 Kilometer langen Lückenschluss ausgestellt. 8,2 Kilometer davon sollen als Tunnelprojekt ausgeführt werden. Die Asfinag will das Straßenstück bereits im Herbst 2016 in Angriff nehmen. Der Baubeginn des Tunnel soll aber erst 2018 sein. Mit einer Verkehrsfreigabe wird aber nicht vor dem Jahr 2025 gerechnet.

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