Richter in Angst: "Wirst keine Weihnachten haben"

Der Prozess fand am Montag in Salzburg statt
Die Richterschaft registriert eine Zunahme an Bedrohungen und fordert ein eigenes Gesetz, das sie vor Hass-Postern schützt.

Gestalkt, beschimpft und bedroht. Richter entscheiden im Namen der Republik und damit der Allgemeinheit in oft heiklen und emotionalen Fällen. Immer öfter, so beklagen sie nun, wollen Beteiligte ihre Entscheidungen beeinflussen und machen Richter zur Zielscheibe von Angriffen.

Da wäre die gestandene Richterin, die es mit der Angst zu tun bekam, als ein Verurteilter den Namen und die Schul-Adresse ihrer Kinder nannte. „Du wirst keine Weihnachten haben“, ließ er sie wissen. Den Namen einer Kollegin braucht man nur zu googeln, um auf Verleumdungen gegen sie zu stoßen. Eine von Unbekannten betriebene „Online-Enzyklopädie“ gibt Fotos, Privates und verleumderische Vorwürfe über Richter preis.

Schutz für alle Beamten

Die Angriffe würden nicht auf einzelne Personen, sondern auf das System insgesamt abzielen. Darüber waren sich die Richter, die diese Woche in Kitzbühel über Justiz-Themen diskutierten, einig. Abhilfe soll ein Justizschutz-Gesetz schaffen, das als Entwurf bereits vorliegt. Justizminister Wolfgang Brandstetter will, dass es nicht nur für Richter, sondern „allgemein für den öffentlichen Dienst“ gilt. Mit dem Gesetz soll es zur staatlichen Aufgabe werden, etwa gegen Verleumdungen von Richtern oder Staatsanwälten im Internet vorzugehen. Verhandlungen dazu würden laufen, betont Brandstetter.
Aber ist die Löschung von Postings und Kommentaren nicht Zensur? Im Justizministerium verneint man das. Unsachliche Anfeindungen einer Person würden auf das System zurückfallen, da sie das Vertrauen in die Justiz schwächen. „Das wäre zulässig, um die Funktionsfähigkeit der Gerichtsbarkeit zu wahren“, erklärt Michael Reiter aus dem Justizministerium.

Hetze von Server im Ausland

Bereits bisher versuchte die Justiz, sich zu wehren. Im Jahr 2002 wurde eine frauenfeindliche Homepage geschlossen. Inhalt waren wüste Beschimpfungen und Verleumdungen gegen Richterinnen. Die Betreiber der Webpräsenz sollen aus der Väterrechte-Szene gekommen sein. Das Nachfolge-Projekt, die besagte Enzyklopädie, ist gegen einen Zugriff der Justiz immun, da die Daten auf einem Server im Ausland liegen, erklärt eine Ministeriumssprecherin.

Richterin Beatrix Engelmann, Leiterin des Pilotprojekts Clearingstelle, registriert „eine zunehmende Zahl an Leuten, die Gerichtsentscheidungen nicht akzeptieren“. An die vor fünf Jahren eingerichtete Clearingstelle können sich Richter der Wiener Bezirksgerichte und des Landesgerichts wenden, die bedroht oder beschimpft wurden.
„Früher waren sie damit alleine“, sagt Beatrix Engelmann. Jetzt bearbeiten Polizisten und ein Psychologe die Meldungen, erstellen daraus Gefahrenanalysen und geben Empfehlungen ab. Die bisherige Arbeit zeigte, dass ein- und derselbe Bedroher zumeist an mehreren Gerichten auffällt. Für einzelne Richter bedeute dies, Vorfälle auch aufgrund der Verantwortung gegenüber Kollegen zu melden. Letztlich komme das allen, die sich im Gericht aufhalten, zugute. Richter würden Kritik aushalten, sagt Engelmann, aber „bei wüsten Diffamierungen hört es sich auf“.

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