Drahtesel als Goldesel

Drahtesel als Goldesel
Porsche Fahren zum Angeben war einmal. Das Rad löst das Auto als Statussymbol ab.

Ursprünglich wollte Alexandre Pedrotti nur sein eigenes Fahrrad herstellen. Denn nachdem ihm zum zweiten Mal das Rad gestohlen wurde und Basteln schon immer sein Hobby war, beschloss er, einfach selbst ein Zweirad zu bauen. Eines, das sich von den anderen abhebt. Was, wenn nicht nur der Rahmen blau und der Sattel grün wären? Sondern die Reifen gelb, die Felgen orange oder die Kette violett? Die Idee des kunterbunten Fahrrads fand in seinem Bekanntenkreis so großen Anklang, dass es nicht lange bei einem Einzelstück blieb. In seinem Geschäft "Chic Cycle" können Kunden die Farben ihres Rades komplett selbst zusammenstellen. Die Preise beginnen bei 395 Euro. 45 Fahrräder hat Pedrotti alleine im März verkauft.

Charakter-Rad

Bunte Fahrradreifen sind im Trend – auch in der Radwerkstatt von Willi Kasyk. Seit 2012 betreibt der 55-Jährige, der noch beim legendären Ferry Dusika Fahrradmechaniker gelernt hat, in der Schönbrunner Straße sein Radgeschäft. Bei seinem Service können sich Kunden auch gleich ihr Rad bunt zusammenstellen lassen. Dass Radfahren mittlerweile Style-Charakter hat, zeigt sich in der Radwerkstatt nicht nur an der stilvollen Einrichtung: Willi Kasyk trägt im Geschäft Sakko samt Stecktuch. "Die Leute, die Wert auf ihr Aussehen legen, wollen das auch an ihrem Fahrrad zeigen", sagt er. "Immer mehr sind bereit, viel Geld in ihr Rad zu investieren" so Kasyk. "Früher sind die Leute mit dem Porsche gefahren, heute fahren sie mit dem Rad."

Drahtesel als Goldesel
Radwerkstatt, Radfahren, Willi Kasyk

Motivforscher Michael Nitsche vom österreichischen Gallup-Institut sieht das genauso: "In vielen Gesellschaftsschichten ist es nicht mehr angemessen, mit einem Auto anzugeben." Mit Rädern zeigen die Fahrer Umweltbewusstsein und Sportlichkeit. Dazu kommt: Obwohl immer mehr Bikes auf der Straße unterwegs sind, wollen sich die Fahrer von der Masse abheben. "Es reicht nicht mehr, zwei Räder und einen schwarzen Rahmen zu haben", sagt Nitsche. Es braucht handgemachte Felgen aus Edelholz, Vintage-Rennräder oder bunte Fixies (Fahrräder ohne Gangschaltung). "Das Fahrrad ist Teil des Gesamtkunstwerks", sagt Nitsche. Es muss zur Persönlichkeit und zum jeweiligen Stil des Fahrers passen.

Dolce Vita

Stil spielt auch in der Operngasse eine große Rolle. Im Radlager, einer Kombination aus Fahrradwerkstatt und Café, hängen restaurierte Vintage-Rennräder in der Auslage, hinter der Schank befindet sich die Werkstatt. Dazu gibt es italienischen Espresso. Mittlerweile auch mit Milch. "Früher waren wir da strenger", erzählt Inhaber Markus Böhm. Rad und Espresso, das gehört in Italien schon lange zusammen.

Radfahren, sagt Böhm, sei besonders in wirtschaftlich nicht so rosigen Zeiten besonders populär: " Es ist gesund, umweltfreundlich und macht Spaß. Radfahren macht einfach glücklich."

Die Vintage-Räder, die Böhm verkauft, kosten zwischen 450 Euro und 2500 Euro. "Mit einem Rad von uns fährt man bei Sonnenschein am Sonntag eine kleine Runde. Auf die Uni fährt man damit eher nicht." Weil es dann weg wäre.

Um das zu verhindern, eröffnete Lisa Schmidt im Oktober die erste Wiener Rad-WG. In dem Erdgeschoß-Lokal in der Schmalzhofgasse 8 in Mariahilf können die Besitzer ihr Räder für 18 Euro im Monat sicher verwahren. Geöffnet wird die Tür mit einem personalisierten Chip. Geht es nach Lisa Schmidt, soll in ein paar Jahren ein Netz an Rad-WGs existieren, damit Räder auf der Straße oder in uneinsichtigen Innenhöfen keine leichte Beute sind. Und um die hübschen Fahrräder wäre es schließlich ewig schade.

Tipps & Radschläge

Die Radwerkstatt Verkauf, Reparatur und Service. 5., Schönbrunner Straße 102 www.dieradwerkstatt.at

Chic Cycle Rotes Lenkrad, grüner Sattel, blaue Felgen? Alles möglich. 1., Neutorgasse 13; cc-bike.at

Radlager Café und Radshop in einem. Motto: „Fast Bikes, good coffee“ 4., Operngasse 28 radlager.myshopify.com

Rad-WG Wohngemeinschaft für Fahrräder. 6., Schmalzhofgasse 8; radwg.at

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