Ein Cowboy-Hut für die Forschung

Manche kamen mit Riesenmodellen ihres winzigen Forschungsobjekts
Das Naturhistorische Museum Wien prämierte junge Wissenschaftler

Michaela Haider hat dem Riesenleberegel einen Cowboy-Hut aufgesetzt. So versteht jeder Laie, der ihren Comic betrachtet, dass der Parasit, der dem Rotwild in Niederösterreich zusetzt, aus Amerika eingeschleppt wurde. Den Cartoon hat sich die junge Zoologin vom Naturhistorischen Museum Wien (NHM) ausgedacht, um Laien den komplexen Lebenszyklus des Amerikanischen Riesenleberegels näherzubringen. Und weil ihr das so gut gelungen ist, wurde sie dieser Tage mit dem neu geschaffenen Carl von Schreibers-Forschungspreis (siehe rechts) des NHM ausgezeichnet.

Ein Cowboy-Hut für die Forschung

Museen sind im besten Fall nicht nur Orte des Sammelns und Bewahrens, sondern auch Forschungseinrichtungen. Das hob Marianne Popp, Mitglied der Carl-von-Schreibers-Jury und Ökologin an der Universität Wien hervor. „In Amerika sind derartige Preise längst üblich.“ Und Motivation für junge Wissenschaftler, ihre Forschung verständlich unter die Leute zu bringen. „Mit diesem Preis erhält die Wissenschaft im Naturhistorischen Museum wieder mehr Gewicht“, sagt Popp.

Erkenntnis-Reich

Zumindest bekam man einen Eindruck, was sich hinter den Museumssälen und Schaukästen an Erkenntnisgewinn angesammelt hat. Womit wir wieder beim Leberegel mit dem Cowboy-Hut wären. Im Vortrag von Michaela Haider erfährt man, dass sie nicht weniger als 3444 Sumpfschnecken – sie sind die Wirtstiere des Parasiten – in der Au rund um Orth/Donau gesammelt haben. Dass Rotwild die Schnecken mit Vorliebe frisst, und der Parasit sich dann einnistet. Die Folge des Parasitenbefalls: Das Wild verliert Gewicht und stirbt frühzeitig. „Der amerikanische Leberegel wurde erstmals im Jahr 2000 gefunden und medikamentös behandelt“, sagt Haider. In ihrer Untersuchung hat die Zoologin nun festgestellt, dass trotz Behandlung noch immer eine Reihe von Wildtieren mit dem Leberegel infiziert ist.

Auf den Parasiten-Vortrag folgten digital rekonstruierte Massensterben aus grauer Vorzeit, mit Raster­elektronen-Mikroskop untersuchte Edelsteine (echt oder falsch?), sowie DNA-Analysen an Steinadlern und Schnec­ken, die die Herkunft der Tiere klären. Und Knochen, viele Knochen.

Spätestens seit Serien wie „CSI“ oder „Bones“ wissen auch Wissenschaftsunbeleckte, dass sich aus Skeletten einiges herauslesen lässt. Das beweisen auch die Anthropologen des NHM: Christine Keller hat den Grabräubern eines bronzezeitlichen Gräberfeldes in Niederösterreich nachgespürt und aus den Knochenbrüchen aus vergangener Zeiten abgelesen, dass sich die Leute damals wohl öfter die Schädel eingeschlagen haben. Lea-Louisa Klement wiederum erläuterte dem staunenden Publikum, was Zähne und Bäume gemeinsam haben – so etwas wie Jahresringe nämlich. So könne man anhand der Zähne historischer Skelette das Sterbealter feststellen, erklärt sie und erhält dafür den Publikumspreis. Organisiert wurde der öffentliche Vortragsnachmittag „neugier!wissen!schaft“ übrigens von der Gesellschaft der Freunde des NHM.

Namensgeber

Ein Cowboy-Hut für die Forschung

Fast 45 Jahre lang, bis knapp vor seinem Tod, leitete Carl von Schreibers (1775–1852), die „Vereinigten k.k. Naturalien-Cabinete“, die Vorläuferinstitution des Naturhistorischen Museums. Von Schreibers war ein innovativer Forscher, universal gebildeter Gelehrter, rettete 1809 die Sammlung vor den Truppen Napoleons und lagerte sie vorübergehend nach Budapest aus. Der studierte Mediziner und Freund Goethes organisierte die berühmte Basilien-Expedition zu einer Zeit, in der viele noch gar nicht wussten, wo Brasilien liegt.

Forschungspreis

Unter Carl von Schreibers Führung entwickelte sich das Museum zu einer bedeutenden Forschungsinstitution. Was lag also näher, als den Forschungspreis (insgesamt 5000 €) nach dem Wissenschaftspionier zu benennen.

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