Neue Wiener Zentrale für Kampf gegen Schlepper

Schlepperbanden werden nach Schließen der Balkanroute wieder aktiv
Frontex, Europol und Interpol werden in Wien miteinander vernetzt.

Die Attentate in Paris offenbarten den Umstand, dass die Geheimdienste nicht in der Lage sind, ihre Daten zusammenzuführen. Wie es richtig funktionieren kann, exerziert ihnen jetzt Europol mit einer neuen Einsatzzentrale zur Schlepperbekämpfung vor. Es ist eine österreichische Initiative – und die Zentrale ist in Wien.

In einem unscheinbaren Bürohaus in Wien-Leopoldstadt eröffnete am Mittwoch Innenminister Wolfgang Sobotka, ÖVP, das sogenannte "Joint Operational Office against Human Smuggling Networks (JOO)". Mit dabei waren Vertreter der europäischen Grenzschutzagentur Frontex und Europol sowie Spitzenbeamte aus insgesamt 15 europäischen Ländern und der Türkei.

Operation Mahmoud

"Die Antwort auf organisierte Schlepperbanden muss europaweit koordiniert sein", erklärte Innenminister Sobotka. Wie das im Idealfall ausschaut, beschrieb General Franz Lang, Chef des Bundeskriminalamtes, anhand der "Operation Mahmoud" im vergangenen Jahr. Damals gelang es, 23 führende Mitglieder einer Schleppermafia in mehreren Ländern gleichzeitig festzunehmen. Der Chef, ein Mazedonier, wurde in London verhaftet. Lang: "Das gelingt nur, wenn wir auf die Minute genau in der gesamten EU mit Festnahmen und Hausdurchsuchungen zuschlagen können."

Dafür ist es nötig, zuerst die Struktur der Schleuser-Organisation auszuleuchten. Das ist die Aufgabe für 38 Ermittlungsbeamte, die am Mittwoch ihren Dienst aufnahmen. Platz ist aber für 50 Beamte. Die restlichen Plätze werden von Verbindungsbeamten aus den jeweils betroffenen Staaten besetzt, wenn eine Operation anläuft.

Wie sehr sich die Schleuserorganisationen bereits internationalisieren, zeigt ein Beispiel aus der Ukraine. So wurden Ukrainer festgenommen, die Menschen mit Helikoptern über die Grenze in die Slowakei flogen. Fast gleichzeitig wurde auch im Mittelmeer ein 20 Meter langes Boot, auf dem sich 62 Migranten aus Syrien, Irak und Somalia befanden, zwischen Sardinien und der kalabrischen Küste von Schiffen der Frontex-Operation "Triton" gesichtet. Es wurde im Anschluss von Schiffen der italienischen Finanzpolizei in den Hafen von Reggio Calabria geleitet. Unter den angehaltenen Personen befanden sich auch drei Schlepper aus der Ukraine.

Neue Wiener Zentrale für Kampf gegen Schlepper

Geopolitische Lage

Die Idee für die Wiener Einsatzzentrale kam zwar aus Österreich, erklärt Robert Crepinko von Europol dem KURIER. Aber das bedeute keinesfalls, dass dies nun als Konkurrenzunternehmen zu Europol zu werten sei. Im Gegenteil: Das Wiener Büro sei ein "verlängerter Arm" von Europol, und werde von der europäischen Polizeibehörde mit 300.000 Euro gefördert.

Dass sich Wien hier so stark engagiert, liegt an der geopolitischen Lange am Rande von Südosteuropa. Zum einen gehen die zwei europäischen Hauptrouten von Ost nach West und vom Süden nach Norden durch Österreich. Außerdem ist es aber den Österreichern gelungen, über das "Forum Salzburg" sämtliche Innenministerien der Westbalkanstaaten ins Boot zu holen. Damit wird ein offener Datenaustausch auch mit jenen ermöglicht, die noch nicht in der EU sind – etwa Serbien, Bosnien-Herzegowina, Albanien oder dem Kosovo.

Lagebild

Ein wesentlicher Datenlieferant ist auch die Grenzschutzagentur Frontex. Deren stellvertretender Leiter, der Österreicher Berndt Körner, erläutert: "Frontex unterstützt mit einem ständig aktualisierten Lagebild 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche." Nachdem das Wiener Büro auch auf alle Interpol-Daten weltweit zugreifen kann, sollen nun die Schlepper mit der Polizei einen besser aufgestellten Gegner haben als die Terroristen mit den Geheimdiensten: Nämlich eine Organisation, die den vollen Zugriff auf alle Daten hat.

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