Mutter-Kind-Pass nicht amtlich

Mutter-Kind-Pass nicht amtlich
Dass ein Wiener Kinderarzt keine Untersuchungen durchführte, ist nicht strafbar.

Der Wiener Kinderarzt, der die offensichtliche Vernachlässigung von Kindern nicht mitbekommen hat, wurde am Montag rechtskräftig freigesprochen. Dass er die Untersuchungen für den Mutter-Kind-Pass zwar abgestempelt und verrechnet, aber gar nicht (richtig) durchgeführt hat, ist nicht strafbar.

Für den 70-jährigen Arzt und seinen Verteidiger Wolfgang Mekis ist das erfreulich. Für die Patienten ist es nicht mehr weiter schlimm, denn der Arzt hat seine Ordination inzwischen geschlossen. Für die betroffenen Kinder (und vielleicht für andere, die man nicht kennt) wird es noch Folgen haben: Ein vierjähriger Bub konnte noch nicht gehen, nicht einmal ohne Hilfe stehen, und sich auch nicht verständigen. Er und seine Geschwister wurden den überforderten Eltern abgenommen.

Für den Gedanken aber, der hinter dem Mutter-Kind-Pass steht, ist das Urteil fatal. Denn es bedeutet: Man kann sich nicht darauf verlassen, dass die beabsichtigte Früherkennung von Fehlentwicklungen im Säuglings- und Kindesalter gewährleistet ist.

Schlecker-Test

Der Verdacht gegen den Arzt war in einem Strafverfahren gegen die Eltern wegen Vernachlässigung aufgekommen. Wieso hatte er die groben Entwicklungsstörungen bei den Kindern nicht bemerkt, wenn von ihm doch regelmäßig die im Mutter-Kind-Pass vorgeschriebenen Untersuchungen durchgeführt worden sind? Weil er diese Untersuchungen darauf beschränkte, eine Lade mit Schleckern zu öffnen. Wenn die Kleinen hinliefen und sich eine Süßigkeit krallten, befand er, es sei alles bestens.

Die Staatsanwaltschaft klagte den Arzt wegen Amtsmissbrauchs an: Er habe den Staat an seinem Recht geschädigt, die Voraussetzung für das Kinderbetreuungsgeld zu überprüfen, nämlich dass die Eltern die vorgeschriebenen Untersuchungen durchführen lassen.

Ein von Präsident Eckart Ratz geführter Senat des Obersten Gerichtshofes hob das Urteil – ein Jahr bedingt – jedoch auf und fällte einen Freispruch. Der Arzt war kein Amtsträger, wie es etwa ein Amtstierarzt ist. Er hat nicht einmal etwas falsch beurkundet. Er hat nur bestätigt, dass Mutter und Kind da waren.

Im Gesundheitsministerium ist man der Ansicht, die Justiz hätte besser wegen Behandlungsfehlern ermittelt.

Das Gesundheitsministerium sieht im Freispruch keine Geringschätzung des Mutter-Kind-Passes. Dabei ist dieser – ausgehend von der Urteilsbegründung – nicht einmal so viel wert wie die Fleischbeschau eines Amtstierarztes. Der Kinderarzt bekundet lediglich, dass die Mutter mit dem Kind in der Ordination war (und daher Kindergeld beziehen darf). Er bekundet nicht, dass er das Kind untersucht und körperlich wie geistig für gesund befunden hat. Und das überprüft auch niemand; oder erst, wie in diesem Fall, wenn nie mehr einzuholende Entwicklungsdefizite unübersehbar sind. Wenn der Kinderarzt schon kein Amtsträger ist wie der Veterinär, dann sollte man sich eine andere Qualitätskontrolle überlegen. Gütesiegel gibt es für weniger relevante Dinge.

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