Mordprozess ohne Aliyev: 16 Geschworene bereit

Aliyev (li.) wurde erhängt aufgefunden, Ex-Geheimdienstchef Mussayev steht ab 14. April vor Gericht.
Niemand wollte sich vor dem für Monate angesetzten brisanten Prozess drücken.

Zwei laut Anklage zu Tode gefolterte Bankmanager und ein kasachischer Ex-Diplomat als Hauptangeklagter, der unter noch aufklärungsbedürftigen Umständen in seiner Zelle erhängt aufgefunden wird: Die Befürchtung des Gerichts, die Geschworenen für diesen auf Monate angesetzten Prozess könnten sich von ihrem Amt zu drücken versuchen, war groß.

Um die erforderlichen acht Laienrichter samt ausreichendem Ersatz pünktlich am 14. April um 9 Uhr im Grauen Haus in Wien zur Verfügung zu haben, hat Vorsitzender Andreas Böhm vorsorglich 70 Wiener aus der Geschworenenliste geladen. Einige befinden sich im Ausland, einer hat eine ärztlich bescheinigte Geisteskrankheit als Ausschlussgrund geltend gemacht, aber 60 sind erschienen. Es könnte fast der Eindruck entstehen, dass ein Griss um das Richteramt in dem brisanten Prozess herrscht. Denn rasch waren acht Haupt- und acht (quasi auf der Reservebank sitzende) Ersatzgeschworene für die mindestens 26 Verhandlungstage eingeteilt.

Berufliche Nachteile

Nur ein Arzt wurde entschuldigt, weil seine Ordination durch seine lange Abwesenheit konkursgefährdet wäre. Wobei sich von der Staatsbürgerpflicht ohnehin nur befreien lassen kann, wer im Beruf unverhältnismäßige Nachteile zu befürchten hätte.

Richter und Prozessbeteiligte können sich laut Gerichtssprecherin Christina Salzborn auf umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen und einen Ansturm von Journalisten aus dem In- und Ausland (Russland, Ukraine, Kasachstan) gefasst machen. Die ersten drei Tage wird im Großen Schwurgerichtssaal verhandelt, dann übersiedelt der Mordprozess in einen kleineren Saal.

Nach dem Tod des kasachischen Ex-Botschafters Rakhat Aliyev sitzen nur noch der frühere Geheimdienstchef Alnur Mussayev und der ehemals bei der Präsidentenwache beschäftigte Vadim Koshlyak auf der Anklagebank, beide werden aus der U-Haft vorgeführt. Ihnen wird angelastet, im Auftrag und unter Mitwirkung von Aliyev die Bankmanager und Familienväter Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov entführt, gefoltert und mit Plastiksäcken über dem Kopf erdrosselt zu haben.

90 Zeugen

Zum Prozess sind ein halbes Dutzend Gutachter und mehr als 90 Zeugen, großteils aus Kasachstan, geladen. Der Wiener Anwalt Richard Soyer, der quasi den kasachischen Generalstaatsanwalt vertritt, organisiert die Anreise der Zeugen nach Österreich. Drei in Kasachstan in Haft sitzende Zeugen müssen jedenfalls per Videokonferenz einvernommen werden, weil sie keine Reisegenehmigung nach Wien erhalten. Die kasachische Justiz hat Sorge, dass sie hier um Asyl ansuchen und ihrem Zugriff damit entzogen sein könnten.

Die ersten drei Prozesstage sind für Plädoyers und Einvernahmen der Beschuldigten vorgesehen. Dann soll das Beweisverfahren starten. Für 19. Juni sind die Urteile geplant.

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