Justizdaten-Affäre: Drei Jahre Haft für Drahtzieher

Justizdaten-Affäre: Drei Jahre Haft für Drahtzieher
Davon ein Jahr unbedingt - 1,53 Millionen Euro für abgeschöpft erklärt - Nicht rechtskräftig.

Mit der nicht rechtskräftigen Verurteilung des Drahtziehers ist am Montag die strafrechtliche Aufarbeitung der sogenannten Justizdaten-Affäre vorerst in erster Instanz abgeschlossen worden. Der ehemalige Betreiber einer Wiener Kreditauskunftei fasste im Wiener Straflandesgericht wegen Amtsmissbrauchs, Bestechung und Verletzung des Amtsgeheimnisses eine dreijährige teilbedingte Freiheitsstrafe aus.

Der mittlerweile 69 Jahre alte Mann muss ein Jahr absitzen, den Rest sah ihm ein Schöffensenat (Vorsitz: Stephanie Öner) unter Setzung einer dreijährigen Probezeit auf Bewährung nach. Zudem wurden rund 1,53 Millionen Euro für abgeschöpft erklärt: Für das Gericht stand fest, dass beim Angeklagten infolge der begangenen strafbaren Handlungen jedenfalls in diesem Umfang eine unrechtmäßige persönliche Bereicherung eingetreten war. Aus spezialpräventiven Gründen hielt es der Senat für erforderlich, diese Summe vom Vermögen des 69-Jährigen einzuziehen.

"Es ist eindeutig für jedermann erkennbar, dass man das nicht darf", hielt die Richterin in ihrer Urteilsbegründung der Verantwortung des Angeklagten entgegen. Der 69-Jährige hatte zuvor erklärt, sein Verhalten sei nicht strafbar, weil er im inkriminierten Zeitraum einen Gewerbeschein besessen und daher ein "Recht" auf die Justiz-Daten gehabt habe. Er habe diese "in berechtigtem Interesse" weitergegeben.

Daten von 13 Gerichtsbediensteten

Der Mann hatte 13 Gerichtsbedienstete dazu angestiftet, ihm zwischen Jänner 2002 und Oktober 2010 Daten aus dem elektronischen Register der Justiz (VJ-Register) zu übermitteln. Die Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger und für Schreibarbeiten eingesetzte Kanzleikräfte an Vorarlberger, Tiroler, steirischen, oberösterreichischen und niederösterreichischen Bezirksgerichten tätigten vor allem systematische Abfragen im Exekutionsregister und übermittelten im Lauf der Jahre tausende Seiten in die Bundeshauptstadt, wo der Angeklagte diese gewinnbringend weiterverkaufte.

Zu den Kunden des Mannes zählte etwa die Deltavista-Gruppe, ein führender Anbieter von Bonitätsinformationen und Risikomanagement-Dienstleistungen. Wie ein Firmenvertreter am Montag als Zeuge angab, bezahlte man für das zur Verfügung gestellte Material im Monat 35.000 bis 40.000 Euro. Der Angeklagte sei speziell in Bezug auf Exekutionsdaten "einmalig" gewesen, erklärte der Zeuge. Man habe daher von ihm bis zu 190.000 Datensätze jährlich erworben.

Rechtliche Bedenken, dass diese Praxis nicht mit dem Gesetz im Einklang stehen könnte, sah man bei Deltavista offenbar keine. Man habe ja die Quellen des 69-Jährigen nicht gekannt, erwiderte der Zeuge auf eine entsprechende Frage.

Daten von 56 Bezirksgerichten

Die sensiblen Daten landeten am Ende bei Banken und Kreditinstituten oder Firmen, die grundsätzlich die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden überprüft haben wollten. Insgesamt wurden vorrangig vermögensrechtliche Informationen über knapp 40.000 juristische sowie 92.713 Privatpersonen weitergegeben und für Bonitätskarteien verwendet. Abgefragt wurden Daten an 56 Bezirksgerichten zwischen Bezau im Bezirk Bregenz und Zwettl im Waldviertel.

Die Datensätze, die ihm die Justizmitarbeiter lieferten - diese wurden dafür im vergangenen Herbst in erster Instanz zu bedingten Freiheitsstrafen zwischen sechs und 24 Monaten verurteilt -, honorierte der Angeklagte mit teilweise fünfstelligen Euro-Beträgen. Ein an einem steirischen Bezirksgericht tätiger Mann erhielt im Gesamten sogar ein "Körberlgeld" von 133.000 Euro.

Der 69-Jährige selbst dürfte mit seinen Geschäften reich geworden sein, wie Staatsanwalt Wolfgang Handler vorrechnete. Während der Angeklagte behauptete, der Weiterverkauf der heiklen Daten habe ihm lediglich 40.000 Euro eingebracht, bezifferte Handler in seinem Schlussplädoyer dessen Gewinn mit 2,3 Millionen Euro.

Bei der Strafbemessung wurden vom Gericht die Anstiftung ("Ohne ihn hätte es das nicht gegeben"), der lange Tatzeitraum und die "hohe Bereicherung" als erschwerend gewertet. Mildernd war demgegenüber das fortgeschrittene Alter. Mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe kam der 69-Jährige deshalb davon, weil er mittlerweile seinen Gewerbeschein zurückgelegt hat und in den Ruhestand getreten ist. Im Hinblick darauf bedürfe es keiner zur Gänze unbedingten Strafe, um ihn vor künftigem strafbaren Verhalten abzuhalten, führte die Richterin aus.

Im Prozess um die Justizdaten-Affäre sind am Dienstag am Wiener Straflandesgericht zwölf angeklagte Justiz-Beamte zu jeweils bedingten Haftstrafen verurteilt worden. Sie wurden für schuldig befunden, von 2002 bis 2010 Exekutionsdaten von knapp 40.000 juristischen und 92.000 Privatpersonen weitergegeben und dafür insgesamt etwa 300.000 Euro kassiert zu haben. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, alle erbaten sich drei Tage Bedenkzeit.

Richterin Stephanie Öner verurteilte die Justiz-Beamten zu bedingten Haftstrafen zwischen sechs und 24 Monaten - mit einer dreijährigen Probezeit. Für die Vorsitzende des Schöffensenats waren die Abfragen und Weitergaben der Daten "nicht nachvollziehbare Handlungen", die von Bediensteten getätigt worden waren, die einen "verantwortungsvollen Posten" innehatten.

Kaum Reue

Bei den Verurteilten handelt es sich um Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger und für Schreibarbeiten eingesetzte Kanzleikräfte an Vorarlberger, Tiroler, steirischen, oberösterreichischen und niederösterreichischen Bezirksgerichten. Im Lauf des Prozesses verantworteten sich die Beschuldigten ziemlich unterschiedlich. Die einen zeigten sich reumütig, die anderen wiederum legten wenig bis gar kein Unrechtsbewusstsein an den Tag.

Angeklagt war auch ein 68-jähriger Betreiber einer Wiener Kreditauskunftei, der die Justiz-Beamten für ihre Dienste mit fünfstelligen Euro-Beträgen "entlohnte". Das Verfahren gegen Mann wird bzw. muss allerdings zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden: Der Unternehmer wird derzeit nach mehreren gescheiterten Selbstmord-Versuchen im Wiener Otto-Wagner-Spital (OSW) stationär behandelt.

m heutigen - letzten - Verhandlungstag kam ein Angestellter des Bundesrechnungszentrums (BRZ) zu Wort. Er habe über eine anonyme Anzeige des Justizministeriums (BMJ) den Auftrag zur Prüfung von Ungereimtheiten erhalten und gab vor Gericht darüber Auskunft, wer von den zwölf Angeklagten wann was abgefragt hat. Auf sämtliche weiteren Zeugen war zuvor verzichtet worden, da die Angeklagten die inkriminierte Weitergabe von Daten und die Zahlungsflüsse nicht bestritten haben.

Es werde "jede Tastenbewegung protokolliert", so der BRZ-Angestellte. Über Rückschlüsse aus der Datenbank könnten die Ergebnisse jeder Suchabfrage nachvollzogen werden. Zur Frage der Richterin, ob die Begründung einiger Angeklagter, sie hätten nicht gewusst, dass die Weitergabe von Daten nicht rechtmäßig sei, gerechtfertigt sei, meinte der Zeuge: "Eine Nutzerkennzeichnung ohne vorherige Schulung gibt es nicht." Soll heißen: Jeder Justiz-Mitarbeiter, der Zugriff auf die Datenbanken habe, müsste über Rechte und Pflichten genau informiert sein.

Während die Verteidiger in ihren Schlussplädoyers Freisprüche bzw. milde Urteile forderten, ging der Staatsanwalt mit den Beschuldigten hart ins Gericht. Es deute alles auf Missbrauch hin, schließlich hätten einige ihre Schuld eingesehen, außerdem müsse jedem Beamten klar sein, dass die Weitergabe von Daten an Privatpersonen ebenso unrechtmäßig sei wie die Tatsache, dass man sich das dafür erhaltene Entgelt "in die eigene Jackentasche steckt".

"Warum machen das dann nicht alle?"

Das fehlende Unrechtsbewusstsein einiger Beschuldigter kommentierte der Staatsanwalt folgendermaßen: "Wenn das (Weitergeben von Daten, Anm.) ok wäre - warum machen das dann nicht alle? Die Nachfrage wäre sicherlich groß." Auf die Aussage einer Justiz-Beamtin, sie habe hinter dem Ankauf der Daten "rechtliches Interesse" vermutet und sich deshalb "nichts dabei gedacht", meinte der Staatsanwalt: "Das ist sowas von aus der Luft gegriffen, dass ich es gar nicht fassen kann."

Ein totaler Stromausfall im gesamten Wiener Straflandesgericht hatte am Dienstag für eine mehrstündige Zwangspause im Prozess gesorgt. 700 weitere Haushalte in der Josefstadt waren betroffen.

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