Wiener Wahlrecht: Grüne fordern offene Abstimmung

Maria Vassilakou bei der Landesversammlung - sie wurde als Spitzenkandidatin bestätigt.
Fünf Prozent weniger am Parteitag für Spitzenkandidatin Maria Vassilakou.

Fünf Prozent weniger am Parteitag für Spitzenkandidatin Maria Vassilakou. Ob Wien im Herbst oder doch im Juni wählt, steht immer noch nicht fest. Die Grünen haben jedenfalls am Samstag im Messezentrum die Weichen für den bevorstehenden Urnengang gestellt.

Mit 94 Prozent der Stimmen wurde Maria Vassilakou zur Spitzenkandidatin gewählt. Das sind rund fünf Prozent weniger als noch vor der Wahl 2010, Standing Ovations gab es dennoch.

Erklärungsbedarf hatte die Vizebürgermeisterin gegenüber den rund 600 Wahlberechtigten bei einem anderem Thema: Das Platzen der rot-grünen Verhandlungen über ein gerechteres Wahlrecht. Die jetzige Regelung bevorzugt die stimmenstärkste Partei, also die SPÖ, massiv. „Zur Klarstellung: Wir haben viereinhalb Jahre verhandelt“, betont Vassilakou. „Zuletzt haben wir einen Kompromiss angeboten, der uns ordentlich weh getan hat. Doch die SPÖ hat sich nicht bewegen können.

Jetzt soll, wie berichtet, über das Wahlrecht im koalitionsfreien Raum entschieden werden. Hier wollen die Grünen gemeinsam mit FPÖ und ÖVP die SPÖ überstimmen. Diese könnte die Reform im Ausschuss dennoch blockieren. Davor fürchten sich die Grünen allerdings nicht (siehe Hintergrund).

Sie nehmen vielmehr die Opposition in die Pflicht, gemeinsam mit den Grünen zu stimmen. „ÖVP und FPÖ werden Farbe bekennen müssen“, sagt Klubchef und Listenzweiter David Ellensohn. Er fordert daher eine offene Abstimmung. Die Entscheidung wird denkbar knapp: Fehlen nur zwei Abgeordnete von Schwarz oder Blau, kommt keine Mehrheit zustande. „Zur Not stellen wir Taxis bereit. Wie Novomatic, um die Glücksspieler nach Niederösterreich zu bringen“, sagt Ellensohn.
Die Basis kann mit dem freien Spiel der Kräfte leben. „Das ist besser als ein schlechter Kompromiss“, sagt ein Teilnehmer. „Ob es nach der Wahl wieder Rot-Grün gibt, ist aber eine andere Frage.“

Neue Gemeindebauten

Inhaltlich werden sich die Grünen im Wahlkampf auf die Themen Bildung und leistbares Wohnen konzentrieren. Geht es nach Vassilakou, sollte man darüber nachdenken, künftig wieder Gemeindebauten zu errichten.

KURIER: Auch bei einer Einigung von Grünen, ÖVP und FPÖ kann die SPÖ die Wahlrechtsreform noch verhindern. Für wie realistisch halten Sie dieses Szenario?
Maria Vassilakou: Die SPÖ hat die Chance vertan, sich mit uns auf einen Kompromiss zu einigen. Das schaue ich mir an, wie die SPÖ in der Bevölkerung dasteht, wenn sie jetzt auch noch einen Mehrheitsbeschluss des Landtags ignoriert.

Schmerzt es die Grünen, dass sie bei diesem Thema auf die Stimmen der Freiheitlichen angewiesen sind?
Mehr als 60 Prozent der Beschlüsse im Landtag werden einstimmig, also auch mit den Stimmen der FPÖ gefasst. Unabhängig von den sonstigen inhaltlichen Differenzen. Die FPÖ gleicht eben einer stehen gebliebenen Uhr, die zufällig zwei Mal am Tag die richtige Zeit anzeigt.

Wollen Sie auf jeden Fall mit Michael Häupl und der SPÖ nach der Wahl weiter regieren?
Ja, dazu stehe ich. Schließlich haben SPÖ und Grüne in viereinhalb Jahren mehr bewegt als so manche Bundesregierung in zehn Jahren.

Sollte das die SPÖ anders sehen: Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus, wenn die Grünen wieder auf der Oppositionsbank landen?
Meine Gegenwart sind die Grünen und auch meine Zukunft werden die Grünen sein.

Und in welcher Funktion?
Darüber zu spekulieren ist derzeit noch viel zu früh.

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