Geheime Atom-Geschäfte in der Wiener City
Michail Saakaschwili war einst Präsident Georgiens. Inzwischen ist er ukrainischer Staatsbürger und residiert als Gouverneur in der ukrainischen Schwarzmeerregion Odessa. Dass ihm deswegen am Freitag die georgische Staatsbürgerschaft entzogen wurde, kratzt ihn wenig. Er wettert auf Facebook gegen Oligarchen, die mithilfe "irgendeiner österreichischen Briefkastenfirma, die eigentlich keine wirkliche Firma ist", die ukrainische Wirtschaft ausplündern würden. Mit dem Oligarchen meint er den ukrainischen Parlamentsabgeordnete Nikolai Martynenko.
Szenenwechsel: "Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Poroschenko-Gefährten," titelten Schweizer Medien vor zwei Wochen. Es gehe um "Korruption im Nuklearsektor". In diesem Zusammenhang gab es auch eine Hausdurchsuchung beim tschechischen Reaktor-Produzenten Škoda.
Korruptionsverdacht
Auch in diesem Fall geht es um Martynenko. Ins Visier der Behörden geriet er durch eine Geldwäsche-Anzeige einer Schweizer Bank. Die Bundesanwaltschaft führt nun ein Verfahren wegen Korruptionsverdachts. Auf einem Martynenko-Konto sollen Schmiergelder in Höhe von 30 Millionen Euro entdeckt worden sein, die im Zusammenhang mit der Stellung des Mannes im ukrainischen Nuklearsektor stehen könnten.
Martynenko gilt als enger Vertrauter des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und von Premier Arseni Jazenjuk. Der Oligarch ist seit 2006 Vorsitzender der Kommission für Energie, Nuklearpolitik und nukleare Sicherheit, und kontrolliert damit auch die 15 Atommeiler des Landes. Martynenko war bereits ein enger Freund des Moskau-treuen Präsidenten Viktor Janukowitsch, die folgenden Machtwechsel konnten ihm nichts anhaben.
Uran-Deal
Woher Nikolai Martynenko das viele Geld auf dem Schweizer Konto hat, glauben ukrainische Staatsanwälte, Geheimdienst und einige Parlamentsabgeordnete zu wissen: Aus Vermittler-Geschäften, die er mithilfe zweier Niederlassungen in Wien erwirtschaftet.
Titan-Deal
Die Ukraine ist aber auch in der glücklichen Lage, Güter exportieren zu können. Beispielsweise Titan. Dieses Metall, das für die Luftfahrt- und die Rüstungsindustrie unentbehrlich ist, liefert die ukrainische "United Mining and Chemical Company" an russische Firma "VSMPO-Avisma". Diese ist ein Tochterunternehmen des russischen Rüstungskonzerns "Rostec". Nachdem aber die Ukraine und Russland Krieg führen, würde es in der Öffentlichkeit nicht gut ankommen, wenn die Ukraine Titan für Kalaschnikows liefert, mit denen dann in der Ostukraine auf ukrainische Soldaten und Bürger geschossen wird.
Die Methode soll die selbe sein wie beim Uran: Während die Waggons auf Gleisen Richtung Moskau mit Titan beladen werden, geht die Rechnung an die österreichische Firma "Bollwerk Finanzierungs- und Industriemanagement AG". Sie hat die selbe Adresse in der Goldschmiedgasse wie die "Steuermann Investitions" vom Uran-Geschäft. Natürlich verrechnet die österreichische Firma den russischen Abnehmern das Metall erheblich teurer weiter. Auch hier vermuten ukrainische Kreise den selben Hintermann wie beim Uran: Nikolai Martynenko.
Gas-Deal
Auch die Firma "Antra GmbH" in der Habsburgergasse in der Wiener City – nur wenige Meter von der Niederlassung des Uran- und Titan-Vermittlers entfernt – weckt den Argwohn der ukrainischen Ermittler und den bereits erwähnten, höchst offiziellen Zorn von Gouverneur Saakaschwili. Antra liefert Gas an das "Odessa Hafenwerk". Diese Chemiefirma ist der größte Gasverbraucher der Ukraine, der sich aber derzeit schwertut, beim russischen "Feind" einzukaufen. Im Gegenzug verwertet die Wiener Antra anschließend die dort produzierten Chemikalien und Flüssiggase.
Der zuständige ukrainische Staatsanwalt, Davyd Sakvarelidze, vermutet, dass die Chemiefirma "zum Objekt verbrecherischer Angriffe geworden" sei – gemeint ist Korruption ganz nach dem Muster der Titan- und Uran-Causen – und führte eine Hausdurchsuchung durch.
Diese sensiblen Geschäfte laufen in einem hochbrisanten Umfeld ab: Wegen der Krise in der Ostukraine wurden von der EU gegen Russland Wirtschaftssanktionen verhängt. Exportverbote betreffen vor allem Militär- und sogenannte Dual-Use-Güter. Gegen die Verantwortlichen des Rüstungskonzerns "Rostec" gibt es sogar Kontensperren und Einreiseverbote.
Drehscheibe
Damit ist Wien unstrittig eine wesentliche Drehscheibe für Geschäfte zwischen den Streitparteien Russland und Ukraine. Das wird auch von den österreichischen Vermittlern nicht bestritten. "Bollwerk"-Geschäftsführer Wolfgang Eyberger betont hingegen auf Anfrage des KURIER, alle Uran-Geschäfte seien vertraglich abgesichert, von allen öffentlichen Organen registriert und von der europäischen Nuklearbehörde Euroatom überprüft und bestätigt.
In der Ära des Präsidenten Viktor Janukowitsch kontrollierte das Chemiewerk in Odessa, OHW, der Oligarch Dmitrii Firtasch.
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