Der Stellvertreterprozess in der Causa Aliyev

Aus besseren Tagen: Mussayev (rechts) mit Aliyev und an der Wand das Bild von Staatschef Nasarbajev.
Obwohl Rakhat Aliyev tot ist, wird der Prozess um zwei angebliche Morde weitergeführt.

Ob Rakhat Aliyev am 9. Februar 2007 tatsächlich in der fast 4000 Kilometer entfernten kasachischen Hauptstadt Astana die Bankmanager Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov getötet hat, könnte der österreichischen Justiz nach seinem überraschenden Tod in der U-Haft-Zelle in Wien-Josefstadt eigentlich egal sein. Ist es aber nicht, denn es sitzt auch noch der frühere kasachische Geheimdienstchef Alnur Mussayev als angeblicher Komplize in Haft. Wenn man ihm die Beteiligung an der Tat nachweisen will, muss man natürlich auch nachweisen, dass die Tat auch tatsächlich passiert ist. Die erste Hauptverhandlung gegen Mussayev ist für Mittwoch, dem 15. April, am Landesgericht festgesetzt.

KGB-Karriere

Der 61-jährige Wahl-Wiener Mussayev war ausgebildeter Bergingenieur und heuerte im Jahr 1979 beim KGB an. Damals, als die kommunistische Welt noch in Ordnung und die Sowjetunion eine Supermacht war. Zwei Jahre an der KGB-Hochschule eröffneten ihm eine Geheimdienstkarriere. Mussayev beschäftigte sich unter anderem mit Panzerlieferungen für Iraks Diktator Saddam Hussein.

Nachdem 1991 die Sowjetunion in ihre Teilstaaten zerfallen war, fand sich General Mussayev als Chef des kasachischen Nachfolgegeheimdienstes KNB wieder. Sein Stellvertreter war zeitweilig Rakhat Aliyev, immerhin Schwiegersohn des kasachischen Alleinherrschers Nursultan Nasarbajev. Nach einem Machtkampf im KNB trat Mussayev 2002 zurück. Nachdem sich aber sein Teilzeit-Stellvertreter Aliyev 2007 wegen angeblicher Putschgelüste mit dem Schwiegervater Nasarbajev überworfen hatte, und seither von der kasachischen Justiz mit Mordvorwürfen verfolgt wurde, wanderte auch Mussayev aus. Er ließ sich mit seiner Lebensgefährtin Lidya E. in Wien nieder, wo er von seiner Pension in der Höhe von 4000 Euro lebte.

Auch in Wien wurde es ungemütlich: Am 22. September 2008 blickte er nahe seiner Wohnung in der Wiener Landesgerichtsstraße plötzlich in die Mündung einer Pistole. Lebensgefährtin Lidya wurde durch einen Faustschlag das Nasenbein zertrümmert. Der Verfassungsschutz stellte fest, dass es sich um einen missglückten Entführungsversuch handelte. Das Motiv laut Verfassungsschutz: "Letztendlich hätten die beabsichtigten Überlieferungsversuche nach Kasachstan offensichtlich dazu gedient, diesen Personen in dortigen Verfahren weitere belastende Aussagen gegen Dr. Shoraz (vormals Aliyev, Anm.) abzunötigen." Der Verfassungsschutz erwirkte gegen die Hintermänner der Tat internationale Haftbefehle. Sie können aber nicht vollstreckt werden, weil die Verdächtigen kasachische Diplomatenpässe besitzen.

Weitere Entführungen schienen nicht mehr notwendig. Denn die Wiener Justiz übernahm weitgehend die Anklage der kasachischen Generalprokuratur, und wollte hierzulande Aliyev den Prozess machen. In diesem Konvolut wird Mussayev als mutmaßlicher Komplize genannt. Deshalb wurde auch er in Wien in U-Haft genommen.

Verschwörung und Rache

Mussayevs Anwalt Martin Mahrer will die aus Kasachstan gelieferten Beweismittel zerpflücken. Er ist überzeugt, dass es sich um ein politisches Verfahren handelt. Mahrer: "Der Hintergrund war eine Verschwörung in Kasachstan. Da schreckt man aus Rache nicht davor zurück, auch andere Personen (Mussayev, Anm.) in das Verfahren miteinzubeziehen, um den Hauptfeind Aliyev lebenslang auszuschalten."

Die Wiener Justiz stellt sich auf ein kompliziertes Verfahren ein. Der Prozess ist auf 22 Verhandlungstage anberaumt und soll erst am 19. Juni abgeschlossen sein.

Wie Rakhat Aliyev in der Justizanstalt Josefstadt ums Leben kann, wird noch untersucht. Die rechtlichen Scharmützel zwischen seinen ehemaligen Anwälten und juristischen Gegnern sind um ein Kapitel reicher. Das Wiener Handelsgericht hat eine Einstweilige Verfügung gegen Aliyev-Anwalt Stefan Prochaska erlassen. Gabriel Lansky, der die Witwen jener Banker vertritt, hinter deren Ermordung Aliyev stecken soll, war gegen Prochaska vorgegangen, nachdem dieser die Verhängung der U-Haft über Lansky verlangt hatte. Gemäß der – nicht rechtskräftigen – Entscheidung hat Prochaska diese Aufforderung ebenso zu unterlassen wie die Behauptung, gegen Lansky bestünde der "dringende Tatverdacht" der geheimen nachrichtendienstlichen Tätigkeit zum Nachteil Österreichs.

Prochaska wird außerdem untersagt, Unterlagen zu verwenden, die ihm offenbar von einem ehemaligen Europol-Mitarbeiter zugespielt wurden, der einige Zeit für die Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner (LGP) als Datenspezialist und Kriminalist tätig war.

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