Gefängnis-Tagebuch der Schande

Gefängnis-Tagebuch der Schande
Restitutionskrimi: Der zu einem Jahr Haft verurteilte Prager Autor wird in Justizanstalt Simmering schikaniert

Der Prager Journalist Stephan Templ sitzt seit Anfang Oktober in der Justizanstalt Wien-Simmering seine einjährige Haftstrafe ab. Der Historiker hatte bei der Restitution eines herrschaftlichen Gebäudes in Wiener Rathausnähe (das ehemalige Sanatorium Fürth) für seine Mutter einen Anteil im Wert von 1,1 Millionen Euro erwirkt und dabei die Existenz seiner Tante verschwiegen. Obwohl das Strafgericht die Tante nicht als Privatbeteiligte anerkannt und die Republik sich nicht für geschädigt erachtet hat, wurde das als Betrug gewertet.

Die Haftstrafe für den jüdischen Autor bescherte Österreich international negative Schlagzeilen. Und seit Templ im Gefängnis sitzt, steht der österreichische Strafvollzug in der Auslage.

Gefängnis-Tagebuch der Schande
APA18715796_06062014 - WIEN - ÖSTERREICH: Journalist Stephan Templ am Freitag, 6. Juni 2014, vor Beginn der Berufungsverhandlung wegen schweren Betrugs an der Republik Österreich im Oberlandesgericht Wien. Die Staatsanwaltschaft hatte Templ vorgeworfen, in einem Restitutionsantrag nur seine Mutter angegeben und seine ebenfalls erbberechtigte Tante verschwiegen zu haben. FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Das hindert die Gefängnisverwaltung offenbar nicht, jedes negative Klischee zu erfüllen, das man sich landläufig vom Leben hinter Gittern macht. Der KURIER zitiert aus dem Gefängnis-Tagebuch von Stephan Templ die beschämendsten Einträge:

5. Oktober

In den ersten drei Tagen nach Strafantritt bekam der jüdische Häftling kein koscheres Essen, weil er über eine Bestätigung der Israelitischen Kulturgemeinde erst nachweisen musste, dass er Jude ist. Der Stockchef jener Abteilung, auf welcher Templ zunächst untergebracht war, ist Mitglied der blauen Gewerkschaftsfraktion der Justizwache. Templ schreibt, er sei von dem Mann schikaniert worden.

10. Oktober

Nach dem ersten Besuch seiner Lebensgefährtin „wurde ich aus einer Gruppe von 40 Häftlingen (die Hälfte davon drogenabhängig) als Einziger zur Ganzkörperperlustrierung (komplettes Ausziehen, Anheben des Hodensackes) ausgewählt“, hält Templ weiter fest.

Der vom KURIER damit konfrontierte General Josef Schmoll von der Generaldirektion für den Strafvollzug erklärt, es würden Stichproben gemacht, um Drogenschmuggel zu verhindern. Die Stichprobe traf ausgerechnet Stephan Templ, der noch nie mit Drogen zu tun hatte.

13. Oktober

In der Nacht wurde Templ (seinen Angaben nach) in der Zwei-Mann-Zelle von seinem Mithäftling mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Dieser soll Templ zuvor bei Fernseh-Berichten zum israelisch-arabischen Konflikt als „Faschisten und Nazischwein“ beschimpft haben, worauf Templ erwiderte, er solle den Mund halten. Der Faustschlag war offenbar die Revanche des Zellengenossen.

Die Häftlinge wurden getrennt. Das heißt: Templ musste in eine kleinere Zwei-Mann-Zelle umziehen, der mutmaßliche Schläger durfte bleiben. General Schmoll bestätigt eine Auseinandersetzung zwischen den Häftlingen und verweist im übrigen auf beengte Platzverhältnisse angesichts der österreichweit überfüllten Gefängnisse. Man habe aus anderen Justizanstalten Insassen übernehmen müssen.

Für ein kürzlich von Justizminister Wolfgang Brandstetter eröffnetes Justizwachemuseum in der Justizanstalt Simmering mit 300 Exponaten auf 140 Quadratmetern, die den Strafvollzug bis ins Jahr 1850 dokumentieren, scheint der Platz zu reichen.

16. Oktober

An einem Freitag wollte Templs Anwalt Christian Leskoschek gegen 11.30 Uhr mit seinem Mandanten sprechen. Das wurde ihm mit der Begründung verwehrt, in der Anstalt sei bereits die Nachtruhe (!) eingetreten.

23. Oktober

Stephan Templ hat endlich eine Einzelzelle. Er freut sich, „nur die Nächte sind unangenehm“, schreibt er im Tagebuch. Er werde jede Nacht mehrmals geweckt, weil das Licht im Haftraum von außen eingeschaltet werde.

In der Strafvollzugsverwaltung wird die Maßnahme damit begründet, dass man die Kontrolle behalten und Suizide in Gefängnissen verhindern müsse.
Von einer Suizidgefahr ist bei Stephan Templ nichts bekannt. Fortsetzung folgt.

Kommentare