Vorgehen von Staatsanwältin wird in St. Pölten geprüft
Ob eine außer Dienst gestellte Staatsanwältin der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und Korruption (WKStA) im Zusammenhang mit der Causa Aliyev zwei Beamte des Bundeskriminalamts zur Preisgabe von Amtsgeheimnissen angestiftet hat (der KURIER berichtete), wird nicht mehr von der Staatsanwaltschaft Wien geprüft. Das teilte die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien am Freitag mit.
Wie OStA-Sprecher Michael Klackl auf APA-Anfrage erklärte, ist für die gegen die öffentliche Anklägerin und die zwei Polizisten geführten Ermittlungen nunmehr die Staatsanwaltschaft St. Pölten zuständig. Hintergrund dürfte sein, dass die OStA damit dem Anschein einer möglichen Befangenheit entgegen wirken möchte: Die ins Visier der Justiz geratene Staatsanwältin hatte ihre Karriere bei der Wiener Anklagebehörde begonnen, ehe sie von der Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner (LGP) abgeworben wurde, welche seit Jahren ein Mandat des kasachischen Opfervereins "Tagdyr" innehat. Der Verein vertritt die Interessen der Witwen zweier kasachischer Banker, die angeblich im Auftrag des vormaligen kasachischen Botschafters in Wien und Ex-Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbayev, Rakhat Aliyev, entführt und ermordet worden sein sollen.
Wechselnde Fronten
Bei LGP wurde die Juristin offenbar gezielt für die Causa Aliyev eingesetzt, wobei ihre Kontakte als Ex-Staatsanwältin zum Bundeskriminalamt eine vermutlich nicht unwesentliche Rolle gespielt haben dürften. Es steht der Verdacht im Raum, sie könnte versucht haben, die ihr bekannten Beamten "anzuzapfen", um an der Amtsverschwiegenheit unterliegende Informationen - etwa den Wohnort und Adressen des damals noch auf freiem Fuß befindlichen Aliyev, der erst im Juli 2014 in U-Haft genommen und Ende Februar erhängt in seiner Zelle aufgefunden wurde - zu gelangen. Allzu lange war die Juristin allerdings nicht für LGP tätig - sie wechselte wieder die Fronten und heuerte schließlich bei der WKStA als "Korruptionsjägerin" an. Dass nun gegen sie ermittelt wird, ist für ihren ehemaligen Arbeitgeber Gabriel Lansky ein "Pseudoskandal".
Ob der Ermittlungsakt tatsächlich schon in St. Pölten angelangt ist, erscheint fraglich. Aliyevs ehemaliger Rechtsvertreter Klaus Ainedter, der nun die Interessen der Angehörigen des vermutlich - eine offizielle, amtlich beglaubigte Todesursache steht nach wie vor aus - durch Selbstmord aus dem Leben geschiedenen Aliyev vertritt, versicherte am Freitagnachmittag der APA, ihm sei für kommenden Montag Akteneinsicht gewährt worden - allerdings bei der Staatsanwaltschaft Wien.
Verdacht gegen Spitzenbeamten
Die Staatsanwaltschaft St. Pölten muss auch prüfen, ob gegen den ehemaligen Spitzenbeamten im Justizministerium, Roland Miklau, strafrechtlich vorgegangen wird. Miklau war jahrzehntelang Leiter der Sektion für Straflegislative. Nach seiner Pensionierung heuerte er in der Kanzlei Lansky an - und wurde offenkundig gezielt auf den Fall Aliyev angesetzt. Unter anderem sprach Miklau mehrfach bei seinem Nachfolger, Sektionschef Christian Pilnacek, vor und kontaktierte auch den damaligen Leiter der Geldwäsche-Meldestelle, Josef Mahr, um die Ermittlungen gegen Aliyev zu beschleunigen, internes Behördenwissen zu erlangen und die Erlassung eines Europäischen Haftbefehls anzuregen.
Wie OStA-Sprecher Klackl gegenüber der APA darlegte, soll die St. Pöltner Strafverfolgungsbehörde herausfinden, ob es einen "hinreichend begründeten Anfangsverdacht" gibt, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Miklau legitimiert. Klackl bestätigte in diesem Zusammenhang, dass die OStA in der vergangenen Woche ein von anonymer Seite zugeschicktes Konvolut mit Unterlagen erhalten hat. Aus diesem Material könnten sich in Bezug auf Miklau "neue Teilaspekte ergeben", sagte Klackl.
"Weiterführender Dialog"
Teile dieser Unterlagen liegen auch der APA vor. Unter anderem lässt sich anhand dessen belegen, dass Miklau einen Entwurf einer vorgeblich von der kasachischen Botschaft in Wien stammenden, ans österreichische Justizministerium gerichteten Verbalnote abgesegnet hat. Inhaltlich ging es dabei um das von Kasachstan betriebene Auslieferungsverfahren gegen Aliyev, dem Österreich ablehnend gegenüberstand. In der gegenständlichen Verbalnote wird namens des kasachischen Außenministeriums hinsichtlich dieser Frage ein "weiterführender Dialog" angeregt.
Entworfen hatte diese Verbalnote - unabhängig davon, ob und in welcher Form sie verwendet wurde, - eine Mitarbeiterin der Kanzlei Lansky, die das Papier "mit der Bitte um abschließende Durchsicht und Anmerkungen" per Mail an Miklau übermittelte und den pensionierten Sektionschef wissen ließ: "Als Vorlage habe ich mir die Verbalnote so genommen, wie diese immer von der Botschaft macht werden."
Exakt 28 Minuten später reagierte Miklau. "Für mich ebenfalls okay", mailte er der Lansky-Mitarbeiterin zurück.
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