Ausbildung in Terror-Camp: Schuldspruch für Wiener

21 Monate unbedingte Haft für Beteiligung an terroristischer Vereinigung - Urteil nicht rechtskräftig.

Ein 21-jähriger Mann ist am Dienstagnachmittag im Wiener Straflandesgericht in einem reinen Indizienprozess wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung schuldig gesprochen und zu 21 Monaten unbedingter Haft verurteilt worden. Ein Schöffensenat erachtete es als erwiesen, dass sich der junge Mann im vergangenen Sommer in ein Terror-Camp im syrisch-türkischen Grenzgebiet begeben hatte - der Kurier berichtete.

Der Angeklagte habe sich der radikal-islamistischen Al-Nusra-Front angeschlossen und nördlich von Aleppo "zumindest eine ideologische Schulung und eine Grundausbildung in Waffenkunde erhalten", stellte der vorsitzende Richter Norbert Gerstberger in der Urteilsbegründung fest. Obwohl es dafür keine eindeutigen Beweise gebe, reiche die Indizienkette aus, um dem 21-Jährigen auf Basis dessen eine wissentliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nachzuweisen, wobei diese "am untersten Rand" angesiedelt gewesen sei, stellte Gerstberger fest. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Verteidiger meldete umgehend Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Die Staatsanwältin legte Strafberufung ein.

Der junge Mann war Anfang Dezember 2013 am Flughafen Wien-Schwechat festgenommen worden, als er nach einer rund halbjährigen Abwesenheit wieder nach Österreich zurückkehrte. Er war im Juni plötzlich von der Bildfläche verschwunden, ohne dass seine Angehörigen etwas von seinem Verbleib wussten.

Besuch im Salafisten-Zentrum

Nachdem die Eltern eine Abgängigkeitsanzeige erstattet und berichtet hatten, ihr Sohn habe regelmäßig die Altun-Alem-Moschee in Wien-Leopoldstadt besucht, schaltete sich das Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) in die Ermittlungen ein. Grund: Besagte Moschee gilt als Salafisten-Zentrum. Der dort tätige Imam predige eine strenge Form des Islam und rufe zum bewaffneten Kampf gegen "Ungläubige" auf, wobei speziell der syrische Machthaber Bashar al-Assad als Gegner angesehen werde, hatte Staatsanwältin Stefanie Schön beim Prozessauftakt gegen den 21-Jährigen Ende März erklärt.

Dieser - ein gebürtiger Türke - war im Alter von acht Jahren mit seinen Eltern und mehreren Geschwistern nach Österreich gekommen. Er absolvierte die Schule und anschließend eine Lehre als Maler und Anstreicher. Er galt als gut integriert. Brüder des Burschen berichteten nach dessen Verschwinden jedoch der Polizei, dieser habe sich zuletzt sehr verändert, sich regelmäßig bis weit nach Mitternacht in der Moschee befunden, einen Bart und einen Kaftan getragen und den Eltern das Fernschauen verboten, weil dort spärlich bekleidete Frauen zu sehen seien.

Nach Erkenntnissen der Strafverfolgungsbehörden gelangte der junge Mann über Ungarn und die Türkei in ein Terror-Camp an der syrischen Grenze. Dort soll er im Juli bei der radikalislamistischen Al-Nusra-Front geschult worden sein, ehe er jedenfalls am 9. September wieder in die Türkei reiste, um - wie Fotos belegten - an einer Hochzeit teilzunehmen.

Brisante Aussagen auf Facebook

Die Terror-Anklage gegen den 21-Jährigen beruhte vor allem auf Aussagen von Brüdern und einem Freund des Mannes, mit denen er im fraglichen Zeitraum über Skype und Facebook Kontakt hatte. Diesen teilte er unter anderem mit, er befinde sich in Syrien und lasse sich "zum Kampf ausbilden". Er nannte in diesem Zusammenhang auch Al-Nusra, die als verlängerter Arm von Al-Kaida gilt.

Dabei habe es sich um "unbedachte Aussagen, jugendliche Prahlerei" gehalten, hielt dem Verteidiger Georg Haunschmidt entgegen. Sein Mandant habe in Wahrheit nie syrischen Boden betreten und keinen Kontakt zu Terroristen gehabt. Der 21-Jährige selbst hatte in seiner ausführlichen Beschuldigteneinvernahme erklärt, er habe Schwierigkeiten mit seinen Eltern gehabt und daher eine Schwester seiner Mutter im Nordosten der Türkei besucht: "Ich wollte auf Urlaub gehen. Ich wollte mich ein bisschen erholen." Er habe das türkische Staatsgebiet nie verlassen.

Die Metamorphose war zuerst nach außen sichtbar: Osman K., 20, ein Österreicher mit türkischen Wurzeln, trug plötzlich einen Kaftan und einen langen Rauschebart. Er betete fünf Mal täglich in der bei Salafisten beliebten Altun-Alem-Moschee, untersagte seiner Familie das Fernsehen, weil „Frauen nackt zu sehen sind“.

Am 20. Juni des Vorjahres war er weg. Heimlich hatte er sich etwas von seinem Lehrlingsgeld zurückgelegt. Sein Reisepass fehlte. Als er am 3. Dezember wieder einreiste, nahmen ihn Verfassungsschützer fest.

Wo war er in dieser Zeit? Wie einige junge Europäer mit moslemischem Hintergrund in einem Terror-Camp in Syrien, glaubt die Staatsanwältin. Kann sie es beweisen, dann drohen ihm sechs Monate bis zehn Jahre Haft (Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung; § 278b). Daran haperte es am ersten Prozesstag vor einem Schöffensenat im Wiener Straflandesgericht. Zwar sicherte man Chat-Nachrichten, in denen K. über seine Syrien-Mission offen plauderte. Doch der letzte Beweis, dass er wirklich dort war, scheint zu fehlen.

Brüder und Freunde recherchierten auf eigene Faust, wo er geblieben sein könnte. "Sei froh, dass er in Syrien kämpft", hieß es in einer Wiener Moschee. Daraufhin schalteten sie die Behörden ein.

K. war dem Einfluss seiner Familie schleichend entglitten. Ein Bruder umschrieb es so: "Seine Glaubensbrüder waren ihm wichtiger als wir." Er blieb immer länger weg – für das Nachtgebet. Ein Mal begleitete ihn einer seiner Brüder in den Gebetsraum: "Das war eine Gehirnwäsche. Die redeten nur vom Krieg", erzählte er später den Beamten.

Das passte ins Bild, das Verfassungsschützer vom Gebetshaus im zweiten Bezirk hatten. Ein Prediger rufe dort , so hielten sie es in einem Bericht fest, dazu auf, in Syrien am Krieg teilzunehmen.

K. stritt alles ab – selbst strafrechtlich irrelevante Dinge. Sein einst langer Rauschebart, ein Markenzeichen für Islamisten, habe "nichts mit meiner religiösen Einstellung zu tun".

Facebook-Chat

Der 20-Jährige erzählte die Geschichte eines jungen Erwachsenen, der gegen das strenge Elternhaus protestierte. Deshalb sei er in seine Heimat in die Türkei "abgehaut", um "Urlaub zu machen". Seine Schilderungen über Syrien tat er als Prahlerei ab. Die Dialoge in seinem Facebook-Chat lassen aber kaum Interpretationsspielraum:

Ein Freund fragt: "Wann werden wir dein Gesicht wiedersehen?"

Antwort: "Im Jenseits."

Danach fragt derselbe: "Reist du heute nach Syrien?"

Der 20-Jährige: "Ja" .

Sogar welche Terror-Schule er sich ausgesucht haben soll, geht daraus hervor. Er brachte den Namen Al-Nusra-Front ins Spiel. Auf die Gegenfrage, ob das ein El-Kaida-Ableger sei, antwortete er mit einem Smiley. Ein Verwandter, der via Skype mit K. kommunizierte, hielt fest: "Ich habe ihm eine Anleitung geben müssen, weil alles auf Arabisch war."

Für K. war dies "nur ein Spaß. Ich wollte sehen, wie sie reagieren."

Verhalten reagierten Verwandte und ein Freund vor Gericht. Von ihren bereitwilligen Angaben vor den Verfassungsschützern blieb nichts übrig. Ein Bruder gab an, maßlos übertrieben zu haben, ein Freund führte seine Erstaussage auf "psychische Probleme" zurück..

Verteidiger Georg Haunschmidt sprach von einem "Indizienprozess" und von "jugendlicher Prahlerei", die seinen Mandanten auf die Anklagebank gebracht habe. "Es fehlt der direkte Nachweis, dass er in Syrien war."

Der Prozess wurde auf den 13. Mai vertagt. Ein Onkel und eine Tante, die K. während seines angeblichen Türkei-Aufenthalts beherbergt haben sollen, sind dann im Zeugenstand.

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