Allergene: Erste Wirte werden gestraft

80 Inspektoren des Marktservice kontrollieren, ob Wiener Wirte die Verordnung richtig umsetzen.
Seit Dezember müssen Wirte vor Allergenen warnen. Einige ignorieren das Gesetz noch immer.

Nichts. Keine Buchstaben neben den Speisen, keine Legende am Ende der Speisekarte, keine Kellner, die über die Inhaltsstoffe der Gerichte aufklären konnten. Vier Wiener Gastronomiebetriebe – vom Straßenstand bis zum Restaurant – wurden vergangene Woche angezeigt, weil sie die Allergenverordnung ignorieren. Ihnen drohen Strafen zwischen 250 und 350 Euro – und weitere Kontrollen.

Seit Dezember 2014 müssen Gastronomen laut EU-Verordnung 14 verschiedene Allergene in Speisen und Getränken kennzeichnen. Seit 1. April werden Wiener Wirte, die sich nicht an diese Regelung halten, bestraft. 80 Lebensmittel-Inspektoren des Wiener Marktamts mit neuem, offiziellen Namen Marktservice sind dafür im Einsatz. Laut diesem zeigen sich rund zehn Prozent der Gastronomen noch uneinsichtig.

Angelika Widhalm glaubt, dass es noch mehr sind. Widhalm ist Präsidentin des Vereins "FruLak & Co" für Menschen mit Nahrungsmittelallergien. Seit vergangenen Dezember waren Vereinsmitglieder als "Mystery Shopper" in der Stadt unterwegs. 100 Lokale haben sie besucht. Widhalms Fazit: "30 Prozent der Wirte sind vollkommen ignorant." In einer Konditorei in der Innenstadt wurde ihr mitgeteilt, sie soll dienstags wiederkommen; dann sei die Kellnerin da, die Auskunft geben könne. Ein anderer Wirt erklärte ihr: "Wenn Sie das auch noch wissen wollen, sind sie bei mir im falschen Lokal."

Allergene: Erste Wirte werden gestraft
Margarete Rothaug-Pasteiner betreibt gemeinsam mit ihrer Tochter Franka das Allergiker Cafe in der Wiedner Hauptstraße 35. Die Produkte sollen ohne künstliche Aromen und Geschmacksverstärker auskommen.
Dass die Kennzeichnung der Allergene von Wienern sehr wohl gewünscht wird, zeigt sich jedoch im Allergikercafé in der Wiedner Hauptstraße 35. Franka Rothaug und ihrer Mutter bieten hier Streuselkuchen ohne Gluten und Laktose, glutenfreies Bier und histaminarmen Sekt an. Franka Rothaug: "Etwa die Hälfte der Gäste haben Nahrungsmittelallergien oder -unverträglichkeiten."Aufklärung gefordertBesonders ärgert "FruLak"-Chefin Angelika Widhalm, dass die Bevölkerung nicht richtig aufgeklärt wird. "Viele denken sich: Was soll der Blödsinn? Denen wollen wir helfen – wenn es sonst niemand tut." Deshalb bietet der Verein jeden dritten Dienstag im Monat ab 18 Uhr Infoabende (4., Klagbaumgasse 3) an.

Die Wienerin Susanne K. hat die Informationsabende bereits des Öfteren besucht. Ihre fünfjährige Tochter ist Laktose-intolerant. Seit ihrem ersten Lebensjahr bekommt sie von Milchprodukten Hautausschlag, Bauchschmerzen und Durchfall. Susanne kocht deshalb täglich das Mittagessen für den nächsten Tag vor. Ihre Tochter besucht den Kindergarten; Menüs für Allergiker gibt es dort aber nicht. "Wieso eigentlich nicht? Es gibt ja auch ein Menü für Vegetarier? Weshalb keines ohne Milch?", fragt Susanne. Schließlich seien nur etwa neun Prozent der Österreicher Vegetarier. Ein Viertel leidet an Laktoseintoleranz. Zumindest Restaurants besucht Susanne mit ihrer Tochter wieder. "Ich muss nur aufpassen, dass sie nichts isst, wo ein ,G‘ danebensteht."

Mit 13. Dezember 2014 trat eine EU-Verordnung in Kraft, nach der insgesamt 14 Stoffe in Speisekarten gekennzeichnet werden müssen. Sie sind für einen Großteil aller Allergien und Unverträglichkeiten verantwortlich. Fünf Fragen und Antworten zur neuen Regelung.

Was änderte sich durch die Verordnung?

Überall dort, wo offene Lebensmittel angeboten werden, müssen seit 13. Dezember 14 Allergene ausgewiesen werden. Das betrifft Speisekarten von Gastronomiebetrieben, Würstelständen, Feinkostläden, Eissalons sowie Anbieter loser Ware, etwa Bäckereien. Auch in Kantinen, Schulen und Krankenhäusern müssen die 14 Stoffe gekennzeichnet sein. Alternativ können Konsumenten auch mündlich über Inhaltsstoffe informiert werden.

Wie werden die allergenen Stoffe ausgewiesen?

Es gibt keine Vorgaben, wie die Angaben erfolgen müssen. Das Gesundheitsministerium empfiehlt Buchstabencodes. Ein Beispiel: Das Wiener Schnitzel findet sich laut Empfehlung mit dem Zusatz „A“ und „C“ auf der Speisekarte. Diese beiden Buchstaben kennzeichnen künftig Gluten und Ei in Speisen. Die Inhaltsstoffe können aber auch ausgeschrieben werden.

Wie stellen Gastronomen die Inhaltsstoffe der Speisen fest?

Die WKÖ geht davon aus, dass Betriebsinhaber aufgrund ihrer Konzession über das notwendige Wissen verfügen. Auf eigene Kosten kann ein Experte der WKÖ eingeladen werden, der die Stoffe auf der Speisekarte identifiziert. Darüber hinaus gibt es unterschiedliche Dienste, die Gastronomen nutzen können, um ihr Angebot richtig zu kennzeichnen. Dazu zählen etwa eine kostenlose Online-Rezept-Plattform für WKÖ-Mitglieder und die Web-Anwendung FoodNotify, die eine Eingabe von Rezepturen ermöglicht und im Anschluss fertige Speisekarten inklusive korrekter Allergen-Kennzeichnung ausdruckt.

Müssen Privatpersonen ihre Mehlspeisen z.B. bei Schulfesten auch kennzeichnen?

Privatpersonen, die Mahlzeiten beispielsweise bei Wohltätigkeitsveranstaltungen servieren oder verkaufen, sind von der Verordnung ausgenommen. Auch bei Feuerwehrfesten dürfen nach wie vor Lebensmittel, die von Privatpersonen hergestellt wurden, ohne Kennzeichnung verkauft werden. Das Mitbringen von Kuchen zu einem Schulfest ist ebenfalls ausgenommen. Anders die „tägliche Jause“, die manche Elternvereine für Schüler organisieren und statt eines Schulbuffets anbieten – sie müssen allergene Stoffe kennzeichnen.

Was ist der Unterschied zwischen Allergie und Unverträglichkeit?

Symptome, die nach dem Konsum von Lebensmitteln auftauchen, können verschiedene Ursachen haben. Nur ein geringer Teil der Betroffenen leidet an einer echten Nahrungsmittelallergie. Schon kleine Mengen können dann zum Teil schwere Symptome auslösen. Bei einer Unverträglichkeit ist die Reaktion dosisabhängig, die individuellen Grenzwerte sind sehr unterschiedlich. Bei erheblichen Problemen sollte ein Arzt aufgesucht werden.

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