Drei Partikel und ein Gummi-Paragraf am Pranger

Josef S. im Straflandesgericht Wien.
Josef S. könnte zum Verhängnis werden, dass er bei der Demo war. Derzeit ist das strafbar, Reform fix.

Josef S. ist in der linken Szene ein Star. Auf sozialen Netzwerken zeigen sich Unterstützer mit Solidaritätsplakaten, und auf einer WC-Tür des Wiener Landesgerichts ist "Free Josef" zu lesen. Als der 23-jährige Deutsche am Montag an einer Menschentraube am Gang vorbeigeführt wird, brandet Applaus auf.

Von S. existieren zwei Bilder: Jenes aus der Heimat Jena, in der er als fleißiger Student der Werkstoffkunde auffiel und vom Oberbürgermeister für sein Engagement gegen Rechtsextremismus geehrt wurde. Ein konträres Bild zeichnet der Staatsanwalt, der ihn als Rädelsführer des Schwarzen Blocks ausgemacht hat. Jene Gruppe griff am 24. Jänner im Zuge der Demos gegen den von der FPÖ veranstalteten Akademikerball Polizisten, eine Inspektion und Geschäfte an. S., angeklagt wegen Landfriedensbruch, schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung, streitet all dies ab. Seit 24. Jänner sitzt er in U-Haft.

Ob S. jener Unbekannte war, der eine Rauchbombe in ein demoliertes Polizeiauto warf, ließ sich nicht eindeutig sagen. Eine Gutachterin, die nach beim Zündvorgang freigesetzte Nitritpartikel suchte, fand drei auf S.’ rechtem Handschuh, aber keine auf der Kleidung. Mit "hoher Wahrscheinlichkeit" sei Pyrotechnik gezündet worden. Eine Verfrachtung der Spuren konnte sie aber nicht ausschließen.

Einem als Zeugen geladenen Fotografen lief S. nicht vor die Linse. Zu sehen ist S. jedoch auf Videos des ORF – aber weder beim Steinwurf auf einen Polizisten noch bei der Demolierung von Polizei-Infrastruktur, wie es ein Polizist in Zivil erneut ausgesagt hat. Zu sehen ist auf dem Video, dass S. in der ersten Reihe fußfrei anwesend war. Das reicht, um sich dem Vorwurf des Landfriedensbruchs auszusetzen, der schon erfüllt ist, wenn man bei gewalttätigen Protesten dabei ist. Lange Zeit totes Recht, wird er nun exzessiv angewendet: Am Mittwoch gegen Rapid-Fans, im August gegen einen zweiten Demonstranten.

Wie beim Tierschützerprozess, der eine Änderung des "Mafia-Paragrafen" zur Folge hatte, steht ein Gummi-Paragraf am Pranger. Von "Missbrauchsanfälligkeit" spricht der Grüne Albert Steinhauser. Wer protestiere, stehe mit einem Bein im Kriminal. Eine Reform scheint fix – für 2015. Für Josef S. ist das im Fall einer Verurteilung zu spät. Ein Urteil soll am Dienstag fallen.

Bilder von der Demo im Jänner:

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