Ärztefunkdienst: Mediziner wollen dreifaches Honorar
Sie fahren zu den Patienten, wenn alle Ordinationen geschlossen haben: 140 Allgemeinmediziner sind in den Nachtstunden sowie am Wochenende für den Ärztefunkdienst ( 141) im Einsatz. Allein im Vorjahr führten sie fast 64.000 Hausbesuche durch. Doch das bewährte System gerät ins Wanken, warnt die Wiener Ärztekammer: "2005 hatten wir noch 170 Ärzte im Funkdienst. Mit der jetzigen Zahl haben wir bereits Mühe, die Versorgung aufrechtzuerhalten", sagt Kammer-Vizepräsident Johannes Steinhart.
Hauptverantwortlich für den Medizinerschwund sei die geringe Entlohnung. Ein Funkdienst-Arzt bekomme für seine Nachtarbeit eine Pauschale, die einem Stundenlohn von lediglich 38,68 Euro entspricht. Dazu kommt laut Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) allerdings noch eine Gebühr von 26,40 Euro pro besuchtem Patient. Zusammen ergibt das laut Schätzungen der Kasse einen Stundenlohn von etwa 55 Euro. "Selbstfahrer", die mit ihrem eigenen Auto unterwegs sind, kommen auf etwas mehr als 70 Euro. Zum Vergleich: Jene Ärzte, die die Wochenend-Kinderambulanz im AKH betreuen, erhalten einen Stundenlohn von 100 Euro. Dasselbe Honorar fordert die Ärztekammer von der Gebietskrankenkasse für den Ärztefunkdienst, um den Job wieder attraktiver zu machen – bisher allerdings erfolglos.
Die Personalknappheit habe laut Steinhart dazu geführt, dass zuletzt zwei erfolgreiche Pilotprojekte eingestellt werden mussten: Im zweiten Halbjahr 2013 war ein Funkdienst-Arzt der Leitstelle der Wiener Rettung zugeteilt. Er beriet Patienten direkt am Telefon und entschied über die Zuweisung in die passende Gesundheitseinrichtung. "Auf diese Weise konnten monatlich durchschnittlich 450 Rettungsfahrten vermieden und die Kosten dafür eingespart werden", sagt Steinhart. Selbst wenn man das Honorar auf 100 Euro erhöhen würde, ließen sich mit diesem Service bis zu 3,7 Millionen Euro pro Jahr einsparen.
Millionen-Einsparung
Ebenfalls eingestellt wurde vor wenigen Monaten eine Kooperation mit den Pensionisten-Wohnhäusern: Seit 2010 versorgte ein in der Geriatrie erfahrener Funkdienst-Arzt vorrangig die dortigen Patienten. "Durch dieses Projekt konnten jährlich mehr als zwei Millionen Euro an Transport- und Spitalskosten eingespart werden", rechnet Steinhart vor. "Das fällt jetzt ersatzlos weg. Es geht aber auch um die bessere Versorgungsqualität der Patienten." Laut Steinhart wären für eine optimale Grundversorgung zumindest wieder 170 Funkdienst-Ärzte notwendig. Um auch Zusatz-Projekte wie jenes mit der Rettung schultern zu können, bräuchte es sogar mehr als 200.
Bei der WGKK verweist man auf anstehende Verhandlungen über den Gesamtvertrag, wo auch der Ärztefunkdienst Thema sein wird. "Die Forderung würde aber fast eine Verdreifachung des Honorars bedeuten. Das wird niemand zahlen können", sagt Direktor Andreas Obermaier. Außerdem: Rettung und Pensionisten-Häuser werden von der Stadt finanziert. Die Kasse würde von Einsparungen aus dem Ärztefunkdienst nicht profitieren.
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