Zahnloses Gesetz für Barrierefreiheit

Zahnloses Gesetz für Barrierefreiheit
Klagsverband hilft beim Kampf um Schadenersatz, Beseitigung der Barriere kann aber nicht erzwungen werden

Vor sieben Jahren hat sich Österreich im Rahmen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet, im gesamten gesellschaftlichen Leben für Barrierefreiheit zu sorgen. Passiert ist wenig bis nichts, wie Volker Frey vom Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern konstatiert.

Benachteiligte können zwar nach dem Gleichbehandlungsgesetz Schadenersatzklage einbringen. „Am Schluss wird ihnen dann aber eine lange Nase gedreht“, sagt Jurist Frey, denn eine Beseitigung der Barriere können sie damit nicht erzwingen.

Diese Erfahrung musste auch ein querschnittgelähmter junger Oberösterreicher machen. Seine Eltern kauften ihm in einer neu errichteten Wohnanlage eine behindertengerechte Wohnung, in der er auf keine fremde Hilfe angewiesen sein sollte. Als er den Wohnungsschlüssel bekommt, kann er nicht einmal in das Haus hinein. Die Eingangstür lässt sich vom Rollstuhl aus nicht öffnen. Außerdem ist der Treppenlift nicht zu gebrauchen, weil zu wenig Platz für die Auf- und Abfahrt konzipiert wurde. Entgegen den Empfehlungen des Liftherstellers hat sich der Bauträger für ein Modell entschieden, das zwar der ÖNORM für Lifte entspricht, auf die für einen Rollstuhl notwendigen Freiflächen aber verzichtet. Von einem selbstbestimmten Leben für den Wohnungseigentümer also keine Spur.

Der Klagsverband begleitete den Rollstuhl-Fahrer zwei Jahre durch den Prozess gegen den Bauträger, dann einigte man sich auf einen Vergleich: Der Behinderte wurde mit 2000 Euro Trostpflaster abgespeist.

Inzwischen gibt es für die Haustür eine automatische Öffnung, das Lift-Problem aber blieb ungelöst. Der Bauträger kann nicht zum Umbau gezwungen werden.

Abgewiesen

Ein blinder Linzer bekam nicht einmal Entschädigung, geschweige denn dass der Missstand behoben wurde. Er ist bei der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel auf akustische Signale angewiesen. Beim Bau einer neuen Straßenbahnlinie wurde auf diese Anlage jedoch verzichtet. Die Klage des Blinden wurde in zwei Instanzen abgewiesen, daraufhin richtete er eine Beschwerde an das UN-Behindertenrechtskomitee. Von dort kam eine deutliche Aufforderung an Österreich, die Behindertenkonvention umzusetzen. Sanktionen sind damit keine verbunden.

Laut Volker Frey mangelt es bei Umsetzung der baulichen Barrierefreiheit auch am einheitlichen Standard. In Österreich gibt es neun verschiedene Bauordnungen, nach der einen muss es ab dem 2. Stock einen Lift fürs ganze Haus geben, nach der anderen erst ab der 4. Etage.

Kritisiert wird vor allem die Zahnlosigkeit des Gleichbehandlungsgesetzes, mit dem keine Beseitigung von Barrieren durchsetzbar ist. Im Sozialministerium wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die über Vorschläge zur Evaluierung berät.

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