Viele Ausreisen ohne (?) Wiederkehr

Durch einen Polizei-Kordon werden die Abzuschiebenden in das Flugzeug gelotst.
Zwei Drittel aller Asylanträge werden negativ beschieden. Das Innenministerium bereitet eine breit angelegte Abschiebe-Operation vor.

Donnerstag, 10 Uhr 30, am östlichen Teil des Flughafens Wien-Schwechat: Den Raum zwischen einer Turboprop-Maschine und dem Flughafenbus sichert ein Kordon von Polizisten. Sie sollen verhindern, dass die Passagiere im letzten Moment aufs Flugfeld abbiegen. Beobachtet wird die Szene von zwei Vertretern der Volksanwaltschaft. Denn es handelt sich um Migranten, die nach Bulgarien abgeschoben werden.

Diese Szenen werden sich künftig häufen. Denn die Abschiebungsmaschinerie des Innenministeriums läuft auf Hochtouren. Heuer wurden bereits doppelt so viele Menschen außer Landes gebracht wie im vergangenen Jahr. Unter Einsatz der letzten Personalreserven will Innenministerin Johanna Mikl-Leitner diese Zahl noch steigern.

Terminal 240

Das Abschiebungsprozedere ist für Chefinspektor Thomas Knotzer und seine Truppe vom "Terminal 240" bereits Routine. Es handelt sich dabei nicht um einen regulären Terminal, sondern um die Codebezeichnung einer Polizeidienststelle für so genannte "grenzdienstbezogene Sonderaufgaben".

Der Ablauf ist eingespielt. Nachdem das Flugzeug geparkt ist, liefert eine Catering-Firma das Bordmenü. Dann wird der Flieger auf gefährliche Gegenstände durchsucht. Anschließend rollt der Flughafenbus an.

Vergangenen Donnerstag waren elf Personen aus Afghanistan und Pakistan zur Abschiebung nach Bulgarien vorgesehen. Die ungarische Polizei lieferte ebenfalls vier Personen dazu. Kein Abzuschiebender ist gefesselt, jeder hat aber zwei Begleiter. Die Polizisten tragen keine Uniformen, sondern Westen mit der Aufschrift "Escort".

"Wir wollen den Menschen keinen Stress bereiten, sondern den Flug so angenehm wie möglich gestalten", erklärt Knotzer. "Es sind ja großteils keine schlechten Menschen, die wir transportieren." Was er damit sagen will: Auch bei Wirtschaftsflüchtlingen handelt es sich um Opfer. Denn sie wurden von Schleppern belogen und ausgebeutet – was aber noch immer kein Recht bedeutet, hier zu bleiben. Die Polizisten wissen, dass sich Pakistani und Afghanen üblicherweise widerstandslos in ihr Schicksal fügen. Nur bei bestimmten Flügen nach Afrika kommt es ab und an zu Zwischenfällen.

Schlechte Karten

Die Passagiere stiegen am Donnerstag ruhig in den Flieger. Nur ein junger Pakistani winkte sichtlich verlegen und rief: "Bye, bye." Falls er damit ein Wiedersehen andeuten wollte, hat er schlechte Karten. Denn die bulgarischen Behörden entscheiden über Asylanträge nach denselben Vorgaben wie die österreichischen. Und hierzulande werden 98 Prozent der pakistanischen Antragsteller als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft.

Und von den heuer bereits 17.473 erledigten Verfahren über alle anderen Antragsteller (von Syrien bis Nigeria) wurden nur 34 Prozent positiv beschieden. Auf die restlichen zwei Drittel wartet daher ebenfalls die staatliche "Escort"-Organisation.

Doppelstrategie

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner fährt eine Doppelstrategie gegen die Migrationswelle.

Zum einen unterstützt sie den EU-Außengrenzschutz an der ungarisch-serbischen Grenze mit Beamten und Wärmebildgeräten. Das hat so nebenher den Vorteil, dass die dort aufgegriffenen Personen nicht in Traiskirchen, sondern bei den serbischen Behörden abgegeben werden.

Gleichzeitig ordnete sie an, alle Personalressourcen der Fremdenpolizei für Abschiebungen nach dem Dublin-Abkommen einzusetzen. Denn für ein gutes Viertel der insgesamt derzeit 42.000 Asylantragsteller sind andere Staaten zuständig. Mikl-Leitner: „Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl konzentriert sich im Verfahren nun vor allem auf die Dublin-Fälle, um Platz zu schaffen. Denn diese Fälle sind von anderen sicheren EU-Ländern zu versorgen und blockieren unser System.“

Insgesamt erfolgten von Jänner bis Juni 4164 sogenannte „Außerlandesbringungen“. Davon wurden 1745 Personen zwangsweise abgeschoben, der Rest der Abgewiesenen reiste freiwillig aus. Das bedeutet zwar eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr, ist aber noch immer viel zu wenig: Denn diese Zahl wird derzeit innerhalb von nur zwei Wochen von den Neuzugängen wieder ausgeglichen.

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