Überfüllte Gefängnisse durch Schlepper

Die Polizei nimmt serienweise Schlepper fest, die Richter sperren soviele Schlepper ein wie noch nie – und die Zahl der Verdachtsfälle steigt weiterhin steil nach oben.
Schon zehn Prozent der Insassen sind Schleuser. Der Justizminister will neuen Haftraum schaffen.

Zehn Prozent aller Häftlinge in Österreichs Strafanstalten sind Schlepper. Bei einem Lokalaugenschein in der Justizanstalt Eisenstadt erklärte Justizminister Wolfgang Brandstetter am Sonntag: "Die derzeitige Situation ist eine echte Bewährungsprobe für den Strafvollzug."

Die für 78 Personen dimensionierte Justizanstalt Eisenstadt platzt mit 112 Schlepper-Häftlingen aus allen Nähten. Die Zellen werden doppelt belegt. Häftlinge liegen auf Feldbetten oder auf Matratzen am Boden.

In den vergangenen zwei Monaten kamen in den österreichischen Justizanstalten so viele Schlepper(-verdächtige) in Haft, wie im gesamten Jahr 2014 – nämlich mehr als 200 Menschen.

Sofortmaßnahmen

Justizminister Brandstetter kündigt gegenüber dem KURIER Sofortmaßnahmen an. Unter anderem soll durch Auflösung von budgetären Rücklagen neuer Haftraum geschaffen werden. Den wiederholt erhobenen Vorwurf, dass Schlepper von der Justiz zu schonungsvoll behandelt werden, sieht der Minister anhand der Zahlen widerlegt. Österreichweit sitzen derzeit 729 verdächtige und auch bereits verurteilte Schlepper hinter Gittern – bei 8000 insgesamt einsitzenden Häftlingen wird angesichts der rasch steigenden Zahlen in wenigen Tagen die 10-Prozent-Marke erreicht sein.

Strenge Urteile

Überfüllte Gefängnisse durch Schlepper
71 Menschen starben in diesem Kleinlaster.
Dass die Justiz bei Urteilen und Strafbemessung tatsächlich nicht zurückhaltend ist, zeigt ein Blick in die Praxis – auch in Fällen, wo es sich nicht um typische Berufsschlepper handelt. Ein Österreicher türkischer Abstammung chauffierte eine Flüchtlingsfamilie vom Lager Traiskirchen zum Bahnhof nach Wien, von wo aus sie nach Deutschland weiterreisen wollte. Er bekam dafür 50 Euro. Die Fahrt wurde von der Polizei gestoppt, der Lenker wegen Schlepperei zu drei Jahren Haft verdonnert. Ein anderer Österreicher besorgte einer Flüchtlingsfamilie Zugtickets nach München und bekam dafür eine Stange Zigaretten. Er wurde erwischt und fasste wegen Schlepperei eine mehrjährige Haftstrafe aus.

Ein Nigerianer borgte seinen Reisepass her, damit sich Flüchtlinge ihre Ausreise organisieren konnten und nahm dafür kleine Geldbeträge. Er bekam 18 Monate unbedingte Haft, verlor seine Aufenthaltsgenehmigung, kann aber (kein sicheres Heimatland) nicht abgeschoben werden. Der Bewährungshilfe-Verein Neustart musste ihm, der aus seiner Heimat Schlimmeres gewohnt ist, erst mühsam nahebringen, dass es sich um ein schweres Vergehen gehandelt hat. Inzwischen lebt der Nigerianer gut integriert und arbeitet bei einer Baufirma. Vergangene Woche wurden im Wiener Landesgericht serbische Schlepper-Fahrer am Fließband verurteilt. Sie waren zu Fuß über die Grenze nach Ungarn gekommen und hatten jeweils zwischen elf und 13 Flüchtlinge in Autos mit verdunkelten Scheiben nach Wien gebracht.

Pferdeverkauf

Dass sie entlohnt wurden, dafür gab es keine stichhaltigen Hinweise. Der Richter zog das bei ihnen gefundene Geld – das laut den Angeklagten aus einem Auto- bzw. Pferdeverkauf stammt – und ihre Handys ein. Und er verkündete, dass die Justiz ab kommendem Jahr auch die Autos konfiszieren könne, selbst wenn die Fahrzeuge nicht im Eigentum der Fahrer stünden. Es hagelte auch ohne Beweis einer gewerbsmäßigen Bereicherung Strafen von 16 und 18 Monaten Haft.

Freilich gibt es viele, die sich von kriminellen Vereinigungen zu tatsächlich gewerbsmäßigen Schleppungen anwerben lassen. Einer von ihnen ist der am 23. Juli auf der A21 festgenommene Rumäne David L. Der 26-Jährige hatte 37 Afghanen in einem VW-Kastenwagen von Ungarn nach Österreich transportiert. Bei seiner Rückkehr nach Ungarn sollte er dafür 300 Euro bekommen. Sein Verfahrenshelfer, der Mödlinger Strafverteidiger Johannes Stephan Schriefl, riet ihm zwecks Sammlung von Milderungsgründen zur Kooperation mit den Behörden. Aus Angst um seine Familie war L. aber nur zu wenig konkreten Angaben bereit.

Ein gewisser Bela, ein kleiner stotternder Mann mit großem Bauch, habe ihm telefonisch den Auftrag für einen "Menschentransport" gegeben. Am 22. Juli übernahm L. bei einem Park in Budapest den Kastenwagen. In Österreich fuhr er auf einen Autobahn-Parkplatz.

Erfrischung

"Ich war müde und wollte mir Wasser besorgen, um mich ein wenig erfrischen zu können", gab L. beim Polizeiverhör zu Protokoll. Frage des Vernehmungsbeamten: "Im Laderaum waren auf kleinstem Raum 37 Menschen, darunter auch Frauen und Kleinkinder zusammengepfercht. Wollten Sie auch diesen Leuten eine Erfrischung gönnen?" Antwort: "Mir wurde von meinen Auftraggebern gesagt, dass ich mich für die Leute nicht zu interessieren habe. Deshalb hatte ich nicht vor, die Türen zu öffnen und den Leuten eine Pause zu gönnen." Sein Prozess beginnt in Kürze.

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