Terrorverdächtiger 14-Jähriger in Wien verhaftet
Der seit Dienstag vermisste terrorverdächtige Mertkan G. aus St. Pölten ist Freitag früh in Wien festgenommen worden. Das teilte Maria Lalics, Sprecherin der Staatsanwaltschaft St. Pölten mit. Derzeit befinde sich der 14-Jährige in Polizeigewahrsam.
Der Jugendliche war laut KURIER-Informationen in Begleitung eines ebenfalls verschwundenen Zwölfjährigen. Beide wurden kurz nach acht Uhr morgens in der Nähe der U3-Station Mariahilfer Straße von der Bereitschaftseinheit gefunden. Sie waren nicht bewaffnet und leisteten keinen Widerstand.
Beide werden nun nach St.Pölten überstellt. Der Jüngere kommt nicht in Haft, er wird seinen Erziehungsberechtigten übergeben.Abgängigkeitsanzeige
Mertkan G. war im Herbst 2014 unter dem Verdacht, das Verbrechen der terroristischen Vereinigung, das Vergehen der Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat, sowie das Vergehen der gefährlichen Drohung begangen zu haben, festgenommen worden. Nach einer Haftprüfung wurde er 14 Tage später enthaftet und bekam seitdem zweimal pro Woche Bewährungshilfe. Als er am Dienstag nicht von der Schule heimkam, erstattete seine Mutter Abgängigkeitsanzeige.
Alarmbereitschaft
Um nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung zu stärken, steht die Exekutive seit Wochenbeginn in erhöhter Alarmbereitschaft. So patrouillieren in Wien derzeit 1500 Beamte (um ein Drittel mehr als üblich) auf belebten Straßen und Plätzen, in Bahnhöfen sowie in der U-Bahn. Seit Donnerstag ist auch die Ordnungsdienst-Einheit (ODE) unterwegs. "Wir wollen verstärkt Präsenz im öffentlichen Raum zeigen", sagt Kommandant Günter Bolland. Diese Taktik gilt für ganz Österreich.
Bundesweit stehen seit Wochenbeginn 7000 Beamte im Einsatz. Neben der intensivierten Streifentätigkeit werden in der Bundeshauptstadt auch etwa 110 Objekte – von Botschaften über Schulen bis zu privaten Objekten – bewacht. "Wir haben Anlass zur Vorsicht, aber keinen Grund zur Panik", beschreibt ein Sprecher des Innenministeriums die aktuelle Lage.
Vorsichtig sind die Verantwortlichen auch bei den Wiener Linien. In Absprache mit der Exekutive wurden Sicherheitsmaßnahmen definiert. Denn U-Bahnen gelten als mögliche Terrorziele. Linien-Sprecher Dominik Gries erklärt: "Es gilt zurzeit Stufe Gelb, die dritthöchste Gefahreneinschätzung. In den Stationen patrouillieren verstärkt Mitarbeiter und Polizei. Bei vergessenen Gepäckstücken werden Stationen sofort evakuiert. Wir lassen uns auf keinerlei Risiken ein."
Bei der KURIER-Online-Befragung fühlen sich fast 42 Prozent der Leser auf belebten Plätzen, in U-Bahnen und auf Flug- wie Bahnhöfen nicht mehr so sicher wie vor den Terroranschlägen in Paris. 33 Prozent haben generell Angst vor Anschlägen. 25 Prozent sprechen von aktueller Panikmache. Der KURIER fragte Psychologen Cornel Binder-Krieglstein warum das subjektive Sicherheitsgefühl so rasant gesunken ist.
„Österreich ist seit Jahrzehnten eine Insel der Seligen. Die Bevölkerung ist es nicht gewohnt, mit solchen Bedrohungen umzugehen. Was in Erinnerung blieb, ist der Anschlag auf den Flughafen in den früheren 80er-Jahren. Und es gab die Bedrohung aus dem Osten. Die jetzige Situation ist intensiver.“ Für Binder-Krieglstein spielt auch die höherer Mobilität eine Rolle: „Ein schneller Städtetrip nach London ist keine große Sache mehr. Die Globalisierung bringt uns näher an die Terrorgefahr heran.“
Die Anschläge in Paris richteten sich gegen die Demokratie: „Viele Menschen sagen, dass die Angriffe gegen die Demokratie auch ein Angriff auf unsere Gesellschaft waren. Also auf uns. Man fühlt sich bedroht.“ Der Psychologe warnt davor, nicht zu differenzieren: „Wir müssen zwischen Fanatismus und Religion unterscheiden. Viele Menschen sind nicht ehrlich zu sich. So macht man sich selbst Angst. Nicht unter jedem Kopftuch steckt eine Panzerfaust.“
Gehört Ihnen dieser Koffer? Nein?" Hektisch rennen ein Mitarbeiter einer Airline und zwei Polizisten durch die Halle des Wiener Flughafens in Schwechat auf der Suche nach dem Besitzer dreier herrenloser Gepäckstücke. Es herrscht Erleichterung, als ein Mann zu seinen Taschen zurückkehrt. Seit den Terroranschlägen in Paris wurde die Polizeipräsenz am Airport massiv verstärkt.
95 Polizisten des Stadtpolizeikommandos Schwechat streifen täglich durch das Flughafengebäude, auch an verkehrsschwachen Tagen. In Zweierteams werden die weitverzweigten Gänge patrouilliert, ein Beamter trägt seine Dienst-Glock, der zweite ist mit dem Sturmgewehr 77 ausgestattet, um bei einem möglichen Einsatz auch auf größere Entfernung schießen zu können. Die Beamten sichern nicht nur das Gebäude, zusätzlich wird das Gelände regelmäßig umfahren. Auch der Wiener Hubschrauber der Flugpolizei steht mittlerweile größtenteils auf der Außenstelle Schwechat.
Bestens gerüstet
"Wir sind bestens gerüstet für die derzeitige Lage", sagte Oberstleutnant Omar Haijawi-Pirchner. Wie der nun vereitelte Anschlag in Belgien zeigte, ist nicht nur der Schutz des Airports, sondern auch die Identifizierung möglicher ein- oder ausreisender Extremisten besonders wichtig. Seit November werden am Wiener Flughafen bei Risikoflügen Schwerpunktkontrollen durchgeführt. Dazu wurden Risikoindikatoren erstellt, die von den Behörden allerdings geheim gehalten werden. Nur soviel, wenn ein Passagier aus Berlin anreist, ist er weniger verdächtig, als wenn er über Dubai und Istanbul nach Wien kommt. Erfahrungsgemäß reisen Jihadisten jedoch nicht mit dem Flieger, sondern nehmen Autorouten etwa über Belgrad in Anspruch.
60 Dschihadisten zurück in Österreich
Aus Österreich sind bisher 170 Menschen in den Jihad gezogen, 60 von ihnen seien bereits zurückgekehrt - die Personen stehen laut Innenministerium im Fokus des Staatsschutzes. Schlagzeilen machten in der Vergangenheit Jugendliche, die als potenzielle Kämpfer ausreisen wollten.
Erst am Freitag wurde ein 14-jähriger, unter Terrorverdacht stehender Bursche in Wien festgenommen, weil er seit Tagen abgängig war. Eine 16-Jährige steht im Verdacht in Österreich über soziale Netzwerke andere Jugendliche als "foreign fighters" angeworben zu haben. Dabei handelt es sich um jene Islamisten, die sich aus Europa auf den Weg machen und dem Kampf der IS anschließen.
Herausforderung für Grenzschutz
Und das bereitet den Behörden Kopfzerbrechen. Die Zahl der ausländischen Kämpfer ist in Österreich laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hoch. Die Identifizierung der radikalisierten Anhänger, die ein- oder ausreisen wollen, ist eine besondere Herausforderung, auch für den Grenzschutz auf dem Flughafen, wie Haijawi-Pirchner betonte. Im Kampf gegen den Terrorismus wollen die EU-Innenminister die Kontrollen an den Außengrenzen des Schengenraums verstärken und pochen auf ein europäisches Fluggastdatenabkommen. Und der Flughafen Wien-Schwechat ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt für Millionen von Reisenden.
Die Passagiere nehmen die Polizeipräsenz am Airport wohlwollend auf und fragen bei den Beamten nach, ob sie sich sicher fühlen können. "Kollegen, die bereits zur Zeit des Terroranschlags auf einen El-Al-Schalter auf dem Flughafen Wien-Schwechat 1985 im Dienst waren, sagen, es ist so viel Polizeipräsenz wie damals", so Haijawi-Pirchner.
Ein falscher Bombenalarm an Bord einer zum Start nach Wien-Schwechat bereiten Niki-Maschine hat am Mittwochabend für Chaos auf dem Flughafen Rom Fiumicino gesorgt.
Lesen Sie hier die ganze Vorgeschichte.
Der Wiener Rudolf H. saß in der Niki-Maschine mit seiner Ehefrau wenige Reihen vor dem Slowenen. Er spricht von einem Missverständnis und einem Tohuwabohu, ausgelöst durch Verständigungsschwierigkeiten.
"Der Slowene hatte einen Schrittzähler dabei, mit dem er geklickt hat", berichtet H. Ein dadurch offenbar nervös gewordenes italienisches Ehepaar in der Sitzreihe daneben habe wissen wollen, was das denn für ein Gerät sei. Die Verständigung soll sich schwierig gestaltet haben - schließlich holte das Ehepaar eine Flugbegleiterin dazu. Die habe das Missverständnis dann geklärt.
"Während des Starts hat dann aber ein junger Mann ein paar Reihen dahinter die Nerven weggeschmissen, ist zur Flugbegleiterin gelaufen und hat gesagt, er glaubt, es ist eine Bombe an Bord", erzählt der Augenzeuge. „Das Flugzeug ist dann am Rollfeld stehen geblieben, natürlich umstellt.“
Die Flugbegleiter hätten den Slowenen angewiesen, ganz hinten in der Maschine Platz zu nehmen. „Dem hat er widerspruchslos Folge geleistet.“ Nach geraumer Zeit seien die Passagiere dann von italienischen Sicherheitskräften aufgefordert worden, das Flugzeug zu verlassen. „Im Transitraum wurde unser Gepäck kontrolliert und es wurde noch einmal unsere Identität festgestellt.“ Schließlich wurden die Passagiere in ein Hotel am Stadtrand von Rom gebracht.
Als H. auf die Situation aufmerksam wurde, bot er an zu helfen. „Ich hab‘ mir gedacht ‚Schwachsinn‘. Man hätte das ganz anders lösen können“, kritiert er die Vorgangsweise an Bord. „Etwa indem man allen erklärt, dass es sich um einen Schrittzähler handelt.“ Natürlich versteht H, dass nach dem Attentat von Paris bei vielen Menschen die Nerven blank liegen. Aber: „Man sollte schon Vernunft und Ruhe walten lassen, vor allem wenn es sich um einen sensiblen Bereich handelt.“
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