Grazer Amokfahrer fühlte sich verfolgt

Jene Stelle in der Zweiglgasse in Graz, an der das erste Opfer zu beklagen war.
Ein Todesopfer ist noch nicht identifiziert, zwei Verletzte verbleiben in kritischem Zustand.

Nach der Amokfahrt des 26-jährigen Mannes in Graz haben die Ermittler und die Staatsanwaltschaft am Dienstag den aktuellen Ermittlungsstand bekannt gegeben: "Der Täter gab an, dass er sich verfolgt fühlte", sagte Christian Kroschl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Graz. Seine Ehefrau sagte aus, dass es unter anderem Eheprobleme gab, weil er gewalttätig wurde und wollte, dass sie ein Kopftuch trägt.

Grazer Amokfahrer fühlte sich verfolgt
ABD0112_20150623 - GRAZ - ÖSTERREICH: Christian Kroschl (Oberstaatsanwaltschaft Graz / vorne) und Rene Kornberger (Landeskriminalamt Steiermark) während einer Pressekonferenz am Dienstag, 23. Juni 2015, in der Landespolizeidirektion in Graz anl. der Amokfahrt in Graz. Bei der Amokfahrt durch die Innenstadt von Graz am Samstag, 20. Juni 2015, wurden drei Personen getötet und 34 Personen teils schwer verletzt. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU
Der Verdächtige soll sich seit seiner Wegweisung aus dem Elternhaus etwa zwei Wochen "wo untergemietet" haben und zuletzt wieder bei seinen Eltern gewesen sein. Seine Frau war mit den Kindern wo anders untergekommen. Sie hatte bei ihrer Vernehmung gesagt, dass sie vorher nichts von seiner Tat wusste. Das Verfahren wegen häuslicher Gewalt sei noch offen, erklärte Kroschl. Seinen Wunsch nach einem Kopftuch habe sie abgeschlagen, was danach "im Raum stehen geblieben sei".

Rene Kornberger vom Landeskriminalamt schilderte, dass die Eltern des Verdächtigen ebenfalls bereits vernommen wurden, aber nichts zum Sachverhalt beitragen konnten. Aussagen von Zeugen, wonach der Täter bei der Festnahme "Ich habe es für Allah getan" gesagt habe, hätten sich nicht bestätigt. Das Pflichtverhör des Verdächtigen, bei dem über eine Untersuchungshaft oder eine Anhaltung in einer Nervenanstalt entschieden wird, war am Nachmittag noch nicht abgeschlossen.

Bisher kein Hinweis auf Terroranschlag

Die Ermittler bestätigten, dass ein halbautomatisches Gewehr mit Munition bereits vor Monaten bei dem Verdächtigen sichergestellt worden war. Er hatte eine Waffenkarte besessen, doch nach mehreren Zwischenfällen wurde ihm diese abgenommen und damit auch seine Waffe. Bei der Hausdurchsuchung nach seiner Amokfahrt wurden keine weiteren Waffen gefunden. Dafür wurden mehrere elektronische Medien mitgenommen, die ausgewertet werden müssen. "Es gibt bisher keinen Anhaltspunkt dafür, dass es ein terroristischer Anschlag war", sagte Kornberger. Ebenfalls noch ausständig ist das Ergebnis seines Bluttests. Alkohol hatte er jedenfalls keinen getrunken.

Ermittler sichten Videomaterial

Das Landeskriminalamt hat zur Aufklärung des Falles auch ein Erhebungsgesuch Richtung Bosnien geschickt. Die Arbeit der Ermittler gestalte sich umfangreich: "Rund 150 Zeugen sind zu befragen, manche von ihnen können auch noch zu Opfern werden, wenn sie gefährdet waren", sagte Kornberger. 30 bis 35 Videosequenzen von Videokameras entlang seiner Route müssen gesichtet und ausgewertet werden, um eine lückenlose Rekonstruktion zu bekommen. Hinzu kommen unzählige Fotos.

Innenministerin Mikl-Leitner plant nach der Amokfahrt des amtsbekannten Täters, die drei Menschen das Leben kostete, eine Pflichtberatung für Gewalttäter.

Ein Todesopfer noch nicht identifiziert

Grazer Amokfahrer fühlte sich verfolgt
Kleidungsstücke, Unbekannte Frau, Opfer
Kornberger wies darauf hin, dass eines der drei Todesopfer noch nicht identifiziert wurde. Es handelt sich um eine 25 bis 30 Jahre alte Frau, die keinen Ausweis bei sich hatte. Die Erhebungen waren bisher erfolglos. Nun soll anhand ihrer Kleidungsstücke die Identität geklärt werden.
Grazer Amokfahrer fühlte sich verfolgt
2. Tatwaffe - ein Taschenmesser 3. Jacke der Unbekannten 4. Jeanshose der Unbekannten 5. Leibchen der Unbekannten 6. Schuhe der Unbekannten 7. Uhr der Unbekannten
Die unbekannte Tote sowie der Bub und der 28-jährige Mann sind am Montag obduziert worden. Sie waren auf der Stelle tot, ihre Verletzungen glichen jenen bei einem Verkehrsunfall auf einer Überlandstraße - also bei hoher Geschwindigkeit, sagte Kornberger. Der Täter dürfte stellenweise mit bis zu 100 Kilometer pro Stunde durch die Innenstadt gefahren sein.

Opfer doch noch in Gefahr

Entgegen einer ersten Stellungnahme revidierte das LKH Graz hat Dienstagnachmittag seine Angaben zum Gesundheitszustand der beiden verletzten Opfer: "Die beiden Erwachsenen sind doch noch in kritischem Zustand", teilte Sprecherin Simone Pfandl-Pichler der APA mit. Zuvor hatte es geheißen, die beiden seien über den Berg.

Heinz Fischer kommt zum Trauerzug

Indessen hat Bundespräsident Heinz Fischer am Montag seinen Italien-Aufenthalt verkürzt, um beim Trauerzug Sonntagabend in Graz teilnehmen zu können, bestätigte eine Sprecherin einen Zeitungsbericht. Neben der versammelten steirischen Landesregierung und der Grazer Stadtregierung will auch Nationalratspräsidentin Doris Bures beim Gedenkmarsch dabei sein. Die amerikanische Botschafterin in Wien, Alexa Wesner, hatte bereits am Montag in Begleitung von Bürgermeister Siegfried Nagl ihren Eintrag im Kondolenzbuch im Rathaus niedergeschrieben.

Die Asfinag schaltet ihre sogenannten Wechseltextanzeiger bei den Autobahnen beim Knoten Graz bis zum Sonntag auf schwarz mit den weißen Schriftzug "Graz trauert" - vorbehaltlich aktueller Verkehrsmeldungen. Auf den Wechseltextanzeigern stehen sonst Mitteilungen wie "Rettungsgasse bilden" oder "Staugefahr".

Hintergrund: Das gelähmte Graz trauert noch

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