84 Eltern von "Stanglern" im Gefängnis

Die meisten Strafen wegen Schulschwänzens in Wien und Salzburg. In Kärnten sitzen besonders viele diese im Gefängnis ab.

29 Kärntner gingen vergangenes Jahr für einige Stunden ins Gefängnis, weil ihre Kinder die Schule schwänzten. In Niederösterreich waren es sogar 37 Mütter oder Väter. In Wien gab es gerade einmal drei solcher Fälle (siehe Grafik).
Wenn Eltern nichts dagegen unternehmen, dass ihre Kinder Schule stangeln, müssen sie mit einer Geldstrafe rechnen. Manche sitzen die Strafe sogar im Gefängnis ab. Warum das in Kärnten besonders häufig vorkommt, ist Kärntens Landesschulrat Rudolf Altersberger ein Rätsel: „Wir wissen, dass bildungsferne Schichten mit geringem Einkommen diesen Weg wählen. Oft haben die Eltern ja nicht einmal Geld zum Leben und gehen lieber hinter Gitter. Das erklärt aber nicht diesen Unterschied, denn in Wien gibt es diese Fälle gleichermaßen.“
Hinter vorgehaltener Hand sagen Direktoren, dass die Exekution in Kärnten im Vergleich zu anderen Bundesländern rigoroser durchgezogen wird. Ein Wiener Schulleiter bestätigt das: „Hier geht man manchmal zu behutsam vor.“
Die Strafe einzutreiben ist allerdings nicht die Aufgabe der Schulbehörde, sondern des Magistrats bzw. der Bezirkshauptmannschaft. Darauf weist Horst Tschaikner, Schulschwänzbeauftragter der Stadt Wien, hin.

Prävention

Die Landesschulräte werden aber im Vorfeld aktiv: Sie reden mit Eltern, Lehrern und Schülern, sie schalten Psychologen ein und machen auf die Folgen des Schwänzens aufmerksam. „In Wien gibt es ein SMS-System – jeder Kommunikationsversuch der Schule mit dem Erziehungsberechtigten wird dokumentiert“, sagt Tschaikner.
Viele Direktoren stellen in der Bundeshauptstadt einen Bewusstseinswandel fest: „Schulschwänzen wird als ernstes Problem wahrgenommen. Auch bei den Lehrern, die viel schneller aktiv werden“, sagt ein Direktor. Zum Bewusstseinswandel habe sicherlich beigetragen, dass viele Medien auf das Problem des Schulschwänzens aufmerksam gemacht haben. Auch die Verdoppelung der Höchststrafe von 220 Euro auf 440 Euro wirkt abschreckend.
Doch nicht bei allen Eltern gebe es ein Unrechtsbewusstsein: „Wenn ich dann Sätze höre wie ,Ich habe auch viel Schule gestangelt und trotzdem Karriere gemacht‘, werde ich ärgerlich“, sagt Tschaikner. „Einzelne Biografien sagen nichts aus. Schulschwänzen ist einer von mehreren Faktoren, die einen positiven Bildungserfolg verhindern.“ Mit einem Vorurteil will er dabei aufräumen: „Schulschwänzen ist kein typisch migrantisches Problem. Es geht quer durch alle Gesellschaftsschichten.“
Auf Migranten Druck auszuüben, sei besonders einfach, verrät ein Lehrer: „Wenn ein Schüler einige Tage unentschuldigt fehlt, brauche ich nur beim Finanzamt anrufen und sagen, dass das Kind nicht in die Schule geht. Dann wird sofort die Familienbeihilfe gestrichen.“
Der Landesschulinspektor meint, dass Schwänzen ein Thema für die Sozialarbeit sei – und die gehöre ausgebaut, lautet seine Forderung an die Regierung. „Wir haben festgestellt, dass es dort zu weniger Sanktionen kommt, wo die Arbeit mit Vertrauenslehrern und geschulten Pädagogen funktioniert. Ein Kind macht nur Probleme, wenn es Probleme hat.“

Stufenplan

Seit dem Schuljahr 2013/14 gibt es ein neues Verfahren bei Schulpflichtverletzungen, das "im Fall des nicht regelmäßigen Schulbesuchs im Ausmaß von fünf Tagen, 30 Unterrichtsstunden in einem Semester oder drei aufeinander folgenden Tagen unentschuldigten Fernbleibens vom Unterricht" in Gang gesetzt wird. Ein fünfteiliger Stufenplan sieht dann zunächst verpflichtende Gespräche mit Eltern und Schülern sowie die Einschaltung von Direktor, Schulpsychologen, Schulaufsicht und eventuell Jugendwohlwohlfahrt vor. Hilft das alles nicht, können Verwaltungsstrafen bis 440 Euro verhängt werden.

84 Eltern von "Stanglern" im Gefängnis

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