Auf den Gipfel und darüber hinaus

Zwei Jahre lang bereiteten Reinhard Kleindl und sein Partner Lukas Irmler den Spaziergang über die Victoria-Fälle vor. „Das Projekt war einfach zu cool, das muss man einfach machen“, beschreibt Kleindl.
Warum der Grazer Buchautor, studierte Physiker und Journalist Reinhard Kleindl auf schmalen Bändern balanciert.

Wer passionierte Kletterer fragt, warum sie auf Tausende Meter hohe Berge steigen, bekommt zuweilen eine simple Replik: Weil sie eben da sind.

Auf den Gipfel und darüber hinaus
Frankfurt
Reinhard Kleindl gefällt diese Antwort und münzt sie gleich einmal auf sich um. "Wir gehen auf den Berg und fangen dann erst an. Wir gehen auf den Gipfel und darüber hinaus." Dieses "darüber hinaus" ging vor kurzem durch viele Medien: Der Grazer und sein deutscher Partner Lukas Irmler, 26, schafften es als Erste, über die Victoria-Fälle in Simbabwe zu spazieren auf einer Slackline in 91 Metern Höhe.

Zwei Jahre lang arbeiteten die beiden an dem Vorhaben. "Dieses Projekt war einfach zu cool, das muss man einfach machen. Was sollte ich stattdessen tun?" Dabei fängt die Biografie des 34-Jährigen zunächst einmal ganz anders an: Studium der theoretischen Physik, Wissenschaftsjournalismus, Krimibücher schreiben. Aber vor etwa acht Jahren sei er eben in das Slacklinen hineingerutscht, erinnert sich Kleindl. Im Augarten in Graz gab es wöchentliche Treffen von Fans des Trendsports. Kleindl, damals schon begeisterter Bergsteiger, fing Feuer. "Drei, vier Versuche, dann bin ich reingekippt. Auch wenn’s mich am Anfang angezipft hat, dass das nicht gleich bei mir funktioniert hat."

Aber Schritt für Schritt tastete sich der Grazer weiter, die Slackline wanderte immer höher nach oben. 2007 balancierte er über seine "erste g’scheite Highline": 22 Meter lang, in 40 Metern Höhe, gespannt auf dem Traunstein. "Das war dann schon recht hoch. Da bin ich erst nach zwei Stunden ins Gehen gekommen." Danach ging es fast schon Schlag auf Schlag: 33 Meter Länge in Mixnitz, 60 Meter Länge in 30 Metern Höhe in Frankreich, 87 Meter am Traunstein, 2011 in Gipfelnähe auf den Drei Zinnen in Südtirol. 2013 spazierte Kleindl auf 185 Metern zwischen Wolkenkratzern in Frankfurt, später auf dem rund 4000 Meter hohen Mount Kinabalu in Malaysia.

Erst vor kurzem ist Kleindl aus Simbabwe zurückgekehrt und denkt schon über das nächste Projekt nach. "Man kriegt einen eigenen Blick dafür. Man scannt die Stadt, die Gegend und sieht nur noch Highlines", schmunzelt der Grazer. "Das ist wie beim Klettern, da sieht man auch nur noch Wände." Nach der Hitze in Afrika würde er jetzt gerne wieder einmal etwas Alpines machen, überlegt Kleindl.

Bis es soweit ist, kann man ihm bei Vorträgen zuhören, wenn er über seine Erfahrungen spricht und auch über die Angst, die er jedes Mal überwinden müsse. "Das ist anders als beim Bergsteigen. Es macht einen Unterschied, ob man ins Freie steigt oder am Felsen klettert." Es mache Spaß, vermittle aber auch ein Gefühl der Freiheit. Man müsse sich auch eine andere Art von Freiheit nehmen, betont Kleindl: Nämlich die, die Slackline wieder einzupacken, das Projekt ohne Höhenspaziergang zu beenden. "Man muss die Nerven haben, zu sagen: Wenn’s nicht wirklich sicher ist, brechen wir ab."

www.reinhardkleindl.at

Fadisierte Sportler erfanden Slacklinen

Bergsteiger gelten als die Erfinder des Slacklinens und zwar ausgehend vom Yosemite Valley in den USA: Den Kletterern soll wegen anhaltend schlechten Wetters langweilig gewesen sein. Deshalb fingen sie an, auf Absperrketten, Tauen oder Seilen zu balancieren. Als dann in den 1980er-Jahren einige auf die Idee kamen, ihre elastischeren Gurtbänder anstelle von Seilen zu verwenden, war die neue Sportart Slacklinen geboren.

Unterschiedliche Disziplinen

Der Sport lässt sich am ehesten mit dem Seiltanz vergleichen. Allerdings gibt es einen gravierenden Unterschied: Das Seil ist straff gespannt, die Slackline flexibler. Außerdem haben sich auch unterschiedliche Disziplinen gebildet. Unter anderem gibt es Lowlines, sie sind niedrig, dafür zeigt der Sportler Kunststücke. Waterlines führen über Wasserflächen, bei Longlines zählt die Länge, bei Highlines die Höhe.

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