Postler stellte 24.000 Briefe nicht zu

Die Angeklagte kippte Postsendungen einfach in die "Grüne Tonne". (Symbolbild)
Acht Jahre lang flog der Mann nicht auf. Nun wurde er suspendiert und angezeigt.

„Von der Menge her ist das außergewöhnlich“, gesteht Postsprecher Philipp Teper ein: Ein Briefträger aus der Oststeiermark hortete 24.000 Postsendungen zu Hause Briefe, Zeitschriften und Reklame, die er seit Jänner 2006 nicht zugestellt hatte.

Der 49-Jährige flog auf, weil es erst in den vergangenen Wochen vermehrt Beschwerden gegeben hatte und die Post intern zu kontrollieren begann. Der Steirer wurde Freitag befragt und war sofort geständig: Er sei mit „dem Arbeitsdruck“ nicht fertig geworden, begründete er gegenüber der Polizei. Die Post, die er auf der täglichen Runde nicht schaffte, habe er einfach mitgenommen. Zu Hause verwahrte der alleinlebende Mann die nicht geöffneten Stücke säuberlich in Kästen und Schachteln.
Der Postler wurde suspendiert und angezeigt. Er fiel jahrelang nicht auf, weil er die Straßen, die er nicht bediente, immer wieder wechselte. „Es ist ein tragischer Fall“, bedauert Postsprecher Teper. „Der Mitarbeiter ist leider auch gesundheitlich beeinträchtigt.“

5,7 Milliarden

StückeAuch wenn es heuer mehrere solcher Zwischenfälle gegeben habe, seien sie doch die Ausnahme, beteuert Teper: 9000 Zusteller tragen pro Jahr 5,7 Milliarden Poststücke in Österreich aus. Durchschnittlich habe ein Zusteller 2000 Sendungen pro Tag mit dabei. Auch der nun angezeigte Steirer hatte in den vergangenen achteinhalb Jahren fünf Millionen Poststücke zu erledigen, 99 Prozent davon korrekt, betont Teper: „Es funktioniert, nur heuer hat es eine Häufung von Fällen gegeben.“
So wurde Anfang Juli ein Ferialpraktikant in Wien ertappt, der 1000 Briefe nicht zustellte, sondern wegwarf. Im Mai gab es zwei Fälle in Niederösterreich, wo einige hundert Stücke nicht bei ihrem Adressaten landeten; in einem Fall wurden die Briefe vom betroffenen Zusteller sogar verbrannt. Einer der jüngsten Prozesse um so eine Causa fand 2012 in St. Pölten statt: Ein mit dem Job überforderter 21-Jähriger hatte 17 Kisten unerledigte Post daheim. Weil er auch Geld einkassierte und nicht ablieferte, setzte es damals sechs Monate bedingte Haft.

Gegen den 49-jährigen Oststeirer wird nun wegen des Verdachts des Missbrauchs der Amtsgewalt ermittelt. Sobald die Staatsanwaltschaft Graz die persönlichen Schreiben unter 24.000 Briefsendungen nicht mehr als Beweise braucht, stellt sie die Post den Empfängern zu, versehen mit einem Entschuldigungsschreiben.

Ein Wiener Ferialpraktikant entsorgt 1038 Briefe im Müll. In Gumpoldskirchen verbrennt ein Postler 700 Briefe. Immer öfter sind Post-Bedienstete mit ihrer Arbeit überfordert und greifen zu drastischen Maßnahmen.

Die Postgewerkschaft schlägt nun Alarm: "Hier krankt es am System. Ein 19-Jähriger wirft nicht aus Jux und Tollerei Briefe weg, sondern, weil er verzweifelt war", sagt Helmut Köstinger, oberster Postgewerkschaftler zum KURIER. Man habe in den letzten Jahren beim Personal immer nur eingespart, jetzt würden sich die Konsequenzen zeigen. Denn gleichzeitig wurden die Rayons immer größer, die Briefträger müssen immer mehr Briefe austragen. "Jeden Tag schleppen die Postler mehrere Hundert Kilo an Briefen und Paketen. Und das bei jedem Wetter", sagt Köstinger.

Ferialpraktikanten

Im Sommer müssen Ferialpraktikanten angelernt werden, um die Urlaubszeiten zu kompensieren. "Anders wäre es gar nicht mehr möglich", sagt Köstinger. Die Einschulung der Neuen sollte eine Woche dauern, wird aber vielfach nicht eingehalten, da sie bereits für die Zustellung gebraucht werden. Im Winter gibt es gar keine Praktikanten. Fallen dann aufgrund von Krankheit Postler aus, müssen Kollegen zwei Rayons übernehmen. "Es gibt keinen Personalpool, der Ausfälle in Grippezeiten ausgleicht", kritisiert Köstinger.

"Wir haben sehr wohl eine Personalreserve, die im Regelfall auch ausreicht", entgegnet Post-Sprecher Michael Homola. "Klar muss aber sein, dass wir nicht für jeden Briefträger einen Ersatzmann haben können.

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