EU-Menü schmeckt Wirten nicht

Kompromiss: Keine Speisekarte, sondern Personal soll in heimischen Lokalen über unverträgliche Stoffe in Gerichten Auskunft geben.
Was Allergiker freut, empfinden Gastronomen als bürokratische Last.

Am 13. Dezember 2014 tritt europaweit die Lebensmittel-Informationsverordnung in Kraft. Was sperrig klingt, soll Allergikern helfen, um sich beim Bestellen von Speisen besser schützen zu können. Gastronomen müssen 14 Inhaltsstoffe, die Lebensmittelunverträglichkeiten bei Gästen auslösen können, in Zukunft – zum Beispiel auf Speisekarten mit Fußnoten – deklarieren. Heimischen Wirten schmeckt das wenig bis gar nicht. Sie empfinden die EU-Regelung einerseits als bürokratische Last, andererseits als drohende Gefahr für die regionale Genussvielfalt. Derzeit wird noch an einer österreichischen Kompromisslösung gefeilt, mit der sowohl heimische Allergikerverbände als auch Wirte leben können.

Wer nicht betroffen ist, weiß oft nicht, dass Zutaten wie Eier, Gluten (Klebereiweiß im Getreide), Fisch, Milch, Erdnüsse und Soja bei Allergikern zum Teil sogar lebensbedrohliche Reaktionen auslösen können.

EU-Menü schmeckt Wirten nicht
Landsleute Bärenwirt Arbesbach
"Wenn wir auf unseren Speisekarten alle allergieauslösenden Stoffe anführen müssen, wird das ein administrativer Wahnsinn", befürchtet Michael Kolm, Haubenwirt aus dem Waldviertel.

Auch Ulli Amon-Jell, Wirtin und Obfrau der nö. Wirtshauskultur, sieht die neue EU-Regelung als falschen Weg. "Wir sind doch keine Diätköche. Wenn jemand eine Allergie hat, wird er sich melden, um zu erfahren, welche Zutaten wir im Gericht verarbeiten. Und wenn ich seine Allergie kenne, kann ich mich danach richten", betont Amon-Jell. Sie wünscht sich mehr Selbstverantwortung. Zudem befürchtet die Wirtin, dass die Geschmacksvielfalt der österreichischen Küche darunter leidet.

EU-Menü schmeckt Wirten nicht
"Damit ich im Problemfall nicht haftbar bin, müsste ich auf Industriewaren zurückgreifen. Nur so habe ich es hundertprozentig schriftlich, welche Stoffe in den Zutaten sind", betont Gastwirt Christian Straus, "leiden werden regionale Zulieferer. Und mit der Verordnung hetzt man nur die Leute auf, mehr zu klagen." Das sieht Helmut Hinterleitner, Gastronomie-Fachobmann der Wirtschaftskammer, ähnlich.

Freude

Konsumentenschützer haben mit der Lebensmittel-Informationsverordnung ihre Freude: "Bisher hatten es Allergiker schwer, auswärts essen zu gehen. Weil das Personal häufig nicht genügend geschult war, gab es kaum Auskünfte über Stoffe in den Gerichten", sagt Birgit Beck, Ernährungsexpertin beim Verein für Konsumenteninformation. Gerade bei Zöliakie (Verdauungsstörungen durch glutenhaltiges Getreide) müssten Betroffene genau darauf achten, glutenfreie Produkte zu essen. Beck: "Natürlich wird die Verordnung eine große Umstellung für die Wirte. Aber sie ist wichtig, damit eine große Bevölkerungsgruppe vom Restaurantbesuch nicht noch länger ausgeschlossen bleibt."

Trotzdem wird man auf österreichischen Speisekarten nicht sobald allergieauslösende Zusatzinfos finden. Der Grund: "Die Interessensvertreter haben sich auf einen Kompromiss geeinigt", sagt Lisa Fuchs, Sprecherin des Gesundheitsministeriums. Die österreichische Lösung lautet: "In jedem Lokal muss schriftlich eine geschulte Person – Koch oder Kellner – ausgewiesen sein, der über Inhaltsstoffe in den Speisen Auskunft geben kann." Ob damit die EU-Richtlinie eingehalten wird, muss der Verfassungsdienst prüfen. "Da Juristen mitgearbeitet haben, gehen wir von einer gesetzeskonformen Lösung aus."

In der EU regelt eine neue Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV) die Kennzeichnung von Lebensmitteln. Was am 25. Oktober 2011 in Brüssel beschlossen wurde, gilt ab 13. Dezember 2014 verbindlich in allen EU-Mitgliedsstaaten. Nicht nur Gastwirte, sondern auch Lebensmittel-Erzeuger, Großküchen und Caterer müssen über ihre hergestellten Waren umfassende Informationen zum Schutz der Konsumenten weitergeben.

Für vorverpackte Lebensmittel sind folgende Angaben gesetzlich verpflichtend: Bezeichnung der Lebensmittel, das Verzeichnis der Zutaten, die Zutaten und Hilfsstoffe, die Allergien und Unverträglichkeiten verursachen, die Menge bestimmter Zutaten, die Nettofüllmenge, das Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum, besondere Anweisungen für Aufbewahrung, der Name des Lebensmittelunternehmens, das Ursprungsland oder der Herkunftsort, eine Gebrauchsanleitung (falls notwendig), die Angaben des Alkoholgehalts für Getränke mit mehr als 1,2 Volumprozent Alkohol und die Nährwertdeklarationen.

Laut österreichischem Begutachtungsentwurf müssen Betriebe, die unverpackte Lebensmittel abgeben, sicherstellen, dass alle vom Gesetz verpflichtenden Informationen leicht zugänglich sind. Die Verpflichtung sei auch dann erfüllt, „wenn an einer gut sichtbaren Stelle deutlich, gut lesbar und dauerhaft ein Hinweis angebracht ist, dass die genannten Informationen auf Nachfrage erhältlich sind“, heißt es im Entwurf. Die Weitergabe der Informationen müsse über eine geschulte Person erfolgen. Im Jahr 2019 ist eine Evaluierung der amtlichen Kontrollergebnisse geplant.

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