"Ein spielsüchtiger Räuber hört nie von selbst auf"

Interview im Gefängnis: „Barbut hat mich zum Räuber gemacht“
Daniel J. hat acht Postämter überfallen. Die Beute verzockte er binnen Stunden beim Barbut.

In Wien ist die Zahl der Banküberfälle in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen: von 77 Coups im Jahr 2007 auf 27 im Vorjahr. Bessere Sicherheitsvorkehrungen, eine Aufklärungsquote von über 50 Prozent und Kampagnen wie "Bankraub kostet Freiheit" schrecken potenzielle Räuber offenbar ab. Laut Landeskriminalamt ist das Motiv der Täter fast ausschließlich Spielsucht.

Glaubt man Daniel J., hat ihn erst Barbut zum Bankräuber gemacht. Das Glücksspiel aus dem östlichen Mittelmeerraum wird mit zwei Würfeln gespielt. Bei J. waren die Einsätze derart hoch, dass er einmal binnen einer Stunde einen Kredit von 22.000 Euro verspielte.

Heute sitzt der 26-jährige Wiener mit serbischen Wurzeln in der Justizanstalt Garsten in Oberösterreich. Fast zwölf Jahre Gefängnis liegen noch vor ihm, acht Überfälle auf Postämter in Wien gehen auf sein Konto. "Ich bereue, was ich getan habe. Es ist zwar schlimm, dass ich im Gefängnis bin, aber besser jetzt als irgendwann später." J. trägt einen Kapuzenpullover, sitzt gebückt auf seinem Stuhl, erzählt emotionslos. Manche Sätze wirken so, als hätte er sie auswendig gelernt: "Ich habe alles verloren. Meine Kinder, meine erste Ehefrau. Wenn man nicht alles verlieren will, dann sollte man nicht kriminell werden."

Nur schnell weg

"Ein spielsüchtiger Räuber hört nie von selbst auf"
14. Mai 2008, Postamt Herbststraße, Wien-Ottakring: Kurz nach Geschäftsschluss werden die Angestellten von zwei mit Brecheisen und Pistole bewaffneten maskierten Männern überrascht. "Die Überwindung, so etwas zu tun, ist riesengroß. Wie wenn jemand aus 50 Metern Höhe ins Wasser springt, obwohl er nicht schwimmen kann", erzählt J., damals gerade 19 Jahre alt. "Wenn man dann aber im Postamt steht, dann denkt man gar nichts mehr. Dann will man nur noch das Geld und schnell wieder weg."

Den ersten Raubüberfall beging J. gemeinsam mit einem Komplizen, dem er Geld schuldete. Das Postamt war nur ein paar Meter von seiner damaligen Wohnung entfernt. "Ich kannte die Angestellten, war dort Bankkunde. Aber ich hatte doppelten Druck. Druck von den Kredithaien und Druck, wieder zu spielen."

Seinen Anteil an der Beute – etwa 7000 Euro – verzockte J. in wenigen Minuten. Nicht einmal zwei Wochen später klickten die Handschellen. J. musste ins Gefängnis, nach gut zwei Jahren kam er wieder frei. "Ich wollte ein normales Leben beginnen, musste eine Spielsuchttherapie machen. Von meinen Eltern habe ich 30.000 Euro als Startkapital bekommen. Ich habe eine neue Frau geheiratet, hatte eine neue Wohnung." Die Therapie konnte J.s Spielsucht nicht nachhaltig im Zaum halten. "Es hat alles von vorne begonnen, nur auf einem härteren Level."

Die Einsätze stiegen, bald hatte J. 50.000 Euro Schulden. Ein ebenfalls spielsüchtiger Cousin überredete ihn, erneut ein Postamt zu überfallen. "Er hat gesagt: Du kennst dich aus. Dabei kann jeder Vollkoffer einen Raub begehen. Da ist nichts besonderes. Das ist keine Tischler- oder Kochlehre."

Am 19. Jänner 2012 begann in Wien eine Serie von sieben Überfällen auf Postämter. Daniel J. war bei allen sieben beteiligt. Kurz nach dem Raubüberfall auf das Postamt Baumgartenstraße in Wien-Penzing am 16. Mai 2012 wurde er erneut festgenommen. "Wenn sie mich nicht geschnappt hätten, hätte ich weitergemacht. Ein spielsüchtiger Räuber hört nie von selbst auf."

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