Salafisten-Prediger bestreitet Dschihad-Rekrutierung

Der verhaftete Prediger
Behörde nannte in Einvernahme die Namen von zwölf Jugendlichen, die der am Freitag verhaftete radikale Islamist Ebu Tejma für den Dschihad geködert haben soll. "Davon kann keine Rede sein", sagt sein Anwalt.

Nach dem Polizei-Einsatz am Freitag gegen radikale Islamisten in Wien, Graz und Linz entscheidet nun die Justiz, wer von den 13 Festgenommenen in U-Haft kommt. Es laufen zur Stunde Einvernahmen, das bei 40 Hausdurchsuchungen beschlagnahmte Material wird gesichtet. Der Hauptvorwurf: Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation.

Die zentrale Figur ist den Vorwürfen der Sicherheitsbehörden zufolge Mirsad O., besser bekannt unter seinem Prediger-Namen Ebu Tejma.

Die für die Ermittlungen federführende Staatsanwaltschaft Graz wirft dem 32-jährigen mit bosnisch-serbischen Wurzeln vor, nach Syrien beziehungsweise in den Irak zu reisen, um dort die Terror-Gruppe Islamischer Staat zu unterstützen. Sein Rechtsanwalt Lennart Binder erklärte im KURIER-Gespräch, dass ihm die Behörden die Ausreise von „einem Dutzend Jugendlicher“ nach Syrien in den so genannten Heiligen Krieg zur Last legen. Die Ermittler nannten auch die Namen der offenbar ausgereisten Personen. Einige habe der Verdächtige laut seinem Rechtsbeistand "gar nicht gekannt".

Binder gegenüber dem KURIER: „Davon kann doch keine Rede sein.“ Sein Mandant habe den Ermittlern sogar ein Gegenbeispiel genannt – von einem Jugendlichen, der bereits auf dem Weg nach Syrien war, und den sein Mandant durch eine Intervention zur Umkehr bewogen habe. Die Reden, die im Internet von O. kursieren, seien ohne seine Autorisierung in einer gekürzten und damit verfälschten Version ins Netz gestellt worden. Sie würden laut Binder „keinen Aufruf, in den Heiligen Krieg nach Syrien zu ziehen“, beinhalten.

"Geistiger Brandstifter"

Tejma ist in der salafistischen Szene im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. Die namhafte deutsche Islamismus-Expertin Claudia Dantschke bezeichnete ihn als „geistigen Brandstifter“. Jenes Gebetshaus in der Venediger Au in Wien-Leopoldstadt, in der Tejma lange als Prediger tätig war und Osama Bin Laden huldigte, stand seit längerem im Visier des Verfassungsschutzes. Zuletzt bekam er dort ein Predigt-Verbot und zog sich in einen Kampfsportclub in Wien zurück.

Den Behörden zufolge soll er nicht nur in Wien, sondern auch in Graz Nachwuchs für die Terror-Gruppe Islamischer Staat rekrutiert haben. Im Vorfeld des groß angelegten Polizei-Zugriffs, an dem 500 Beamte mitgewirkt haben, stand ein massiver Lauschangriff. Tejma wurde am Freitag mit ersten Telefon-Protokollen konfrontiert. Sein Anwalt sagt, die Vorhalte seien „konfus“. Man könne durch die wenigen Wortfetzen „jeden Zusammenhang herstellen“.

Der Verdächtige brach am Freitag die Befragung ab. Auf eine Fortsetzung, die heute hätte stattfinden sollen, verzichtete der 32-Jährige auf Anraten seines Anwalts. „Wir warten jetzt, was weiter passiert“, erklärt Binder. Sein Mandant sei kein „Hassprediger“. Das Urteil in einem Medienprozess, in dem ein Richter diese Bezeichnung für O. als legitim betrachtet, sei „noch nicht rechtskräftig“.

Die Justizbehörden haben bis Dienstag Zeit, um über die Verhängung der U-Haft über die Verdächtigen zu entscheiden. Der vorgeworfene Tatbestand der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sieht ein Strafausmaß von bis zu zehn Jahren vor.

Zuerst das Fressen, dann die Moral. An Berthold Brechts Ausspruch halten sich Anwälte nicht. Entgegen der landläufigen Meinung von der "Elite ohne Moral", die für Geld jedem zur Seite steht, sind Rechtsanwälte mitunter wählerisch. Das bringt Probleme mit sich: Denn die Rolle der Advokaten im Rechtsstaat ist es, Gerechtigkeit herzustellen und dazu beizutragen, den Beschuldigten nur jene Strafe zukommen zu lassen, die angemessen ist.

Um die mutmaßlichen Dschihadisten, die mehr und mehr die Gefängnisse füllen, herrscht unter den Strafverteidigern kein Griss. "Ja, mir ist auch schon negativ aufgefallen, dass diese Klienten schwer einen Wahlverteidiger finden", sagt Elisabeth Rech, Vizepräsidentin der Wiener Anwaltskammer: "Aber die müssen auch verteidigt werden, die könnten ja auch unschuldig sein."

Kritik an Polizei

Zwei Ausnahmen gibt es in WienLennart Binder und Wolfgang Blaschitz. Binder vertrat bereits Mohamed Mahmoud wegen Terrorverdachts. Im Prozess 2008 übte er scharfe Kritik an der Polizei, die einen Terrorverdacht konstruiert habe, um die erstmals eingesetzten Ermittlungsmethoden zu rechtfertigen. Und er rügte die Auswahl der Geschworenen, bei der Leute mit moslemisch klingenden Namen wie Yussuf, Achmed, Ali übergangen worden und nur Irmgards und Lottes aus der Liste gepickt worden seien. Damals war noch nicht absehbar, dass Mahmoud, der Wiener mit ägyptischen Wurzeln, zu einer zentralen Propaganda-Figur für das IS-Terror-Kalifat werden würde.

Als der KURIER Binder am Freitagnachmittag erreicht, ist er gerade am Weg zum inhaftierten Prediger Ebu Tejma, den er bereits in Medienverfahren gegen zwei Zeitungen vertreten hat. "Ich kann noch nichts zum aktuellen Fall sagen", sagt Binder.

Anwalt Wolfgang Blaschitz wurde dadurch bekannt, dass er 1996 zu Versuchszwecken mit einem Betonklotz am Bein in die Donau sprang. Er wollte beweisen, dass sich das von seinem Mandanten ertränkte Mädchen ans Ufer hätte retten können. In letzter Zeit "sammelt" Blaschitz mutmaßliche Dschihadisten, er hält jetzt bei drei. Die Tante eines Verhafteten hatte gelesen, dass er einen Fußballer im Wettbetrugsfall um Dominique Taboga vertritt, und hat ihn beauftragt. So fing es an. Hat er kein Problem mit so einer Verteidigung? "Nein, weil meine Mandanten keiner Fliege was zuleide getan haben. Jeder Ladendieb ist gefährlicher." Wenn jemand kommt, der Fotos ins Netz stellt, "wie er einen abgeschnittenen Kopf in der Hand hält", fliegt er freilich hinaus.

Auch die Hypothese, wonach mediale Aufmerksamkeit Rechtsanwälte anlockt, trifft bei den mutmaßlichen Dschihadisten nicht zu. Zum Beispiel der Fall des 14-Jährigen, der angeblich gedroht hat, den Westbahnhof zu sprengen. Internationale Medien berichteten darüber, heimische füllten damit Titelseiten. Selbst Ermittler waren verwundert, dass kein Promi-Anwalt das Mandat übernahm. Der 14-Jährige, der nach zwei Wochen U-Haft freigelassen wurde, erhielt vom Staat einen Pflichtverteidiger gestellt.

Ernst Schillhammer meint, es werde in Anwaltskreisen keineswegs als unanständig gesehen, bestimmte Delikte zu verteidigen. Einen solchen "Ehrenkodex" dürfe es gar nicht geben. Der Strafverteidiger berichtet von einer Anwaltstagung kurz nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001. Der Chef der deutschen Anwaltsvereinigung erklärte damals, falls die Attentäter vor Gericht kämen, hätten sie trotz allem die beste Verteidigung zu erhalten. Das sei man dem Rechtsstaat schuldig. Nach kurzem Atemholen gab es unter den anwesenden Juristen Applaus.

Lieber Staatsanwalt

Die Realität sieht anders aus. Taten, die im gesellschaftlichen Diskus besonders verwerflich sind, sind es auch bei Verteidigern. Wolfgang Mekis (früher Ankläger) lehnt die Verteidigung von sexuellem Missbrauch von Kindern ab, wenn er überzeugt ist, dass der das wirklich gemacht hat. "Da wäre ich lieber wieder Staatsanwalt." Auch bei Dschihadisten, "die den Islam missbrauchen", zieht Mekis eine Grenze. "Da würde schon meine Frau einen Aufstand machen." Sie ist Muslima, stammt aus Ägypten.

Martin Nemec, als Anwalt im Telekom-Prozess bekannt, will "bei Dschihadisten oder Mafia nicht anstreifen". Schon aus Gründen "der persönlichen Sicherheit", wobei er noch den Wiener Rechtsanwalt Erich Rebasso im Hinterkopf hat, der von zwei Russen ermordet worden ist. Er sei mit Leib und Leben Anwalt, will aber nicht das eigene Leben aufs Spiel setzen. Und wenn schon, dann nur, wenn es sich auszahlt. Das Honorar muss so groß sein, dass es "vom Kosten-Nutzen-Verhältnis" dafür steht.

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