Im Tal der HCB-Wunderwuzzis

Landwirte-Sprecher August Ratheiser ortet noch keine Aufbruchstimmung. Wie viele seiner Berufskollegen wartet er auf die Ergebnisse der Blutuntersuchungen.
Landwirte bleiben auf Viehbestand sitzen - Scharlatane verkaufen Vulkansteine zur Entgiftung.

Neustart", "Aufbruchstimmung", "Optimismus" – diese Worte werden im Kärntner Görtschitztal aktuell gerne im Zusammenhang mit dem vom HCB-Skandal (erhöhte Belastung mit dem Umweltgift Hexachlorbenzol nach Blaukalk-Verbrennung in einem Zementwerk) verwendet. Vieles davon ist jedoch Wunschdenken. Denn die Krise in dem Kärntner Tal ist noch längst nicht überwunden. Das zeigt sich bei einem KURIER-Lokalaugenschein.

Während Politiker, Touristiker und Werbefachleute diverse Zukunftspläne für das Tal schmieden, plagen die Betroffenen die Probleme der Gegenwart. "25 Rinder stehen in meinem Stall. Kein Mensch auf dieser Welt kauft mir nur ein einziges Tier ab. Ich kann nicht garantieren, dass die Rinder HCB-frei sind, das könnte erst ein Test nach der Schlachtung klären", sagt Landwirt Michael Kreuter aus Brückl.

Hugo Kanz, Veterinär in diesem Ort, kennt diese Probleme: "Die Milch aus dem Görtschitztal ist quasi HCB-frei, das haben wir im Griff. Beim Fleisch drängt der Markt jedoch auf unbelastete Ware, das Unterschreiten der Grenzwerte reicht nicht." Die Landwirte seien verzweifelt. "Sie gehen Wunderwuzzis auf den Leim, die durch das Tal touren und Vulkansteine verkaufen, die angeblich die Entgiftung der Tiere beschleunigen", weiß Kanz. Die Steine müssten zermahlen und dem Futter beigemengt werden, versprechen die Scharlatane Hilfe.

Viehtausch?

Hans Erlacher, Landwirt aus Wieting, glaubt in diesem Zusammenhang, dass ein "Viehtausch" erforderlich sein könnte. "Die Entgiftung findet langsam bis gar nicht statt. In der Milch findet man immer wieder Spuren von HCB, obwohl ich das frische Futter verwende", berichtet er. Das "alte" Futter wurde noch nicht abgeholt, lagert nach wie vor auf seinem Hof – unterteilt in "Rot" (über dem Grenzwert belastet) und "Gelb" (unter dem Grenzwert belastet). "Ich habe es auf die Seite getan und warte, bis der Abtransport über die Bühne geht."

Tausende Tonnen des kontaminierten und bereits abtransportierten Futters lagern indes auf einer Wiese neben dem Zementwerk in Klein St. Paul, das als Verursacher gilt. Nicht verpackt oder versiegelt, nicht abgedeckt. "Am Boden befindet sich eine Folie, die alles abdichtet," teilt Betriebsleiter Berndt Schaflechner mit.

Wo das Heu verbrannt wird, ist ungewiss. Ebenso, was mit den 600 Tonnen Blaukalk passiert, die noch im "w&p-Werk" lagern, weil sie nie verwertet wurden. Wann und wo die 150.000 Tonnen Kalkschlamm aus der Altlastendeponie in Brückl verbrannt werden, kann sowieso niemand beantworten.

Weiter warten – unter diesem Motto zurück zu den Landwirten: Denn diese müssen sich in Geduld üben, was die Ergebnisse der Blutuntersuchungen betrifft. Ursprünglich war eine Wartezeit von drei Wochen kommuniziert worden, seit den Blutabnahmen sind jedoch sechs Wochen vergangen.

Recht auf Information

Testen ließ sich auch August Ratheiser aus Oberwietingberg. "Es ist logisch, dass HCB in meinem Körper ist. Aber ich will diese Information haben", sagt der Sprecher der Landwirte im Görtschitztal. Die Politik, das Zementwerk und die Region hätten viel unternommen. "Aber bevor wir nicht wissen, wie es uns Menschen geht und ob der Boden HCB-frei ist, kann keine Aufbruchstimmung herrschen."

Vor zwei Wochen erhielt Ratheiser prominenten Besuch: Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) besuchte seinen Hof. "Ich habe den Wunsch der Landwirte deponiert, dass wir vor Ort HCB-Proben messen und analysieren können. Es kann nicht sein, dass wir die Proben durch halb Europa schicken und monatelang auf Ergebnisse warten müssen."

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