Helmut ist jetzt als Christina glücklich

Christina ist eine Frau, die auffällt und auch auffallen will.
Nach 46 Jahren im Buben- und Männerkörper ließ Steirerin Geschlechtsanpassung durchführen.

Christina Strasser zückt ihr Mobiltelefon und zeigt Fotos. Von ihrer Hochzeit, vom Urlaub in Barcelona, vom Trip nach Hamburg.

Sie schaut auf die Bilder und weiß, die Person darauf ist sie und doch auch eigentlich wieder nicht mehr: Auf den Fotos ist Christina nämlich noch Helmut.

Mitte 2011 begann die Geschlechtsanpassung, mehr als ein Jahr lang dauerten Psychotherapien und Untersuchungen, ehe letztlich im März 2013 auch die gewünschte Operation durchgeführt wurde. Dazwischen liegen Hormontherapien, Gutachten und das Eingeständnis – nicht nur vor sich selbst, sondern auch vor Familie, Freunden und Kollegen: transsexuell zu sein.

"Solange ich zurückdenken kann, habe ich mich nie burschenhaft oder männlich gefühlt", überlegt Christina. Die Grazerin sitzt an ihrem Esstisch, hat ein braunes Strickkleid an und rot lackierte Fingernägel. "Meine Cousins haben gekickt, ich hab’ genäht."

Helmut ist jetzt als Christina glücklich
Geschlechtsanpassung
50 ist Christina mittlerweile, die 46 Jahre lang als Helmut lebte, mit 22 Jahren die Sandkastenfreundin aus der Weststeiermark heiratete und mit ihr zwei Kinder bekam. "Ich habe versucht, eine ganz normale Heterobeziehung zu leben. Aber ich war unrund, unruhig, hab’ immer versucht, mich abzulenken." Wann sie erkannt hat, dass Helmut in Wahrheit Christina ist, kann die Einkaufsleiterin einer Firma nicht genau festmachen. Wirklich laut ausgesprochen hat es ohnehin nicht sie, sondern Margit, ihre zweite Frau.

2007 haben die beiden geheiratet und sind auch heute noch zusammen. Auch wenn Margit ihre Probleme mit der Situation hat, weniger wegen des Geschlechtswechsels, sondern mit dem Umfeld. Christina ist eine Frau, die auffällt und auch auffallen will. 1,82 Meter groß, in Stöckelschuhen dann gleich einmal 1,90 Meter, Kleid, roter Lippenstift. "Ich stehe gerne im Mittelpunkt", sagt sie schlicht. Das sei immer schon so gewesen. "Aber Margit leidet unter den Blicken und den Diskussionen, die dann einsetzen."

"Verschwinde"

Freilich, so einfach, wie sie es beschreibt, war es auch für Christina nicht. "Verschwinde, Transensau" ist noch einer der harmloseren Ausdrücke, die sie zuweilen hören muss. 80 Prozent der Freunde aus dem früheren Leben sind weg. "Die Gesellschaft ist nicht tolerant", urteilt Christina, Conchita Wurst beim Song Contest hin oder her. Christina spricht übrigens explizit von Tom Neuwirth, nicht Conchita. "Er is’ ein homosexueller Mann, Conchita ist eine Kunstfigur. Ich möcht’ nicht wissen, was die Österreicher gesagt hätten, wenn er nicht gewonnen hätte. Den hätten’s zur Sau gemacht."

Studien zufolge sollen 0,5 Prozent der Österreicher transsexuell sein, Christina unterstützt Betroffene in Graz bei einer Selbsthilfegruppe. Auch ein Buch hat sie geschrieben. "Ich will den Leuten sagen, Transsexualität ist nichts Schlimmes und nichts Unanständiges. Diese Leute sind nicht deppert und man kann ganz normal mit ihnen reden", beschreibt sie. "Am Ende meines Lebens will ich sagen können, ich habe einen kleinen Teil dazu beigetragen, dass das endlich normal ist."

"Fesch schaust aus"

Da fallen Christina die Eltern ein, fast schon 80 Jahre alt und "erzkatholisch", wie sie es nennt. Als die Mutter 2013 nach einem Eingriff im Spital liegt, besucht sie ihr Kind, aber nicht mehr als Sohn Helmut, sondern als Tochter Christina. Auch ihr Vater sieht sie da zum ersten Mal – eine Begegnung, die Christina schon wegen seines Alters und der Religiosität nervös machte. Aber was tat er, der 77-Jährige? Stand auf und umarmte seine Tochter mitten im Krankenzimmer vor einem Dutzend Augenpaaren: "Fesch schaust aus!"

Tipp: Präsentation für das Buch "Tausche Dreitagebart gegen Lippenstift. Mein Weg zur Frau (Leykam Verlag. 15 Euro) am 24. Februar, 19 Uhr, "Die Scherbe", Stockergasse 2, Graz.

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