"Habe mit hohen Werten gerechnet"

„Ich war täglich mit HCB in Kontakt.“ Hans Erlacher überraschen seine hohen Werte keineswegs.
Die Bevölkerung wurde mit der Wahrheit konfrontiert/ Kärntner Landwirt sagt Gift den Kampf an.

Hexachlorbenzol – seit Bekanntwerden des Kärntner Umweltskandals ist publik, dass jeder Österreicher dieses krebserregende Umweltgift in geringer Konzentration in seinem Körper trägt. Erst recht jeder Görtschitztaler. 114 wollten jedoch mittels Bluttests exakte Daten ermitteln lassen.

Jene Menschen, die nur geringe HCB-Kontaminationen aufzuweisen hatten, wurden auf Wunsch per Post benachrichtigt. Jene, die höhere Werte auswiesen, mussten am Mittwoch die Bezirkshauptmannschaft St. Veit aufsuchen. In Beratungsgesprächen, die von Medizinern begleitet wurden, erfolgte die Konfrontation mit der Wahrheit – die die meisten sowieso bereits ahnten.

"Habe mit hohen Werten gerechnet"
Umweltskandal in Görtschitztal, Klein St. Paul, HCB, Hexachlorbenzol. Informationsgespräche Blutprobe. Hans und Susanne Erlacher
Unter ihren sind Hans und Susanne Erlacher, die in Wieting im Görtschitztal eine Landwirtschaft betreiben. 4,30 Mikrogramm HCB pro Liter (µg/l) Blutplasma; 2,54 Mikrogramm HCB pro Liter Vollblut – Herr Erlacher liegt mit diesen Daten weit über den Referenzwerten von 1,20 µg/l Plasma bzw. 0,70 µg/l Vollblut einer Untersuchungsgruppe aus Österreich sowie jenen von 0,68 µg/l bzw. 0,41 µg/l aus Deutschland (Die Referenzwerte bei unseren Nachbarn sind niedriger, weil die Verwendung von HCB als Pflanzenschutzmittel dort seit 1981 verboten ist, in Österreich erst seit 1992). Frau Erlacher ist mit 1,5 µg/l Plasma bzw. 0,81 µg/l Vollblut wesentlich geringer belastet.

"Wollte Antworten"

"Egal. Ich arbeite täglich im Stall, bin mit dem kontaminierten Futter und Staub immer wieder in Kontakt gewesen. Und wir ernähren uns stets von unseren Produkten. Ich habe mit erhöhten Werten gerechnet. Dennoch wollte ich Antworten für mich und meine Frau. Unsere drei Kinder haben Blutuntersuchungen abgelehnt", erzählt Hans Erlacher.

Seine Susanne hängt sich bei ihm ein. "Die Fakten liegen am Tisch, wir werden die Zukunft bewältigen", fügt sie hinzu. Als ersten Schritt werde man bei der Verwendung der eigenen Produkte vorsichtig sein, möglicherweise kein Gemüse mehr anbauen.

Die Beratung von Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, der die Familie Erlacher gestern aufklärte, sei kompetent gewesen. Erst wollte Herr Erlacher gar nicht auf die Bezirkshauptmannschaft gehen. "Ich brauche keinen Psychologen zum Handhalten." Letztlich sei die Beratung positiv zu bewerten gewesen. Er geht davon aus, dass die gesundheitlichen Auswirkungen "nicht dramatisch" sind.

Alternativmedizin

Dass sämtliche Ärzte keinerlei Möglichkeit zum raschen HCB-Abbau im menschlichen Körper sehen, will der Landwirt allerdings nicht zur Kenntnis nehmen: "Ich stehe mit einem Alternativmediziner in Kontakt und bekämpfe intensiv das HCB in meinem Körper. Ich bin überzeugt davon, dass ich das Zeug los werde."

Dieser Tage häufen sich Warnungen, die die Kontaminierung des Gurk-Flusses mit HCB und anderen Giftstoffen betreffen. Offensichtlich wurden aus diesem Gewässer, das an der Blaukalk-Deponie in Brückl vorbeifließt, in letzter Zeit vermehrt Proben gezogen: Am Dienstag erweiterte das Land seine Warnung vor Fischgenuss aus der Gurk, am Mittwoch schlug auch die Umweltorganisation Greenpeace Alarm.

Mehr als das Doppelte der höchst zulässigen Konzentration von Hexachlorbenzol fand Greenpeace bei Proben, die am vergangenen Donnerstag der Gurk entnommen wurden – neben giftigen Chemikalien wie Trichlorethen oder Perchlorethylen. Sie sind alle starke Umweltgifte. Die meisten davon können Krebs verursachen, Trichlorethen stehe zudem in Verdacht, das Erbgut zu schädigen, betont Greenpeace.

Chemiker Herwig Schuster glaubt, dass jegliche Nutzung der Gurk unterlassen werden müsse. "Dazu zählt auch, dass Nutz- und Haustiere kein Wasser und keine Nahrung aus der Fluss sowie dessen Uferbereich zu sich nehmen dürfen und keine Bewässerung stattfindet", sagt Schuster. Er fordert das Land auf, zu prüfen, wie stark die Belastung der Drau nach Einmündung der Gurk sei. Schuster warnt weiters: "Es besteht die Gefahr, dass der Gift-Cocktail das Klagenfurter Grundwasserschongebiet erreicht."

"Schneeschmelze"

Albert Kreiner, HCB-Krisenkoordinator des Landes, versucht zu beruhigen: "Wir haben 26 Grundwasser- und Hausbrunnenmessstellen. Alles ist in Beobachtung, es besteht keine Gefahr." Die erhöhten Werte führt er auf die Schneeschmelze zurück, die derzeit mehr Schadstoffe in die Gurk spülen würde.

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