Hannes Kartnig könnte im Mai frei sein

„Ich war leider ein Fanatiker“, entschuldigte sich Kartnig.
Die bedingte Entlassung ist trotz weiterer, nicht rechtskräftiger Strafen möglich.

Er arbeitet brav, ist unauffällig. Er ist ein Vorzeige-Insasse", lobt Manfred Ulrich von der Justizanstalt Graz-Jakomini. "Er weiß, wo er ist und wie man sich da benimmt."

Im Gefängnis scheint Hannes Kartnig mit den Regeln leichter klarzukommen als im elektronisch überwachten Hausarrest. Bekanntlich nahm ihm die Justiz die Fußfessel nach fünf Wochen wieder ab, weil sich der einstige Society-Löwe Kartnig für den Geschmack der Justiz zu sehr in der Öffentlichkeit aufhielt.

Zunächst bei der "Tosca"-Premiere Mitte Oktober in der Grazer Oper gesichtet, wurde Kartnig förmlich belehrt, derlei doch zu unterlassen. Doch die Ermahnung fruchtete nicht. Deshalb ließ die Justiz Kartnig rund eine Woche später nach einem weiteren Gespräch in der Haftanstalt gar nicht mehr nach Hause: Diesmal hatte es sich Kartnig wegen eines Abendessens im Restaurant eines Wiener Nobelhotels mit der Justiz verscherzt.

Seit 29. Oktober ist der 63-Jährige wieder in der Justizanstalt Graz-Jakomini und teilt sich dort die Zelle mit Ex-Bundesliga-Kicker Sanel Kuljic. Außerdem hilft er auf der Krankenstation des Gefängnisses aus. Eine Arbeit, um die Kartnig gebeten hatte. Die Bezahlung ist gemessen an seinem früherem Einkommen von 14.732 Euro netto monatlich, wie er vor Gericht aussagte, mickrig: 1,17 Euro pro Stunde gibt es für die Hilfstätigkeiten. Das Geld wandert zur Hälfte auf ein virtuelles Konto zum Einkaufen im gefängniseigenen Geschäft. Die andere Hälfte wird als Rücklage angespart für die Zeit nach der Entlassung.

Ohne Einschränkung

Die könnte für den Ex-Präsidenten des SK Sturm bald anbrechen. Die Rückkehr nach Hause rückt in greifbare Nähe, ohne Fußfessel und Einschränkungen in der Lebensführung. Kartnig hat mit Jahresende 2014 nämlich bereits mehr als fünf Monate seiner insgesamt rechtskräftigen 15 Monate Haft wegen Finanzvergehen verbüßt (offen sind noch 5,5 Millionen Euro Geldstrafe oder ersatzweise weitere 15 Monate Gefängnis, Kartnig hat um Zahlungsaufschub gebeten, Anm.): Er trat die Haft Mitte September mit der Übergabe der Fußfessel an. Anfang März sind dann bereits siebeneinhalb Monate verbüßter Haftstrafe erreicht, da zwei Monate Untersuchungshaft eingerechnet werden. Damit hätte er die Hälfte der Strafe abgesessen. Das ist zugleich die erste Grenze, um die restliche Strafe bedingt nachgesehen zu bekommen.

Halbstrafe

"Hannes Kartnig hat das Recht, wie jeder andere auch, bei der Halbstrafe um bedingte Entlassung anzusuchen", erläutert der Wiener Rechtsanwalt Roland Kier, der den 63-Jährigen gemeinsam mit seinem Grazer Kollegen Michael Pacher vertritt. "Ob wir das machen, ist aber noch nicht entschieden."

Die realistischere Variante dürfte aber sein, bis Mai zu warten: Dann hat Kartnig zwei Drittel der Haft hinter sich. Im Grazer Gericht ist es gängige Praxis, Insassen nach dieser Zeitspanne heimzuschicken und die restliche Strafe bedingt zu verhängen.

Diese Rechnung geht aber nur auf, solange die noch offenen Strafen nicht rechtskräftig werden. Fast fünf Jahre Haft zusätzlich fasste Kartnig im November aus, als der Betrugsprozess teilweise neu aufgerollt werden musste. Vier Jahre und ein Monat gab es für den Betrugsversuch am Land Steiermark: 2006 soll Kartnig eine Haftung für einen Millionenkredit begehrt haben, obwohl der Fußballklub laut Staatsanwalt da längst pleite war.

Mehr noch: Laut Ankläger hätte der marode Sportverein nicht einmal mehr eine einzige Rate begleichen können. Die Haftung des Landes wäre schlagend geworden.

Weitere sieben Monate Haft setzte es kurz darauf wegen Betruges an Bundesliga und Fußballverband: Durch manipulierte Ticketabrechnungen sollen die Mitgliedsbeiträge an Liga und Verband verringert worden sein. Der Verein soll geringere Ticketverkäufe gemeldet haben, um so Schwarzgeldzahlungen an die Spieler zu verschleiern.

Beides, Betrug und Betrugsversuch, hat Kartnig stets abgestritten.

Wieder beim OGH

Diese Strafen könnten sich aber noch verringern. Sowohl Ankläger als auch Verteidiger haben Nichtigkeitsbeschwerden und Strafberufungen eingebracht. Am Zug ist wieder einmal der Oberste Gerichtshof, genau genommen dessen 13. Senat. Die Höchstrichter hätten drei Möglichkeiten, zählt Anwalt Kier auf: Zurückschicken an das Erstgericht, verweisen an das Oberlandesgericht Graz oder selbst über das Strafmaß entscheiden.

Darauf dürften die Anwälte und ihr Mandant hoffen, denn der OGH tendierte im Fall Kartnig schon einmal zu niedriger Strafe als das Erstgericht. 2012 wurde Kartnig in Graz wegen der Finanzvergehen zu 24 Monaten Haft und 6,6 Millionen Euro Geldstrafe verdonnert. Die Höchstrichter reduzierten später dieses Strafmaß aber auf 15 Monate und 5,5 Millionen Euro.

Den zweiten Teil der Anklage, das Betrugsverfahren, schickten sie an das Erstgericht zurück: Drei Jahre Haft hatte der 63-Jährige 2012 für den Betrugsversuch am Land Steiermark ausgefasst. Doch der neue Grazer Richter war im Oktober mit vier Jahren und einem Monat wesentlich strenger. Kartnig wirkte resignierend: "Ich bin eh schon vernichtet und menschlich am Ende."

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