Gefährlicher Trend zum Heldenfoto

Mit 299 km/h über die Autobahn – die Hero-Kameras verleiten zu riskanten Ideen.
Die Actionkamera liefert coole Bilder, für manche Experten ist sie jedoch ein sehr brisantes Spielzeug.

Bei Tempo 299 wird der Fahrstreifen schmal und ein Pkw zum Hindernis. Auch für einen routinierten Testpiloten", berichtet Clemens Kopecky. Vor wenigen Tagen hat der Journalist des Motorrad-Magazins eine neue Kawasaki getestet. Auf der deutschen Autobahn wurde das Foto mit einer GoPro geschossen – und natürlich gleich auf Facebook geteilt mit dem Zusatz "Nur schnell Milch holen". Ein anderer Biker in England konnte sein Video nicht mehr online stellen. Er rammte mit 150 km/h einen Pkw. Seine Aufnahme dient nun einer Sicherheitskampagne der Polizei.

Die Jagd nach "Likes"

"Der Wert eines jungen Menschen sind heute die Likes auf Facebook", erklärt Verkehrspsychologe Gregor Bartl. Der neue Trend sind Videos mit der GoPro. Die Kamera wurde einst entwickelt, um actionreiche Surf-Aufnahmen zu erstellen. Diese versuchen die jungen Menschen mit möglichst gefährlichen Stunts immer wieder zu überbieten.

Der deutsche Tagesspiegel bezeichnete die GoPro sogar als "gefährlichste Kamera der Welt". Die Umsatzzahlen des Herstellers verdoppeln sich jährlich, im vergangenen Herbst kam ein Einsteigermodell für nur noch 100 Euro auf den Markt.

Im Internet finden sich die Videos – vom Sturz mit dem Mountainbike im Wienerwald bis zum Absturz mit dem Snowboard am Montafon (plus Abtransport im Hubschrauber). Ein Raser aus der Wiener "Roadrunner-Szene" hat ein Video angefertigt, in dem er mit Tempo 300 durch den Kaisermühlentunnel rast. Auch auf Bahnhöfen wurden schon Kinder beobachtet, die ihren Kopf vor den herannahenden Zug hielten und ihn erst kurz zuvor zurückzogen, um ein Video davon zu drehen.

"Wer ein Video von seinen Aktionen dreht, geht eher über Grenzen", sagt ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. Wissenschaftliche Forschungen dazu gibt es allerdings kaum, da der Run auf die Kameras ein junges Phänomen ist.

Erhöhtes Risiko

Die Schweizer Beratungsstelle zur Unfallverhütung warnte kürzlich: "Der Einsatz von Helmkameras kann das Risiko eines Unfalls erhöhen: einerseits können Helmkameras dazu führen, dass der Fahrer mehr Risiken eingeht, um spektakuläre Bilder zu erhalten, andererseits kann der Fahrer abgelenkt sein und seine Kopfhaltung der Kameraführung anpassen, anstatt in Fahrtrichtung zu schauen." Auch im Paraglidersport ist die Rede von erhöhten Unfallzahlen. Dazu werden Kameras an den unmöglichsten Orten montiert, um auch selbst formatfüllend im Bild zu sein. "Be a hero" ("Sei ein Held") verspricht die Werbung schon im Vorfeld.

"Im schlimmsten Fall kann die Kamera durch einen Aufschlag in die Struktur eines Helms gedrückt werden. Diese kann so zerstört werden, dass jegliche Dämpfungs- und Schutzfunktion für den Kopf dahin ist", berichtet ein Helm-Hersteller. Auch beim Sturz von Formel-1-Star Michael Schumacher war so eine Kamera an seinem Kopf montiert. Sie könnte die schweren Verletzungen mitverursacht haben.

Die Unfallzahlen auf Österreichs Straßen nehmen weiter ab. Die am Donnerstag veröffentlichte Bilanz der Statistik Austria brachte einen neuen Rekord: 430 Menschen wurden bei Verkehrsunfällen getötet und 47.670 verletzt. So wenige wie noch nie seit Beginn der Motorisierung.

Die Ursachen

Die Gründe sind laut Experten vielschichtig: Bessere Sicherheitseinrichtungen in den Fahrzeugen, niedrigere Toleranzgrenzen bei Schnellfahrern oder die immer bessere medizinische Versorgung sind die meistgenannten Ursachen.

Auffallend: 73 Prozent der Verkehrstoten sind Männer. In der Gruppe der 16- bis 30-Jährigen sind es sogar 87 Prozent, das ist (Zufall oder nicht?) genau jenes Alter, das auch der Kundenkreis für die Action-Kameras ist.

Praktisch in allen Bereichen gab es Rückgänge, bei den getöteten Motorradfahrern ebenso wie bei den Alkolenkern. Einer der Gründe für den Rückgang ist allerdings auch der nicht so großartige Sommer – denn die Halbjahresbilanz hatte noch schlimme Befürchtungen geweckt.

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