Freiwilligkeit stößt an ihre Grenzen

Rund 70.000 Helfer sind beim Roten Kreuz in Österreich ehrenamtlich tätig.
Rotes Kreuz und Samariterbund geraten wegen anhaltender Flüchtlingshilfe personell unter Druck.

Irgendwann geht es einfach nicht mehr", sagt der 25-jährige Daniel Spitzbart. Nach vier Jahren als Freiwilliger beim Samariterbund Traiskirchen schmiss er vor Kurzem hin. "Wenn man in der Nacht mehrmals ausfahren muss, kann man nicht am nächsten Tag konzentriert sein", meint der TU-Student.

Während die tragischen Schicksale Tausender Flüchtlinge in Österreich in den vergangenen Wochen eine Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst haben, darben die Rettungsorganisationen personell. Martina Vitek-Neumayer, Sprecherin des Samariterbundes (ASBÖ) kennt das Problem: "Die Menschen wollen helfen, aber über längere Zeit geht sich das mit der Arbeit oft nicht aus." 7200 Freiwillige hat der Samariterbund. Ständig ist man auf der Suche nach weiteren. Allerdings ist oft auch die langwierige Ausbildung (100 Stunden Theorie, 160 Stunden Praxis) eine nicht unwesentliche Hürde.

In manchen Ortsstellen wird es jedenfalls eng. "Wenn wir den kommenden Kurs für die Ausbildung zum Rettungssanitäter nicht voll bekommen, dann können wir die Bereitschaft von 24 Stunden von Montag bis Sonntag nicht mehr aufrechterhalten", sagt Werner Hagmann. Der Ortsstellenleiter des Roten Kreuzes (RK) in Gföhl, Bezirks Krems, NÖ, ist nicht der einzige, der mit Nachwuchssorgen kämpft.

Die benachbarte Dienststelle in St. Leonhard am Hornerwald, Bezirk Krems, wurde wegen Helfermangels bereits geschlossen. "Jetzt übernehmen wir einen Teil des Gebietes, den Rest decken die Garser ab", betont Hagmann, der den Dienst der Allgemeinheit schmackhaft machen will.

Hilfsbereitschaft

Während RK-Ortsstellenleiter Hagmann versucht, mit engagierter Jugendarbeit, organisierten Veranstaltungen und öffentlichen Aufrufen, Leute zum längerfristigen Ehrenamt zu bewegen, finden sich in Ballungszentren immer mehr Menschen, die vor allem auch durch das Schicksal vieler Nahost-Flüchtlinge aufgerüttelt werden und bereit sind, zumindest bei bestimmten Projekten freiwillig mitzuarbeiten, wie etwa bei der Flüchtlingsbetreuung am Wiener West- oder Hauptbahnhof. Auch beim "Team Österreich" sind inzwischen viele engagierte Helfer mit dabei. "Wir haben unglaublich viele neue Freiwillige, die uns unterstützen und anlassbezogen bei der Versorgung der Menschen mithelfen", betont Peter Kaiser, Geschäftsführer des Roten Kreuzes NÖ.

Aber auch die Freiwilligkeit hat irgendwann ihre Grenzen, wie etwa in Traiskirchen. Die Helfer vom Samariterbund mussten alleine im Erstaufnahmezentrum von Jänner bis Juni 1048 nächtliche Einsätze bewältigen – um fast die Hälfte mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das war einigen Freiwilligen zu viel. Fast zeitgleich mit Daniel Spitzbart gaben auch drei weitere Freiwillige auf. Dienststellenleiter Franz Stippl musste zwei hauptamtliche Mitarbeiter aufnehmen, um die Versorgung sicherzustellen.

Kapazitäten

"Viele wissen nicht, dass die Nacht- und Wochenenddienste fast nur von Freiwilligen besetzt sind. Solange bei der Flüchtlingsbetreuung unsere Helfer – derzeit sind es 2500 – nur Spitzenzeiten abfedern müssen, geht sich alles aus. Problematisch wird es, wenn der Zustrom über einen längeren Zeitraum andauert", schildert Gerald Schöpfer, oberster Freiwilliger beim Roten Kreuz Österreich. Dass es in manchen Ortsstellen einen Nachwuchsmangel gibt, sieht er als punktuelles, ländliches Problem, weil aufgrund der Abwanderung in peripheren Gegenden die jungen Helfer fehlen.

Vorschläge, wie man Freiwillige locken kann, gibt es genug – steuerliche Absetzbarkeit, Anrechnung auf die Pension. Samariterbund und Rotes Kreuz sind aber skeptisch. "Ehrenamt muss Ehrenamt bleiben. Der Freiwilligendienst sollte aber bei Bewerbungen oder beim Arbeitgeber als Vorteil gesehen werden", verlangt Schöpfer.

Trotzdem ist klar:Finanziell würde der vermehrte Einsatz hauptamtlicher Helfer auf die öffentliche Hand zurückfallen. "Wenn es mit Freiwilligen und Spenden nicht mehr geht, müssen Gemeinden und Länder mehr Geld in die Hand nehmen", so Vitek-Neumayer. Ihre Rechnung: Wenn jemand keine Zeit hat, bringen auch Anreize wenig.

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