Anna hat nun offiziell zwei Mütter

Stiefkindadoption. Bezirk Hollabrunn
Nach Höchstgerichtsentscheid adoptierte eine lesbische Frau das Kind ihrer Partnerin.

Anna hat nicht eine, sondern zwei Mütter. Kristina H., 33, ist ihre leibliche. Marlies M., 36, die „zweite Mama“. Doch bisher war M. rein rechtlich eine Fremde. Bisher. Die zwei Beamtinnen haben Geschichte geschrieben. Sie sind laut „Verein Famos – Familien Andersrum Österreich“ das erste gleichgeschlechtliche Paar, das in Österreich eine Stiefkindadoption durchgeführt hat. „Für mich war es klar, dass wir beide Annas Mamas sind. Jetzt ist es aber offiziell“, sagt Kristina H., die leibliche Mutter. Auch Marlies M. ist nun Annas Mama. „Das Gefühl ist überwältigend“, sagt M.

Beantragt haben eine Stiefkindadoption in den letzten Jahren viele Regenbogenfamilien – vergebens, denn hierzulande war dies verboten. Wie so oft, wenn es um die Gleichstellung homosexueller Paare geht, musste erst ein Höchstgericht die heimische Politik zum Handeln bewegen. Eine Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR), der dies als „diskriminierend“ wertete, läutete eine Wende ein: Der heimische Gesetzgeber erlaubte homo­sexuellen Paaren die Stiefkindadoption.

Kooperative Bezirksbehörden

Am 6. August stand dies im Bundesgesetzblatt, eine Woche später schon hatte Anna auch offiziell zwei Mamas. Bei dem Paar drängte die Zeit, denn es wollte sich die Karenz teilen. Deshalb habe man bei der Bezirksbehörde vorgefühlt. Die Formalitäten war rasch erledigt: Ein Antrag; ein Besuch des Jugendamts; ein Richter gab schließlich grünes Licht. „Die Behörden waren sehr kooperativ. Dafür ein Danke“, sagt Kristina H. Rechtlich sind sie nun gleichgestellt. Bisher war es absurd: Wäre der leiblichen Mutter etwas zugestoßen, hätte jeder die Adoption beantragen können, nur die „Zweitmama“, die das Kind am besten kennt und liebt, nicht. Denn die beiden sind verpartnert, und dieser Vertrag untersagte eine Adoption. Auch dies wurde geändert.

Für Barbara Schlachter vom „Verein Famos“ war dies ein wichtiger erster Schritt: „Das gibt vielen Rechtssicherheit.“ Weitere Schritte müssten gesetzt werden. Denn weiterhin sind die Fremdkindadoption und auch die medizinisch unterstützte Fortpflanzung heterosexuellen Paaren vorbehalten. M. darf Anna in einigen Jahren von der Schule abholen, Entscheidungen treffen, hat ein Recht auf Auskünfte in Spitälern. Wie jede andere Mutter auch. „Das ist eine irrsinnige Erleichterung. Jetzt ist alles geregelt.“

Den Trauungssaal im ersten Stock des Grazer Rathauses betrachtete Siegfried Nagl als Bastion für die „klassische Ehe zwischen Mann und Frau“. Als Hausherr im Rathaus kann der Stadtchef über die Benützung der Amtsräume entscheiden: Deshalb blieb der Raum homosexuellen Paaren, die eine Verpartnerung eingingen, bisher verschlossen.


Der ÖVP-Bürgermeister verwies gleichgeschlechtliche Paare an das Mediacenter als „festlichen Rahmen“, alle Proteste von Opposition und Homosexuellen-Initiativen verpufften wirkungslos.

Doch nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes scheint nun auch der schwarze Stadtchef umzuschwenken. Nagls Sprecher Thomas Rajakovic betont, die „Öffnung des Trauungssaales wird nicht mehr definitiv ausgeschlossen“. Der Bürgermeister selbst ist bis kommende Woche auf Urlaub und für Medien nicht erreichbar.

Keine Debatten

Mit der Sperre dieses einen Raumes ist Graz ohnedies Einzelfall: In Städten wie Wien, St. Pölten, Salzburg, Wels, Villach und Innsbruck mussten solche Debatten erst gar nicht geführt werden. Der Trauungssaal der Rathäuser stand auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Das Höchstgericht hatte vor kurzem entschieden, dass eine unterschiedliche Behandlung in der Raumwahl von Eheschließungen und Verpartnerungen der Menschenrechtskonvention widerspreche.

Ein Umdenken in Graz sei an der Zeit, kommentiert Daniela Grabovac von der Antidiskriminierungsstelle . „Das ist ja eine absolute Diskriminierung. Der Trauungssaal ist eine öffentliche Einrichtung. Sie sollte allen Bürgern zur Verfügung gestellt werden, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung.“

In Graz formierte sich in den vergangenen Tagen auch eine überparteiliche Plattform „Trauungssaal für alle“: Sie startete eine Online-Petition, die bisher von rund 1100 Befürwortern unterzeichnet wurde.

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