100.000 Pendler sollen Bahn fahren

Werden neue Siedlungen in Bahnnähe gebaut, werden die Bewohner auch eher mit dem Zug fahren, so das Kalkül.
Drei Viertel der Pendler nehmen das Auto. Dabei gäbe es viel Potenzial für die Öffis – genützt wird es nicht.

Wien wächst, ebenso die gesamte Ostregion. Immer mehr Menschen werden daher in Zukunft nach Wien pendeln. Schon jetzt kommen täglich 200.000 Menschen zum Arbeiten in die Hauptstadt. Doch nur ein Viertel der Pendler nutzt die Bahn.

Aktuell fahren knapp 56.000 Menschen mit den Öffis, der Rest sitzt im Auto – und das meist allein. Doch es könnten leicht viel mehr sein. 93 Prozent der Pendler wohnen im Einzugsbereich eines Bahnhofes. 80.000 potenzielle Bahnkunden leben weniger als drei Kilometer von einem Bahnhof entfernt, 44.000 müssten bis zu neun Kilometer zur nächsten Station fahren. Die Arbeiterkammer (AK) kommt daher in einer Studie auf etwas mehr als 112.000 Menschen, die künftig mit der Bahn zur Arbeit fahren könnten.

100.000 Pendler sollen Bahn fahren

Mehr Angebot

Die neuen Pendler bräuchten dafür gut abgestimmte Zubringerbusse oder Park-and-Ride-Anlagen zur Kombination von Pkw- und Bahn-Nutzung. Diejenigen, die näher wohnen, könnten mit dem Rad zum Bahnhof fahren. Aber auch hier gebe es Nachholbedarf.

Erstens braucht es laut AK gute Fuß- und Radwege, aber auch Radabstellanlagen direkt an den Bahnhöfen. Derzeit nutzen nur rund zehn Prozent das Rad, um zum Bahnhof zu gelangen. Analysen der Technischen Universität (TU) gehen davon aus, dass man diesen Wert relativ rasch auf 20 Prozent verdoppeln könnte. Dafür bräuchte es aber auch doppelt so viele Stellplätze wie bisher. In Summe fehlen in der Ostregion mehr als 17.000 Radabstellplätze.

Großes Potenzial sehen die Studienautoren auch bei Wohn- und Betriebsansiedelungen. Denn im Marchfeld wohnen beispielsweise nicht einmal 40 Prozent der Pendler im Nahbereich von Bahnhöfen. Werden neue Siedlungen in Bahnnähe gebaut, werden die Bewohner auch eher mit dem Zug fahren, so das Kalkül. Gleichzeitig sind Betriebe, die nah an einer Bahnstrecke stehen, ebenso für Pendler attraktiv.

Gerade die Fertigstellung großer Eisenbahnprojekte wie im Tullnerfeld oder Lainzer Tunnel und der Hauptbahnhof Wien eröffnen neue Chancen für eine Steigerung. Diese Potenziale müssten in den Fahrplänen umgesetzt werden. Die Arbeiterkammer fordert daher Intervallverdichtungen. Wo Engpässe bestehen, müsse das S-Bahnnetz in der Großregion Wien noch weiter ausgebaut werden, so die Autoren.

Zumindest der Ausbau der Bahninfrastruktur wird weiter voranschreiten. Der Ministerrat hat am Mittwoch den ÖBB-Rahmenplan bis 2021 verabschiedet.

14,6 Milliarden

Die Schwerpunkte des 14,59 Milliarden Euro-Pakets liegen im Ausbau der Südbahn, dem Bau des Brennerbasistunnels und der Fertigstellung des viergleisigen Ausbaus der Weststrecke zwischen Wien und Wels. Ausgebaut wird auch der Marchegger Ast und die Schleife Ebenfurth, ebenso wie die Verbindungsbahn von Wien-Hütteldorf bis Meidling.

Verkehrsminister Alois Stöger ist von dem Paket überzeugt. "Nirgendwo sonst in der EU wird pro Person so viel mit der Bahn gefahren wie bei uns. Mit dem Rahmenplan bis 2021 wollen wir die Schiene weiter stärken."

KURIER: Herr Hader, nur 56.000 Menschen pendeln täglich mit der Bahn nach Wien. Da gibt es offenbar Luft nach oben?
Thomas Hader: Es könnten doppelt so viele Bahnfahrer sein.

Ist der Preis ein Argument, um zum Umstieg zu bewegen?
Der größere Faktor ist das Angebot. Fürs Pendeln mit dem Auto zahlen die Leute im Monat im Schnitt fast 400 Euro, für alle Außenzonen des Verkehrsverbundes plus Kernzone im Monat rund 200 Euro.

Was muss sich dann beim Angebot ändern?
Bei der Bahn die Zugfolgen und die Fahrtzeiten. So sind am Morgen viele Züge voll, am Abend sind die Takte dagegen oft nicht so dicht und man wartet eine Stunde auf den Zug. Da braucht es einfach mehr Züge.

Wo liegt das größte Potenzial?
Unsere Studie hat gezeigt, dass wir ein großes Potenzial in den Nahbereichen zu den Bahnhöfen haben. 80.000 potenzielle Bahnkunden leben in Fuß- oder Fahrraddistanz.

Warum fahren die dann nicht mit der Bahn zur Arbeit?
Oft liegt es an kleinen Dingen, etwa, dass es in manchen Ortschaften keinen Gehsteig gibt. Da geht man bei Herbstwetter nicht gerne am Straßenrand. Oder eine gute Straßenbeleuchtung, damit man sich am Abend am Heimweg sicher fühlt. Auch für die Radfahrer braucht es Infrastruktur. Keiner fährt gern auf der Landstraße mit dem Rad, wenn die Autos mit Tempo 100 vorbeirauschen.

Es gibt aber auch Menschen, die weiter entfernt von einem Bahnhof leben und mit dem Auto fahren müssen.
Hier müssen dringend die Park-and-Ride-Anlagen ausgebaut werden.

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