Salzkammergut und Salzkammerwut

Hotel Rittertal soll Asylantenheim werden, Altmünster, OÖ
Die Traunseegemeinde Altmünster taumelt zwischen Hetze und Hilfsbereitschaft. Kurz bevor die ersten Flüchtlinge im neuen Asylwerberheim ankommen werden, liegen zwischen Ablehnung und Vorfreude nur wenige Meter.

Noch nie hat sich Elfriede Steinbock (Name auf Wunsch geändert, Anm.) so geärgert. Gebückt steht die 72-jährige Pensionistin vor dem ehemaligen Hotel Rittertal in Altmünster am Traunsee - ab 11. Dezember sollen hier 20 Asylwerber wohnen. Seit 46 Jahren lebt Frau Steinbock schon in Altmünster. Der Ferienort liegt mitten im oberösterreichischen Salzkammergut, dort wo die Keramikstadt Gmunden ins Ländliche ausfranst. „Das kriminelle Ausländergesindel brauchen wir hier nicht“, sagt sie auf den Traunstein deutend. „Da kommen doch keine Touristen mehr zu uns.“

Salzkammergut und Salzkammerwut
Flüchtlingsheim, Im ehemaligen Hotel Rittertal in Altmünster werden Asylwerber untergebracht, OÖ Foto von Alois Huemer, Sonnenweg 3, A-4845 Rutzenmoos Bankverbindung: RAIKA REGAU, BLZ: 34710, Kto.Nr. 2.116.812 Telefonnummer: 0043/664/6178280 UID Nr. ATU 61297037
Im ehemaligen Zwei-Sterne-Hotel Rittertal wird seit Tagen gebohrt, geklebt und geputzt. Oberösterreich hat es eilig - als einziges Bundesland konnte es die Asylquote nicht rechtzeitig erfüllen. Abhängig von ihrer Größe sollen die Länder eine bestimmte Quote von Asylwerbern in Erstversorgung aufnehmen. In Oberösterreich wären das 2580 Personen. Im Oktober wurde diese Zahl um rund 250 Personen unterschritten. Vereinbart wurde, dass die Quote bis 30. November zu 88 Prozent erfüllt werden muss- aber auch da: Fehlanzeige. Der oberösterreichische SP-Landesrat Josef Ackerl kündigte an, dass das säumige Land bis spätestens Weihnachten die Vorgaben „mehr als erfüllen“ werde.

Maschinengewehr als Schutz

Salzkammergut und Salzkammerwut
Protest gegen Asylwerberheim, FPÖ Altmünster, OÖ
Frau Steinbock ist mit ihrer Wut nicht alleine. Mit Postwurfsendungen und Online-Abstimmungen greift dieFPÖ Altmünsterdie Ängste der Menschen auf. Nicht immer mit Erfolg. Bei einer Online-Umfrage der Freiheitlichen stimmten von den mehr als 8600 Teilnehmern 93,7 Prozent bei der Frage „Kann sich Altmünster ein Asylantenheim leisten?“ mit „Ja“. Nur 6,3 Prozent stimmten dagegen. „Aufgrund eines Hackerangriffs musste diese Umfrage beendet werden“, behaupteten die Freiheitlichen. Tatsächlich kam es zu einer deutlich erhöhten Teilnahme, nachdem der Link zu der Abstimmung auf Facebook und Twitter aufgetaucht war. Die Abstimmung wurde daraufhin vom Netz genommen. Besser klappt es für die FPÖ mit den Plakatständern. Zu sehen ist darauf eine Stopp-Tafel mit einer schwarzen Hand. Dazu der Spruch: „Nein zum Asylantenheim, ja zu Altmünster – damit Heimat Zukunft hat.“ Auch Privatpersonen platzieren ihre Botschaften öffentlich. So kleben auf den großen, staubigen Fenstern des Hotels Rittertal zwei schwarz-rot-weiße Sticker einer seit 2005 verbotenen Neonazi-Band; „Landser - Ein deutscher Held“ steht darauf.

Auf Facebook und im Forum der regionalen Internetplattformsalzi.attreiben es Gegner des Asylwerberheims noch wilder. So kündigte ein junger Altmünsterer in einer öffentlichen Facebook-Gruppe unter seinem Klarnamen an, ein Maschinengewehr aufzustellen. Zum Schutz vor den Flüchtlingen. Auf salzi.at waren ähnliche Kommentare zu lesen - bis hin zur Wiederbetätigung. „Wir wollten der braunen Hetze keine Plattform mehr bieten. Deshalb haben wir alle Foren zu diesem Thema geschlossen“, sagt salzi.at-Gründer Philipp Wiatschka. Ein User forderte etwa: „Ab nach Ebensee zum Hotel Steinbruch, dann sind wir dieses Pack wieder los.“ In Ebensee befand sich ein Außenlagerdes KZ Mauthausen, in dem die Häftlinge für unterirdische NS-Waffenproduktionsstätten Stollen in den Berg treiben mussten. Ein anderer User empfahl „die Negersauen zu vergasen.“

"Der positive Dunstkreis in der Bevölkerung ist bestimmt größer als der negative."

Nicht jeder im Fremdenverkehrsort wünscht sich die Fremden fort - der Schein trügt. Zehn Minuten vom Hotel Rittertal entfernt wohnt Almut Etz. Die pensionierte Lehrerin, 67, ist Koordinatorin der Plattform „Altmünster für Menschen.“ Gemeinsam mit 40 anderen Bewohnern der Traunseegemeinde und dem Pfarrer Franz Benezeder, der schon aus seiner vorher betreuten Gemeinde Erfahrung mit der Unterstützung von Asylwerbern hat, kämpft sie gegen die negative Stimmungsmache an. Dazu hat „Altmünster für Menschen“ verschiedene Arbeitsgruppen gegründet: „Kinder und Jugend“, „Koordination von Grundbedürfnissen“, „Integration durch Sprache“, „Kennenlernen und Meinungsbildung“. Damit will die Gruppe den Asylwerbern einen möglichst positiven Empfang bereiten.

„Die Hetzer sind halt lauter als wir. Aber der positive Dunstkreis in der Bevölkerung ist bestimmt größer als der negative“, sagt sie. Almut Etz – schwarzgraue, schulterlange Haare, Wollweste, Lachfalten in den Augenwinkeln – sitzt in ihrer Küche, spricht ruhig - laut wird sie nur, wenn sie lacht. Sie versteht nicht, warum in Österreich die Asyldebatte so unsachlich geführt werden müsse, erklärt Etz. Immerhin würden die Asylsuchenden nur 0,25% der österreichischen Bevölkerung ausmachen. Eine echte Bedrohung sehe anders aus. Die Plattform „Altmünster für Menschen“ will den Asylwerbern dort helfen, wo sie es wirklich brauchen. Zahnbürsten, Duschgel, etwas zu essen - das soll da sein, wenn am 11. Dezember die ersten Flüchtlinge im Hotel Rittertal ankommen.

Frau Etz schiebt die Ärmel ihrer Weste nach oben, überlegt kurz und sagt: „Wir sind keine Gutmenschen. Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn einem die Menschenrechte wichtig sind, dann darf man bei der Hetze nicht tatenlos zusehen.“ Regelmäßig klingelte in den letzten Tagen ihr Telefon; die Liste von Menschen, die einen positiven Beitrag leisten wollen, wird immer länger. Die Welle der Zustimmung schwappte bis ins Netz. 276 Daumen nach oben hat die Facebook-Seite der Plattform „Altmünster für Menschen“ schon gesammelt. Regelmäßig wird dort Neues zum Thema Asyl veröffentlicht und diskutiert. „Die Trennlinie verläuft ja nicht zwischen guten und schlechten Menschen, sondern zwischen gut informierten und schlecht informierten“, so Etz.

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