Spree-Plan schlägt an der Donau Wellen

Skyline von Berlin
Das Beispiel Berlin zeigt, welche Probleme beim Wachstum des Großraums Wien zu lösen sind – Niederösterreich ist gefordert.

In Wien regnet es 6,4 Tage pro Jahr weniger als in Berlin. Die Durchschnittstemperatur in der Donaumetropole ist um 0,6 Grad Celsius höher als in Deutschlands Hauptstadt. Damit erschöpfen sich die Unterschiede der beiden Regionen natürlich nicht. Allerdings haben sie auch viel gemeinsam. Zum Beispiel in Sachen Wachstum: In den kommenden Jahren wird die Bevölkerung in den Großräumen Wien und Berlin um je rund 250.000 Menschen steigen.

Das stellt vor allem die Stadtumland-Bezirke vor besondere Herausforderungen. Bei einem Lokalaugenschein macht das Beispiel Berlin dieser Tage deutlich, dass die Gemeinden um Wien um ihre Entwicklung werden kämpfen müssen.

"Der starke Zuzug in die Stadtregion Wien ist vergleichbar mit dem, was Berlin vor gut zehn bis 15 Jahren erlebt hat", sagt Peter Görgl vom Institut für Geografie und Regionalforschung der Uni Wien. Er untersucht im Auftrag Niederösterreichs seit Jahren die Entwicklung im "Speckgürtel" – ein Begriff der laut Görgl passé ist. "Wachstum konzentriert sich nur mehr entlang von Erreichbarkeitsachsen, also gut ausgebauten Verkehrswegen – egal ob Öffis oder Pkw."

Diese Erfahrung hat auch Berlin gemacht. "Entlang der revitalisierten S-Bahn-Trassen sind Siedlungsachsen im Umland entstanden", sagt Arno Bunzel vom Deutschen Institut für Urbanistik. In den nicht gut angebundenen Räumen sehen wir einen zum Teil dramatischen Bevölkerungsrückgang." Damit verbunden seien Fachkräftemangel, schwächelnde Wirtschaft und Probleme mit der Grundversorgung.

An der Spree geht man seit 1996 die Probleme gemeinsam mit dem Berlin umgebenden Bundesland Brandenburg an. Eine gemeinsame Behörde legt seit Jahren die verpflichtende regionale Planung für beide Länder fest. "Das hat uns geholfen, Alltagsprobleme leichter zu lösen. Bei komplexeren Projekten macht sich das Klima der Zusammenarbeit bezahlt", sagt der Berliner Staatssekretär Engelbert Daldrup. Urbanforscher Bunzel verrät aber, dass die von oben verordnete Planung in Umlandgemeinden mitunter Unmut hervorruft: "Etwa wenn festgelegt wird, wo ein Einkaufszentrum entstehen darf und in welcher Stadt nicht."

Kooperativ

Eine Entwicklung, die der für die nö. Raumordnung zuständige Landesrat Stephan Pernkopf vermeiden will. "Unser Weg ist ein kooperativer", betont er nach den Gesprächen in Berlin. Im Rahmen der "regionalen Leitplanung" sind es die Gemeinden, die gemeinsam planen (siehe unten). Klar sei aber, dass nicht alle Wiener Umlandgemeinden um jeden Preis wachsen können – auch wenn das für Bürgermeister aus Einnahmensicht verlockend ist. Regionalforscher Görgl weiß: "In den Gemeinden an der Wiener Südachse bis Wiener Neustadt sind viel mehr Flächen als Bauland gewidmet, als man brauchen wird." Um Zersiedelung zu vermeiden, müsse genau geplant werden, wo man tatsächlich Neubauten zulässt.

Niederösterreichs regionale Leitplanung für die Gemeinden rund um die Bundeshauptstadt läuft seit eineinhalb Jahren. Für den Raum Wien Nord ist der Prozess abgeschlossen, entsprechende Verordnungen sind fertig. Aktuell sind die Gemeinden im Bezirk Mödling dran. In die Planung ist auch Wien eingebunden. Bis 2018 soll die Leitplanung rund um die Bundeshauptstadt abgeschlossen sein.

Die Arbeitsweise dabei ist stets die gleiche. Aufbauend auf Standortanalysen und Diskussionsrunden einigen sich die beteiligten Gemeinden in regionalen Dialogforen auf Grundprinzipien der räumlichen Entwicklung. Experten aus den Bereichen Verkehr, Naturschutz und Raumordnung unterstützen sie dabei. Ein überregionales Dialogforum regelt die Abstimmung zwischen Nachbarregionen.

Ziel ist, den Bodenverbrauch in allen Regionen durch gemeinsame Planung zu minimieren. Ebenso soll Zersiedelung vermieden werden. "Uns ist wichtig, dass Innenentwicklung vor Außenentwicklung kommt", sagt Pernkopf. Er meint damit, dass in den Ortskernen der Gemeinden um Wien zumeist noch enormes Potenzial für zusätzliche Wohn- oder Geschäftsflächen vorhanden ist. "Dem wollen wir Rechnung tragen und so auch die Kosten für die Gemeinden im Rahmen halten."

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